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Plakatmotiv: Kings of Hollywood (2020)

Kommerz-Hollywood feiert New Hollywood,
bietet dessen Stars einen letzten Auslauf

Titel Kings of Hollywood
(The Comeback Trail)
Drehbuch George Gallo & Josh Posner
nach dem Drehbuch zum gleichnamigen Film von Harry Hurwitz (1982)
Regie George Gallo, USA, UK 2020
Darsteller

Robert De Niro, Tommy Lee Jones, Morgan Freeman, Zach Braff, Emile Hirsch, Eddie Griffin, Sheryl Lee Ralph, Kate Katzman, Patrick Muldoon, Julie Lott, Vincent Spano, Blerim Destani, Chris Mullinax, Paul Witten, Aighleann McKiernan u.a.

Genre Komödie
Filmlänge 104 Minuten
Deutschlandstart
24. Juni 2021
Inhalt

Los Angeles, 1974: Max Barber und Walter Creason, leidenschaftliche B-Filmproduzenten, schulden dem Gangsterboss Reggie Fontaine Geld. Barbers letzter Film, in dem Fontaines Geld steckt, hat zwar eine lange Schlange Menschen vor das Kino gelockt, keine Besucher allerdings, sondern erzürnte religiöse Protestler, der Titel war "Killer Nuns".

Als die beiden erfahren, dass der Filmstar James Moore nach einem Set-Unfall fünf Millionen Dollar kassiert, planen auch sie einen Versicherungsbetrug: Sie rekrutieren kurzerhand den alternden Action-Recken Duke Montana für eine Rolle in ihrem angeblichen Film, versichern Montana für eine hohe Summe und sorgen anschließend dafür, dass er bei einem Stunt ums Leben kommt.

Doch der augenscheinlich depressive Trinker ist rüstiger als gedacht, blüht durch die Arbeit vor der Kamera richtig auf. Die Stunts und Situationen, in die Barber den alternden Cowboy-Darsteller bringt, werden immer gefährlicher und trotzdem hat Duke noch nicht das Zeitliche gesegnet. Plötzlich scheint der Film sogar richtig gut zu werden …

Was zu sagen wäre

Kino ist das Größte! Wenn die Leinwand erstrahlt, wird alles andere unwichtig. Wenn der Vorhang aufgeht, ist die Schelte vom Chef ein Meerschweinchenfurz gegen den Wind. Wenn die Fanfare ertönt, vergisst Du, dass Du Dein Gegenüber eigentlich gerade erschießen wolltest. Wenn das Licht im Saal runter dimmt, werden selbst Mafiakiller zu staunenden Kindern. Kino ist magisch! George Gallo feiert diesen Zauber in seiner fiesen kleinen Komödie "Kings of Hollywood" und man kann sich des Eindrucks kaum erwehren, dass die Szenen, die wir da sehen, nicht etwa groteske Überzeichnungen sind, die nichts mit der Realität zu tun hätten: „Wie Du es hinkriegst, die Tatsachen zu verdrehen, ist echt unglaublich!“, verzweifelt der Neffe des Produzenten Max. „Du … Du, Du, DuDuDuDu  machst Gier zu etwas Gutem. Du machst Mord zum … naja … Mittel zum Zweck! Sag mal: Was für ein Mensch bist Du eigentlich?“ „Naja, ich bin Produzent. Walter, das ist eine Gabe“, entgegnet Max, als wäre es das Selbstverständlichste auf der Welt, dass Produzenten über Leichen gehen.

Der Film, den wir uns anschauen, spielt im Jahr 1974, wahrlich kein Goldenes Hollywood mehr, eher Rostiges Hollywood, in dem ein Altenheim für vergessene Stars den Namen "Final Curtain" führt. Die Zuschauerzahlen gingen in jenen Jahren zurück, das Fernsehen lockte mit immer neuen Serien, die Studios antworteten mit noch einem Western und noch einem Krimi und noch einem Melodram. Aber wirklich packend war das alles nicht mehr. Derweil kämpfte ein Produzentenpaar zusammen mit einem jungen Regisseur und einem Plastikhai, den die Crew "Bruce" getauft hatte, gegen die Gezeiten und widrige Winde. Derweil starb auf den Philippinen beinahe ein Regisseur bei dem Versuch, irgendwie die Szenen für einen Vietnam-Kriegsfilm zu drehen, woran ihn Krankheiten, Wetterkapriolen und ein eitler Schauspieler hinderten. Der Versuch, in Hollywood den Zauber wieder herzustellen, der Chefschelten zu Meerscheinchenfürzen macht, war mit Mühen gepflastert. Aber als die überwunden waren, veränderte Steven Spielbergs Der weiße Hai die Sehgewohnheiten und warf Francis Ford Coppolas Apocalypse Now die Haltung des Zuschauers zum Krieg im Allgemeinen über den Haufen. Peter Bogdanovich trug das alte Kino und seine Zuschauer zu Grabe in Die letzte Vorstellung. Dazu gesellte sich ein junger Regisseur, der einen Taxifahrer zum Zentrum eines die allgemein anerkannte Moral negierenden Films machte. Bald darauf reihten sich noch Coppolas Kommilitone George Lucas in die Schritte zu einem anderen, aufgefrischten Kino oder der Brite Ridley Scott. Spätere Filmjournalisten tauften diese zeitlich nicht klar umrissene Zeit New Hollywood.

Das ist die Umgebung, in der Max Barber Filme wie "Killer Nuns" produziert. Während der Abspann von George Gallos Film läuft, sehen wir noch den Trailer zu diesem Film, der in der Tat ein wahrhaftiger B-Film, ein Bahnhofskinofilm ist mit Nonnen in Strapsen, die mit automatischen Waffen Drogenkuriere entsorgen. Die Kritiken sind Verrisse, das einzig gute an dem Film sei, dass er nach 90 Minuten vorbei sei, schreibt einer. max Barber freut das: „Das ist eine gute Kritik. Die loben das Ende!“ Und natürlich träumt auch Max Barber von seinem großen Moment: In der Schublade hat er ein Drehbuch liegen, das zwischen Wohl und Wehe, zwischen Leben und Tod steht. Das will er verfilmen, dafür braucht er so dringend einen Kinoerfolg: „Was sind wir denn ohne unsere Träume?“ „Reich!?“ In diesem Dialog steckt die ewige Crux der Filmproduzenten Marke Hollywood. Alle drehen dauernd billige Filme mit einer Leidenschaft, in der alle dauernd vom Oscar träumen

Diejenigen Zuschauer, die mit Quentin Tarantino das Kino entdeckt haben, sortieren solche Filme automatisch in die B-Film-Ecke ein – Muss man nicht drüber reden! Wer aber 25 Jahre vor Tarantino mit dem Kino sozialisiert wurde, der erinnert sich, das Filme wie "Killer Nuns" keineswegs exotische Außenseiter waren, die speziell vorgeprägte Kunden in Flüsterkinos hinter der nächsten Ecke fanden, nein: Filme vom Typ "Killer Nuns" liefen im Kino ums Eck. Um 13.00, 15.00 und 17.30 Uhr (nach der 15-Uhr-Vorstellung musste der Saal mal ordentlich durchgewischt werden).

Max Barber ist der Produzent von "Killer Nuns". Aber diese Filme stoßen jetzt, 1974, auf Gegenwehr. Nicht etwa, dass Zuschauer sich verweigern würden. Nein: vor dem Kino protestierende Interessengruppen – in diesem Fall: die Kirche – machen den Zutritt umständlich, schwierig, da geht man(n) der Einfachheit lieber ein Bier trinken und verzichtet auf den Film (in der Realität war Anfang der 1970er Jahre ein ähnliches Schicksal für den Moment dem Film Der Exorzist gegeben). Max Barber hat also, für alle, die in den 1960er Jahren aufwuchsen, voll verständlich, ein Problem. Plakatmotiv: Kings of Hollywood (2020) Zumal ihm auch noch ein Typ im Nacken sitzt, der wirkt wie Mafia, aber keine Mafia ist, weil er erkennbar ein Afroamerikaner ist. Jene Menschen hatten mit der der sizilianischen Mafia oder der kalabrischen ’Ndrangheta nichts zu tun. Egal: Der Mann, ein seltener Vertreter des absoluten Filmfans, will sein Geld zurück, das Max mit "Killing Nuns" versenkt hat und also muss Max Barber zum personifizierten New Hollywood werden, ohne dass er wüsste, dass es das geben wird oder was das heißen soll. Er plant also einfach einen Film, bei dem mit dem ersten Take der Hauptdarsteller vom Pferd fällt, stirbt, die Produktion abgebrochen wird und eine Lebensversicherung von fünf Millionen Dollar einstreicht.

Jemand überrascht, dass das nicht klappt?

Hier beginnt die Charakterschwäche dieses Films. Das Meiste, was ihn ausmacht, passt in den Klappentext der DVD-Hülle, der ein paar Monate vorher der Presstext für die Filmjournalisten war: Ein Produzent will die Lebensversicherung abgreifen, die er für seinen Star abgeschlossen hat, ohne unnötig Geld in die Produktion stecken zu müssen. Vulgo: Der Hauptdarsteller muss möglichst am ersten Drehtag sterben. Nun wird der Mann, der Produzent, der das will, von Robert De Niro gespielt. Das ist der Taxifahrer von damals (The Irishman – 2019; Joker – 2019; The Comedian – 2016; Joy – Alles außer gewöhnlich – 2015; Man lernt nie aus – 2015; Zwei vom alten Schlag – 2013; American Hustle – 2013; Last Vegas – 2013; Malavita – The Family – 2013; Killing Season – 2013; Silver Linings – 2012; Happy New Year – 2011; Killer Elite – 2011; Ohne Limit – 2011; Machete – 2010; Inside Hollywood – 2008; The Score – 2001; 15 Minuten Ruhm – 2001; Meine Braut, ihr Vater und ich – 2000; Men of Honor – 2000; Makellos – 1999; Reine Nervensache – 1999; Ronin – 1998; Große Erwartungen – 1998; Wag the Dog – 1997; Jackie Brown – 1997; Cop Land – 1997; Sleepers – 1996; The Fan – 1996; Heat – 1995; Casino – 1995; Mary Shelley's Frankenstein – 1994; Kap der Angst – 1991; Backdraft – Männer, die durchs Feuer gehen – 1991; Schuldig bei Verdacht – 1991; Zeit des Erwachens – 1990; GoodFellas – 1990; Midnight Run – 1988; Die Unbestechlichen – 1987; Angel Heart – 1987; Mission – 1986; Brazil – 1985; Der Liebe verfallen – 1984; Es war einmal in Amerika – 1984; Die durch die Hölle gehen – 1978; New York, New York – 1977; Der letzte Tycoon – 1976; 1900 – 1976; Taxi Driver – 1976; Der Pate II – 1974; Hexenkessel – 1973).

Dass Robert DeNiro als Filmproduzent ernsthaft einen Hauptdarsteller umbringen möchte? Hey, das ist eine Komödie! Und in der können wir zuschauen, wie ein in Ehren ergrauter Ex-Superstar sich um kein Method Acting mehr kümmert, sondern mit großer Lust am Schauspiel ein Best Of seiner filmhistorisch großen Rollen anbietet. Es macht Spaß, dem mittlerweile 77 Jahre alten Robert De Niro zuzuschauen, wie er sich mit dem anderen Urgestein, Tommy Lee Jones kabbelt (Ad Astra – Zu den Sternen – 2019; Mechanic: Resurrection – 2016; Jason Bourne – 2016; Das Jerico-Projekt – 2016; Malavita – The Family – 2013; Lincoln – 2012; Captain America: The First Avenger – 2011; Company Men – 2010; Im Tal von Elah – 2007; "No Country for Old Men" – 2007; Robert Altman's Last Radio Show – 2006; "The Missing" – 2003; Space Cowboys – 2000; Rules – Sekunden der Entscheidung – 2000; Doppelmord – 1999; Auf der Jagd – 1998; Men in Black – 1997; Volcano – 1997; Batman Forever – 1995; Natural Born Killers – 1994; Der Klient – 1994; "Explosiv – Blown Away" – 1994; Zwischen Himmel und Hölle – 1993; Auf der Flucht – 1993; Alarmstufe: Rot – 1992; JFK – Tatort Dallas – 1991; Airborne – 1990; "Black Moon" – 1986; "Die Augen der Laura Mars" – 1978).

Der Film ist ein Abgesang auf den Alten Weißen Mann auf dem Regiestuhl – auch wenn es den in den 1970er Jahren als Begriff noch nicht gab. Er steht überall im Mittelpunkt, ist aber hier bedroht vom afroamerikanischen (zweifelhaften) Geldgeber und dort bedroht von der weißen, blonden Frau, die dem Männergenre des Western als Regisseurin eine ganz eigene Farbe beimischt.

George Gallo feiert das Kino in seiner Essenz. Große Stars. Große Momente, die im Kopf des vorgebildeten Zuschauers aufpoppen. Die Generation Boomer findet, so die Lust vorliegt, leicht Zugang zu diesem wunderbar komischen Film. Die späteren Generationen X, Y, Millenial und wie sie alle bezeichnet werden, bekommen ein Problem mit der Schlampigkeit dieses Films. Die Actionszenen, die für den zu produzierenden Western innerhalb des Films gedreht werden, sehen aus, als hätte die Finanzabteilung der Filmproduktion nach Drehschluss mal einen Ausritt auf dressierten Pferden gewagt. Die Charaktere des zu drehenden Action-Westerns – jagende Indianer, verfolgte Cowboys – sitzen auf ihren Pferden, steif und unbewegt wie auf einem Sofa. Die Dynamik, die bei Dreharbeiten herrscht, vermittelt sich nicht. Das ist insofern erstaunlich, als dass Regisseur George Gallo als Drehbuchautor nicht nur die Bad Boys Will Smith und Martin Lawrence erfunden hat; er hat auch die charmante Kopfgeldjägerfarce Midnight Run geschrieben. Von Gallo hätten wir realistischere Dreharbeiten-Szenen erwarten können. 

Robert De Niro, Tommy Lee Jones und Morgan Freeman (Angel Has Fallen – 2019; Ben Hur – 2016; London Has Fallen – 2016; Lucy – 2014; Last Vegas – 2013; Die Unfassbaren – Now You See Me – 2013; Oblivion – 2013; Olympus Has Fallen – 2013; The Dark Knight Rises – 2012; R.E.D.: älter. Härter. Besser. – 2010; Invictus – Unbezwungen – 2009; The Dark Knight – 2008; Wanted – 2008; "Das Beste kommt zum Schluss" – 2007; Ein ungezähmtes Leben – 2005; Batman begins – 2005; Million Dollar Baby – 2004; Bruce Allmächtig – 2003; "Dreamcatcher" – 2003; Der Anschlag – 2002; Nurse Betty – 2000; Deep Impact – 1998; Hard Rain – 1998; Amistad – Das Sklavenschiff – 1997; Denn zum Küssen sind sie da – 1997; Sieben – 1995; Outbreak – Lautlose Killer – 1995; Die Verurteilten – 1994; Erbarmungslos – 1992; Robin Hood – König der Diebe – 1991; Fegefeuer der Eitelkeiten – 1990; "Glory" – 1989; Miss Daisy und ihr Chauffeur – 1989; Johnny Handsome – 1989; "Der knallharte Prinzipal" – 1989; Brubaker – 1980) waren bestimmt, zusammen genommen, nicht billig für diese Produktion. Offenbar war dann für den flüssig inszenierten Rest nicht mehr genug Geld übrig. Der Klappentext nimmt mich mit, berührt mich. Aber der inszenierte Produktionsalltag reißt mich im Kinosessel dann nicht mehr mit, bietet mir lediglich einen wärmenden Donnerstagabend.

Wertung: 4 von 8 €uro
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