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Plakatmotiv: Ein ungezähmtes Leben (2005)

Das Traumbild eines Amerika,
das es so längst nicht mehr gibt

Titel Ein ungezähmtes Leben
(An Unfinished Life)
Drehbuch Mark Spragg & Virginia Korus Spragg
Regie Lasse Hallström, Deutschland, USA 2005
Darsteller

Robert Redford, Jennifer Lopez, Morgan Freeman, Josh Lucas, Damian Lewis, Camryn Manheim, Becca Gardner, Lynda Boyd, Rob Hayter, P. Lynn Johnson, Byron Lucas, Trevor Moss, R. Nelson Brown, Dillard Brinson, Jason Diablo u.a.

Genre Drama
Filmlänge 108 Minuten
Deutschlandstart
24. November 2005
Website miramax.com/an-unfinished-life/
Inhalt

Einar Gilkyson lebt auf seiner Farm in Ishawooa, Wyoming. Er kümmert sich um seinen langjährigen Freund Mitch Bradley, der nach dem Kampf mit einem Bären unter den Folgen der erlittenen Verletzungen leidet. Der Bär erscheint später wieder in der Nähe der Farm und wird bald darauf von Wildhütern gefangen und einem lokalen Zoo übergeben.

Kurz nachdem der Bär gefangen wurde, taucht Jean Gilkyson auf, die mit dem einzigen Sohn Einars verheiratet war. Er starb bei einem Autounfall, als beide übermüdet von einer Feier nach Hause fahren wollten. Jean saß seinerzeit am Steuer und wird daher von Einar für den Tod seines Sohns verantwortlich gemacht. Er ist ihr gegenüber sehr abweisend, gleichzeitig aber überrascht, dass sie eine kleine Tochter namens Griff dabei hat. Zum Zeitpunkt der Beerdigung war sie bereits schwanger, verschwieg Einar jedoch ihre Umstände. Danach brach der Kontakt gänzlich ab. Sie verließ ihren letzten Partner Gary, weil der ihr gegenüber immer wieder gewalttätig wurde.

Jean will nur so lange bei Einar in Ishawooa bleiben, bis sie genügend Geld für die Weiterreise angespart hat. Sie findet Arbeit als Kellnerin und Griff lernt den ihr bisher unbekannten Großvater kennen.

Dann taucht Jeans Ex-Freund Gary auf der Gilkyson-Farm auf …

Was zu sagen wäre

Eine kleine Farm in Wyoming. Zwei alte Männer auf der Veranda, die sich seit Jahrzehnten kennen. Da taucht unversehens die Schwiegertochter des einen mit deren Tochter auf und sorgt für jede Menge Bewegung.

Das ist ein klassisches Motiv für ein Kleinstadtdrama: Die verlorene Tochter kehrt heim. Oder für einen Western: ein Fremder kommt in die Stadt. Nein, man kann nicht sagen, dass dieser Film vor originellen Einfällen sprüht. Eher können wir die Story konventionell nennen, inklusive ihrer Entwicklung, die vergleichsweise leicht zu erraten ist. Auf dem Regiestuhl sitzt Lasse Hallström (Schiffsmeldungen – 2001; Chocolat … ein kleiner Biss genügt – 2000; Gottes Werk & Teufels Beitrag – 1999; Power of Love – 1995; Gilbert Grape – Irgendwo in Iowa – 1993; ABBA: Der Film – 1977). Das verrät schon ein bisschen was über die Gangart. Der Schwede inszeniert ein Klischee, macht eine Fingerübung.

Mit Robert Redford hat er den idealen Schauspieler für den brummigen alten Einar. Der Schauspieler ist an einem Markstein in seiner Karriere angelangt. Gerade moderiert er den Übergang aus dem Rollenspektrum "Mentor" und "Held zieht sich in zweite Reihe zurück" hinein in das Rollenspektrum "Alter Mann" – wobei "Alter Mann" nicht mit senil übersetzt wird, aber durchaus mal mit Grumpy Old Man; so wie hier. Und Redford macht das super. Sein Einar ist grantig und gleichzeitig loyal, giftig und gleichzeitig fair, er trägt eine große Trauer in sich, ist wütend auf die Schwiegertochter, aber deren Tochter, seine Enkelin, nimmt er schnell unter seine sorgenden Fittiche. Das ist eine schöne Rolle, der die Autoren schöne Dialoge und trockenen Humor geschenkt haben.

Neben Redford agiert Morgan Freeman als Redfords Spiegelbild. Eigentlich auch ein Grumpy Old Man, aber den schicksalshaften Zeitläuften, die die Familie seines Freundes Einar durchgemacht hat, offener gegenüber. Fast möchte ich sagen: eine klassische Morgan-Freeman-Rolle; wenn es nicht so wäre, dass Morgan Freeman jede Rolle, die er spielt, zu einer Morgan-Freeman-Rolle macht (Batman begins – 2005; Million Dollar Baby – 2004; Bruce Allmächtig – 2003; "Dreamcatcher" – 2003; Der Anschlag – 2002; Nurse Betty – 2000; Deep Impact – 1998; Hard Rain – 1998; Amistad – Das Sklavenschiff – 1997; Denn zum Küssen sind sie da – 1997; Sieben – 1995; Outbreak – Lautlose Killer – 1995; Die Verurteilten – 1994; Erbarmungslos – 1992; Robin Hood – König der Diebe – 1991; Fegefeuer der Eitelkeiten – 1990; "Glory" – 1989; Miss Daisy und ihr Chauffeur – 1989; Johnny Handsome – 1989; Brubaker – 1980).

Als Schwiegertochter aus einfachen Verhältnissen kann Jennifer Lopez ("Das Schwiegermonster" – 2005; Angel Eyes – 2001; The Cell – 2000; Out of Sight – 1998; U-Turn – Kein Weg zurück – 1997; Anaconda – 1997; Money Train – 1995) betont umglamourös auftreten und eine patente, grundsolide und sympathische allein erziehende Mutter spielen, die ein Goldstück von Tochter erzogen hat – bei so einem wohl erzogenen, hellwachen Mädchen ist es kein Wunder, dass Grumpy Old Redford sofort Großvaterallüren bekommt. Dann gibt es da noch den Sheriff, den Josh Lucas überraschend sympathisch geben kann, wo der doch meist auf die Rolle des finsteren Ekelpakets abonniert ist (Hulk – 2003; "Sweet Home Alabama" – 2002; A Beautiful Mind – 2001; American Psycho – 2000). Schließlich ist da ein Bär, der Teil dieses titelgebenden ungezähmten Lebens ist, neben Einar und Mitch, den beiden Alten.

Und dann ist da natürlich die Kleinstadt selbst, Ishawooa, irgendwo in Wyoming, und die ist der Traum eines jeden Freundes des großen Americana; mitsamt Diner, in dem eine nicht auf den Mund gefallene Wirtin das Zepter schwingt, jeder noch so harte Kerl sich zu benehmen weiß und in dem jeder Fremde, der die Stadtgrenze überschreitet sofort erkannt und beobachtet wird.

Nein, "An unfinished Life" ist kein großes Erzählkino. Lasse Hallström hat ein Traumbild entworfen über eine amerikanische Gesellschaft, die es nicht mehr gibt, die es womöglich so immer schon nur im Kino gegeben hat. Und wie stets macht Hallström das auch hier handwerklich sehr sauber, gefühlvoll.

Einfach ein schöner Sonntagnachmittag-Film.

Wertung: 3 von 6 €uro
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