Einar Gilkyson lebt auf seiner Farm in Ishawooa, Wyoming. Er kümmert sich um seinen langjährigen Freund Mitch Bradley, der nach dem Kampf mit einem Bären unter den Folgen der erlittenen Verletzungen leidet. Der Bär erscheint später wieder in der Nähe der Farm und wird bald darauf von Wildhütern gefangen und einem lokalen Zoo übergeben.
Kurz nachdem der Bär gefangen wurde, taucht Jean Gilkyson auf, die mit dem einzigen Sohn Einars verheiratet war. Er starb bei einem Autounfall, als beide übermüdet von einer Feier nach Hause fahren wollten. Jean saß seinerzeit am Steuer und wird daher von Einar für den Tod seines Sohns verantwortlich gemacht. Er ist ihr gegenüber sehr abweisend, gleichzeitig aber überrascht, dass sie eine kleine Tochter namens Griff dabei hat. Zum Zeitpunkt der Beerdigung war sie bereits schwanger, verschwieg Einar jedoch ihre Umstände. Danach brach der Kontakt gänzlich ab. Sie verließ ihren letzten Partner Gary, weil der ihr gegenüber immer wieder gewalttätig wurde.
Jean will nur so lange bei Einar in Ishawooa bleiben, bis sie genügend Geld für die Weiterreise angespart hat. Sie findet Arbeit als Kellnerin und Griff lernt den ihr bisher unbekannten Großvater kennen.
Dann taucht Jeans Ex-Freund Gary auf der Gilkyson-Farm auf …
Eine kleine Farm in Wyoming. Zwei alte Männer auf der Veranda, die sich seit Jahrzehnten kennen. Da taucht unversehens die Schwiegertochter des einen mit deren Tochter auf und sorgt für jede Menge Bewegung.
Das ist ein klassisches Motiv für ein Kleinstadtdrama: Die verlorene Tochter kehrt heim. Oder für einen Western: ein Fremder kommt in die Stadt. Nein, man kann nicht sagen, dass dieser Film vor originellen Einfällen sprüht. Eher können wir die Story konventionell nennen, inklusive ihrer Entwicklung, die vergleichsweise leicht zu erraten ist. Auf dem Regiestuhl sitzt Lasse Hallström (Schiffsmeldungen – 2001; Chocolat … ein kleiner Biss genügt – 2000; Gottes Werk & Teufels Beitrag – 1999; Power of Love – 1995; Gilbert Grape – Irgendwo in Iowa – 1993; ABBA: Der Film – 1977). Das verrät schon ein bisschen was über die Gangart. Der Schwede inszeniert ein Klischee, macht eine Fingerübung.
Mit Robert Redford hat er den idealen Schauspieler für den brummigen alten Einar. Der Schauspieler ist an einem Markstein in seiner Karriere angelangt. Gerade moderiert er den Übergang aus dem Rollenspektrum "Mentor" und "Held zieht sich in zweite Reihe zurück" hinein in das Rollenspektrum "Alter Mann" – wobei "Alter Mann" nicht mit senil übersetzt wird, aber durchaus mal mit Grumpy Old Man; so wie hier. Und Redford macht das super. Sein Einar ist grantig und gleichzeitig loyal, giftig und gleichzeitig fair, er trägt eine große Trauer in sich, ist wütend auf die Schwiegertochter, aber deren Tochter, seine Enkelin, nimmt er schnell unter seine sorgenden Fittiche. Das ist eine schöne Rolle, der die Autoren schöne Dialoge und trockenen Humor geschenkt haben.
Neben Redford agiert Morgan Freeman als Redfords Spiegelbild. Eigentlich auch ein Grumpy Old Man, aber den schicksalshaften Zeitläuften, die die Familie seines Freundes Einar durchgemacht hat, offener gegenüber. Fast möchte ich sagen: eine klassische Morgan-Freeman-Rolle; wenn es nicht so wäre, dass Morgan Freeman jede Rolle, die er spielt, zu einer Morgan-Freeman-Rolle macht (Batman begins – 2005; Million Dollar Baby – 2004; Bruce Allmächtig – 2003; "Dreamcatcher" – 2003; Der Anschlag – 2002; Nurse Betty – 2000; Deep Impact – 1998; Hard Rain – 1998; Amistad – Das Sklavenschiff – 1997; Denn zum Küssen sind sie da – 1997; Sieben – 1995; Outbreak – Lautlose Killer – 1995; Die Verurteilten – 1994; Erbarmungslos – 1992; Robin Hood – König der Diebe – 1991; Fegefeuer der Eitelkeiten – 1990; "Glory" – 1989; Miss Daisy und ihr Chauffeur – 1989; Johnny Handsome – 1989; Brubaker – 1980).
Als Schwiegertochter aus einfachen Verhältnissen kann Jennifer Lopez ("Das Schwiegermonster" – 2005; Angel Eyes – 2001; The Cell – 2000; Out of Sight – 1998; U-Turn – Kein Weg zurück – 1997; Anaconda – 1997; Money Train – 1995) betont umglamourös auftreten und eine patente, grundsolide und sympathische allein erziehende Mutter spielen, die ein Goldstück von Tochter erzogen hat – bei so einem wohl erzogenen, hellwachen Mädchen ist es kein Wunder, dass Grumpy Old Redford sofort Großvaterallüren bekommt. Dann gibt es da noch den Sheriff, den Josh Lucas überraschend sympathisch geben kann, wo der doch meist auf die Rolle des finsteren Ekelpakets abonniert ist (Hulk – 2003; "Sweet Home Alabama" – 2002; A Beautiful Mind – 2001; American Psycho – 2000). Schließlich ist da ein Bär, der Teil dieses titelgebenden ungezähmten Lebens ist, neben Einar und Mitch, den beiden Alten.
Und dann ist da natürlich die Kleinstadt selbst, Ishawooa, irgendwo in Wyoming, und die ist der Traum eines jeden Freundes des großen Americana; mitsamt Diner, in dem eine nicht auf den Mund gefallene Wirtin das Zepter schwingt, jeder noch so harte Kerl sich zu benehmen weiß und in dem jeder Fremde, der die Stadtgrenze überschreitet sofort erkannt und beobachtet wird.
Nein, "An unfinished Life" ist kein großes Erzählkino. Lasse Hallström hat ein Traumbild entworfen über eine amerikanische Gesellschaft, die es nicht mehr gibt, die es womöglich so immer schon nur im Kino gegeben hat. Und wie stets macht Hallström das auch hier handwerklich sehr sauber, gefühlvoll.
Einfach ein schöner Sonntagnachmittag-Film.
Die Kinofilme mit Robert Redford
- Hinter feindlichen Linien (1962)
- Lage hoffnungslos - aber nicht ernst (1965)
- Verdammte süße Welt (1965)
- Ein Mann wird gejagt (1966)
- Dieses Mädchen ist für alle (1966)
- Barfuß im Park (1967)
- Butch Cassidy und Sundance Kid (1969)
- Schussfahrt (1969)
- Blutige Spur (1969)
- Stromer der Landstraße (1970)
- Vier schräge Vögel (1972)
- Jeremiah Johnson (1972)
- Bill McKay – Der Kandidat (1972)
- Cherie Bitter / So wie wir waren (1973)
- Der Clou (1973)
- Der große Gatsby (1974)
- Tollkühne Flieger (1975)
- Die drei Tage des Condor (1975)
- Die Unbestechlichen (1976)
- Die Brücke von Arnheim (1977)
- Der elektrische Reiter (1979)
- Brubaker (1980)
- Der Unbeugsame (1984)
- Jenseits von Afrika (Out of Africa, 1985)
- Staatsanwälte küsst man nicht (1986)
- Havanna (1990)
- Sneakers – Die Lautlosen (1992)
- Ein unmoralisches Angebot (1993)
- Aus nächster Nähe (1996)
- Der Pferdeflüsterer (1998)
- Die letzte Festung (2001)
- Spy Game – Der finale Countdown (2001)
- Anatomie einer Entführung (2004)
- Ein ungezähmtes Leben (2005)
- Von Löwen und Lämmern (2007)
- The Company You Keep – Die Akte Grant (2012)
- All Is Lost (2013)
- Captain America: The Winter Soldier (2014)
- Picknick mit Bären (2015)
- Der Moment der Wahrheit (2015)
- Elliot, der Drache (2016)
- The Discovery (2017)
- Unsere Seelen bei Nacht (2017)
- Ein Gauner & Gentleman (2018)
- Avengers: Endgame (2019)
Die Regiearbeiten von Robert Redford fürs Kino
- Eine ganz normale Familie (1980)
- Milagro – Der Krieg im Bohnenfeld – (1988)
- Aus der Mitte entspringt ein Fluss (1992)
- Quiz Show (1994)
- Der Pferdeflüsterer (1998)
- Die Legende von Bagger Vance (2000)
- Von Löwen und Lämmern (2007)
- Die Lincoln Verschwörung (2010)
- The Company You Keep – Die Akte Grant (2012)