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Plakatmotiv: Von Löwen und Lämmern (2007)

Verfilmtes Thesenpapier für mehr
gesellschaftliches Engagement

Titel Von Löwen und Lämmern
(Lions for Lambs)
Drehbuch Matthew Michael Carnahan
Regie Robert Redford, USA 2007
Darsteller

Robert Redford, Meryl Streep, Tom Cruise, Michael Peña, Andrew Garfield, Peter Berg, Kevin Dunn, Derek Luke, Larry Bates, Christopher May, David Pease, Heidi Janson, Christopher Carley, George Back, Kristy Wu u.a.

Genre Crime, Drama
Filmlänge 92 Minuten
Deutschlandstart
8. November 2007
Inhalt

Senator Jasper Irving hat ein klares Ziel: den Einzug ins Weiße Haus. Doch ohne mediale Schützenhilfe wird das nicht gehen. Deswegen gibt er der erfahrenen TV-Journalistin Janine Roth ein Exklusivinterview, in dem er seine neue Militärstrategie für den Afghanistan-Einsatz erklären möchte. Allerdings läuft die Aktion bereits, während die beiden sprechen.

Eine kleine Einheit von Elitesoldaten versucht in Afghanistan einen strategisch wichtigen Bergkopf einzunehmen, um ein Tal kontrollieren zu können. Aber der Hubschrauber der Einheit gerät plötzlich unter schweren Beschuss durch die Taliban. Die beiden Freunde Ernest und Arian stürzen auf einem verschneiten Bergplateau ab und bleiben schwer verletzt liegen – umzingelt von afghanischen Kämpfern.

Ernest und Arian haben früher bei Professor Dr. Malloy studiert. Der war einst voller Idealismus, heute ist sein Feuer fast erloschen. Für seine hoffnungsvollsten Zöglinge jedoch gibt er weiterhin alles. Das bekommt der brillante, aber faule Todd zu spüren. Malloy will den gelangweilten, privilegierten Jungen in einem langen persönlichen Gespräch dazu ermuntern, aktiv etwas gegen die politische und militärische Führung zu unternehmen …

Was zu sagen wäre

Ein Film, der mehr einem verfilmten Thesenpapier als einer dramaturgisch erzählten Handlung ähnelt. Es geht um Krieg, um Politik und um das individuelle Engagement fürs Gemeinwohl und wie alles mit allem zusammenhängt. Robert Redford sitzt auf dem Regiestuhl, einer der großen Liberalen Amerikas – und das heißt nicht, er ist ein Linker, wie die Konservativen in den USA das Label Liberal übersetzen; Redford ist, legt man seine Filme und seine späten Rollen als persönlichen Maßstab an, ein konservativer Amerikaner mit festen Glaubenssätzen, der sehr darauf steht, jedem Menschen seine Meinung und seine Entfaltung zu lassen – solange er damit nicht anderen auf die Füße tritt. Im Grunde ist er ein Anhänger Immanuel Kants: „Die Freiheit des Einzelnen endet dort, wo die Freiheit des Anderen beginnt.

Robert Redford also schaut auf den Krieg in Afghanistan, den die USA seit Herbst 2001 maßgeblich vorantreiben und dort seit sechs Jahren – sein Film entsteht 2007 – nichts erreicht haben. „In den Zweiten Weltkrieg waren wir keine fünf Jahre verwickelt“, entgegnet die Journalistin Janine Roth dem jugendlich strahlenden Senator, als der die nächste neue Militärstrategie anpreist. Dass Redford von Krieg im allgemeinen und von dem der US-geführten Truppen in Afghanistan im Besonderen nichts hält, überrascht nicht. Die Argumente dagegen liefert er mit diesem Film. Das heißt, er lässt sie seinen ausgezeichneten Drehbuchautor Matthew Michael Carnahan die Argumente aufschreiben. Im Zentrum steht da der seltsame Filmtitel "Lions for Lambs". Der geht angeblich auf einen deutschen General aus dem ersten Weltkrieg zurück, der die englischen Soldaten bewundert haben soll, deren Heeresführer aber verachtet habe; da kämpften Löwen für Lämmer, soll er gesagt haben. Ob das stimmt, sei dahin gestellt, die Löwen und die Lämmer aber bekommen wir im Kinosessel auch ohne zertifiziertes Zitat vorgeführt. Und damit sind wir mitten in der komplizierten Drei-Fronten-Struktur dieses Films, der in 90 Minuten etwa eine 90-minütige Zeitspanne umfasst.

Zu den Lämmern zählt natürlich der alerte Senator und seine Obristen vor Ort im Kampfgebiet, die von der eigenen Geheimdienst-Aufklärung in eine Falle der Taliban geschickt werden – wieder mal geschickt werden, will man sagen; die Geschichte der Pleiten in diesem Krieg ist ja lang. Zu den Löwen zählen zwei Soldaten, die verwundet auf einem verschneiten Plateau liegen und von Taliban angegriffen werden; die beiden waren Studenten von Dr. Malloy, einem Politikwissenschaftler und Hochschuldozent, der gerade einen Sohn sehr reicher Eltern vor sich sitzen hat, den er auf den rechten Weg führen will, den des Engagements für das Gemeinwohl. Dieser Sohn ist nämlich eigentlich ein gescheiter Kopf, pfiffig, meinungsstark. Aber er ist eben auch Spross aus reichem Hause. Durch seine Eltern habe er hart erarbeitete Vorzüge erhalten, sagt der Schnösel-Student, die er nun auch nutzen wolle. Das private Leben mit Villa, Benz und Pool also zieht er dem öffentlichen, seiner Meinung nach unehrlichen und korrupten Leben eines Politikers vor. Heißt: Für das Gemeinwohl sorgen – sprich: das Wohl der anderen – sollen doch bitte diese Anderen sorgen. Die anderen beiden Studenten, die, die gerade auf diesem Plateau in Afghanistan liegen, sahen in ihrem Kriegseinsatz – den Dr. Malloy ihnen unbedingt ausreden wollte – eben dieses Engagement für „die größere Sache“.

Diese größere Sache geht in Parallelmontage zu dem Gespräch des Dozenten mit seinem Schnösel-Studenten gerade erbärmlich den Bach runter. Während die Obristen vor Ort von Anhöhen mit unaussprechlichen Namen reden, die es einzunehmen gelte, um den wahabitischen, sunnitischen, schiitischen Feind, wer kann das schon so genau auseinanderhalten, nachhaltig zu besiegen, und während der smarte Senator der Reporterin in den Block diktiert, mit der neuen Strategie werde man endlich ernst machen da drüben, sich nicht mehr demütigen und vorführen lassen, jetzt werde man hart durchgreifen, „koste es was es wolle!“ und während der Dozent seinen Studenten eindringlich beschwört, sich nicht dem Ist-mir-doch-egal-Kartell der Untätigen anzuschließen und damit zum Spielball machtbewusster Karrieristen zu machen, gehen die beiden engagierten Ex-Studenten, die Dienst an der Waffe für Zivilcourage halten, die jetzt eben geboten sei, erbärmlich zugrunde.

Das verschachtelte Drehbuch bietet in seiner klaren Haltung wenig Überraschung. Es wird viel gesprochen in diesem Film, die Schauspieler dürfen ihre Kunst da austoben, wo es große Schauspieler am liebsten tun – im Gesicht. Redford, der als Regisseur und Dozent auftritt, doziert tatsächlich und würzt sein Spiel mit ein paar Redfordismen, die wir über die Jahre liebgewinnen haben – der doppelte Hingucker etwa oder die Betonung einer Haltung durch gesprochene Wiederholung.

Tom Cruise als Senator misst sich mit Meryl Streep, die die Reporterin spielt. Für Streep ist diese Rolle interessant, weil der alte Haudegen Robert Redford Regie führt und weil das Script ein paar interessante Aussagen für sie parat hält; viel abverlangen tut die Rolle der großen Schauspielerin nicht (Der Teufel trägt Prada – 2006; Robert Altmans Last Radio Show – 2006; Der Manchurian-Kandidat – 2004; Die Brücken am Fluss – 1995; Am wilden Fluss – 1994; Das Geisterhaus – 1993; Der Tod steht ihr gut – 1992; "Die Teufelin" – 1989; Jenseits von Afrika – 1985; Der Liebe verfallen – 1984; Kramer gegen Kramer – 1979; Manhattan – 1979; Die durch die Hölle gehen – 1978).

Für Tom Cruise ist Streep eine Herausforderung, das Beste zu geben (Krieg der Welten – 2005; Collateral – 2004; Last Samurai – 2003; Minority Report – 2002; Vanilla Sky – 2001; Magnolia – 1999; Jerry Maguire: Spiel des Lebens – 1996; Mission: Impossible – 1996; "Interview mit einem Vampir" – 1994; Die Firma – 1993; Eine Frage der Ehre – 1992; In einem fernen Land – 1992; Tage des Donners – 1990; Geboren am 4. Juli – 1989; Rain Man – 1988; Cocktail – 1988; Die Farbe des Geldes – 1986; Top Gun – 1986; Legende – 1985; Der richtige Dreh – 1983; Die Outsider – 1983; Lockere Geschäfte – 1983; Die Kadetten von Bunker Hill – 1981). Er spielt seinen Senator mit dem aalglatten Charme gewiefter Politiker, die gekonnt die Leichenbittermine aufziehen, wenn sie „bedauerlicherweise“ Landsleute in den Tod schicken müssen. In seiner ersten Szene begrüßt er die Reporterin noch mit seinem berühmten Zahnpastalächeln. Im weiteren Verlauf zeigt Cruise, dass er weit mehr drauf hat; sein Senator Irving ist zum Fürchten eloquent.

Das Drehbuch spitzt sich auf die Frage zu, ob der Schnösel-Student von seiner Benz-Bonz-Pool-Nummer umschwenkt auf Zivilcourage und Gemeinwohl, denn, so sein Dozent Dr. Malloy: Sein behagliches, zurückgezogenes Privatleben kann er nicht führen, wenn nicht auch er seinen Beitrag zum Funktionieren des Gemeinwesens leistet. Ob er dann dafür sorgt, dass Schlaglöcher ausgebessert werden, jeder Mensch ein bezahlbares Dach über dem Kopf hat oder Soldaten nicht von lächelnden Senatoren in unsinnige Schlachten geschickt werden ist dann zweitrangig. Die Rahmenhandlung hat derweil das unselige Zusammenspiel von Politik und Medien entlarvt, in welchem öffentlichkeitssüchtige Politiker auf schlagzeilensüchtige Journalisten stoßen.

Und als sich also der Abspann dieses Films dem Ende zuneigt, bin ich gewillt, seiner klaren Haltung zu applaudieren. Auf Papier hätte ich die Thesen wohl nicht verfolgt. Gespielt von drei sehr guten Schauspielern, eingebettet in eine verschachtelte Dramaturgie, lasse ich sie mir aber gerne vorlesen.

Wertung: 5 von 7 €uro
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