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Plakatmotiv: Der Pferdeflüsterer (1998)

Bildgewaltig. Farbgewaltig.
Wild romantisch mit Pferden

Titel Der Pferdeflüsterer
(The Horse Whisperer)
Drehbuch Eric Roth & Richard LaGravenese
nach dem gleichnamigen Roman von Nicholas Evans
Regie Robert Redford, USA 1998
Darsteller

Robert Redford, Kristin Scott Thomas, Sam Neill, Scarlett Johansson, Dianne Wiest, Chris Cooper, Cherry Jones, Ty Hillman, Kate Bosworth, Austin Schwarz, Dustin Schwarz, Jeanette Nolan, Steve Frye, Don Edwards, Jessalyn Gilsig u.a.

Genre Drama, Romanze
Filmlänge 170 Minuten
Deutschlandstart
24. September 1998
Inhalt

Grace und Pilgrim waren immer die besten Freunde. Grace, das junge Mädchen, und Pilgrim, ihr Pferd. Aber der schwere Unfall veränderte alles. Graces beste Freundin kam ums Leben, Pilgrim wurde schwer verletzt, Grace verlor ihr rechtes Bein.

Der schwere Reitunfall ihrer Tochter lässt die erfolgreiche Journalistin Annie Graves erkennen, dass es mehr gibt als nur die Karriere. Aber jetzt, wo sie bereit ist, sich ihrer Tochter zu widmen, ihre Karriere hinten anzustellen, baut Grace eine Mauer des Schweigens auf. Auch ihr Mann Robert, ein engagierter Rechtsanwalt, findet kaum noch Zugang zu Grace. Der Schlüssel zu allen Problemen ist Pilgrim. Das ehemals sensible und gutmütige Tier greift plötzlich Menschen an und ist kaum zu bändigen.

Als Annie von einem sogenannten Pferdeflüsterer erfährt, der in der Lage ist, Pferde zu heilen, tritt sie gemeinsam mit Grace und Pilgrim die lange Reise zu Tom Booker, dem Pferdeflüsterer, an. Die außergewöhnlichen Fähigkeiten dieses Mannes, seine sensible Ruhe, verändern nicht nur Pilgrim und Grace: Auch Annie beginnt zu spüren, dass sie sich nach einem anderen Leben sehnt. Und allmählich zeigt die Magie des geheimnisvollen Pferdeflüsterers ihre Wirkung …

Was zu sagen wäre

Dieser Film erzählt eine Geschichte über Kontrolle, über deren Verlust und wann es git ist, sie zu halten oder zu verlieren. Bevor wir die traumatisierte Grace näher kennen lernen, also dann, wenn sie sich nicht mehr aufführt, wie eine zickige Kratzbürste, wenn sie ihre Zugbrücken zur Außenwelt wieder runter lässt, lernen wir Annie kennen, Graces Mutter. Als ihre Tochter Grace den schweren Reitunfall hat, ist das für sie zunächst ein weiterer Beweis dafür, dass man die Zügel im Leben immer fest in der Hand halten muss, egal wobei, egal bei wem.

Annie ist ein nervtötender Kontrollfreak. Als Chefredakteurin einer Modezeitschrift in New York scheucht sie ein stets duldendes Team herum, ist nie zufrieden. Als Grace im Krankenhaus behandelt ist, macht Annie dort genau so weiter, scheucht Pflegerinnen statt Redaktionsteam. Robert Redford findet als Regisseur schöne Bilder für diesen immer angespannten Charakter. Als Grace einmal wütend vom Abendbrottisch aufsteht, zeigt Redford in einem Zwischenschnitt groß Annies Hand, die ganz automatisch die Tischdecke wieder richtet. Ihr freundlicher Mann ist erfolgreicher Anwalt, aber das erfahren wir ganz am Ende, unterwegs spielt der von Sam Neill (Event Horizon – Am Rande des Universums – 1997; Die Mächte des Wahnsinns – 1994; Jurassic Park – 1993; Das Piano – 1993; Jagd auf einen Unsichtbaren – 1992; Jagd auf Roter Oktober – 1990; "Todstille" – 1989) angenehm zurückhaltend gespielte Mann keine Rolle.

Als die angespannte Annie und die zickige Grace sich mit Pilgrim, dem – ebenfalls – traumatisierten Hengst, auf den langen Weg von Osten ganz weit in den Nordwesten nach Montana machen, entfaltet Kinomann Redford mit einem Mal die ganze Macht der Leinwand, wechselt das Format vom eleganten "Breitwand" in ein wuchtiges Cinemascope; der Film verlässt die Enge der Großstadt und wendet sich der Weite des Landes USA zu. Plakatmotiv: Der Pferdeflüsterer (1998) Kameramann Robert Richardson, der andernorts die fiebrigen Anklagen Oliver Stones ins Bild setzt, begleitet die Reise von Mutter und Tochter in den Westen mit schwelgerischen Luftaufnahmen und präsentiert später die Weiten der Berge Montanas als Sehnsuchtsort. Dort kommt der Film zur Ruhe, wird aus dem Road Movie ein Western mit Cowboys, rindern, Pferden und Robert Redford als Tom Booker, der titelgebende Pferdeflüsterer. Hier ist Redford ganz zu Hause, sowohl in der Rolle, als auch in Montana, wo er 1992 auch Aus der Mitte entspringt ein Fluss mit dem jungen Brad Pitt als Redford-Lookalike gedreht hat.

Redford spielt Tom Booker als einen geerdeten, in sich ruhenden Mann, der die Kontrolle über Pferde – und sein Leben – souverän aus dem Ärmel schüttelt. Und weil sich Gegensätze anziehen, ziehen sich er und Kristin Scott Thomas ("Amour & confusions" – 1997; Der englische Patient – 1996; Mission: Impossible – 1996) als Annie in der tief stehenden Sonne des Westens mächtig an. Der charmant lächelnde Amerikaner mit dem Hilfesuchenden Seitenblick und die herbe Britin mit den Katzenaugen sind ein grandios umeinander kreisendes Paar. Herrlich, wie sie aufblüht, wenn sie zwischen rauen Männern, freundlichen Farmerfrauen und höflich erzogenen Jungs lernt, dass Kontrolle auch spielerisch sein kann.

Zwischen ihnen humpelt eine junge Schauspielerin, die das einbeinige Mädchen spielt, um das sich alles dreht; Scarlett Johansson gibt den MacGuffin des Films. Graces Trauma soll aufgebrochen werden, sie soll sich nach dem schweren Unfall wieder der Welt zuwenden. Dafür muss auch Pilgrim geheilt und mit Grace wieder vertraut werden. Dieser Umstand bringt Erzählung und Charaktere erst in Bewegung. Die erst 14-jährige Schauspielerin mit schon einiger Kameraerfahrung ("Wenn Lucy springt" – 1996; "Im Sumpf des Verbrechens" – 1995; "North" – 1994) behauptet sich mit großer emotionaler Bandbreite sicher zwischen den großen Namen.

Die Verfilmung des Bestellerromans von Nicholas Evans ist großes Gefühlskino. Redford lässt sich aufreizend viel Zeit für seine Geschichte. Im Westen lässt man die Dinge lieber ruhig angehen, vor und hinter der Kamera. Tom Booker auf seiner Farm ist eingehegt in einen charmanten Familienverbund mit Bruder, Schwägerin und drei halbwüchsigen Neffen. Redford bietet diesem Leben als Kontrast zum New Yorker Mutter-Vater-Tochter-Gespann viel Raum in seinem Film, den Komponist Thomas Newmann mit ruhigen Gitarren und fröhlichen Fideln abrundet.

Für ein Melodram ohne nennenswerte Umwege sollten beinahe drei Stunden Laufzeit eigentlich zu lang sein. Aber Redfords Film ist so ein seltener Fall, in dem die Länge nicht stört. Das Geschehen, die Liebe, die Pferde, das kommt alles so ungekünstelt von der Leinwand, dass der Film wirkt wie Kurzurlaub – drei Stunden ausreiten in eine Welt abseits von Termindruck und lärmendem Verkehr.

Wertung: 10 von 11 D-Mark
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