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Plakatmotiv: Quiz Show (1994)

Historisches Drama über die TV-Frühzeit
mit viel Colorit und großen Schauspielern

Titel Quiz Show
(Quiz Show)
Drehbuch Paul Attanasio
nach dem Buch "Remembering America: A Voice From the Sixties" von Richard N. Goodwin
Regie Robert Redford, USA 1994
Darsteller

John Turturro, Rob Morrow, Ralph Fiennes, Paul Scofield, David Paymer, Hank Azaria, Christopher McDonald, Johann Carlo, Elizabeth Wilson, Allan Rich, Mira Sorvino, George Martin, Paul Guilfoyle, Griffin Dunne, Michael Mantell, Byron Jennings, Ben Shenkman, Timothy Busfield u.a.

Genre Biografie, Drama
Filmlänge 133 Minuten
Deutschlandstart
16. Februar 1995
Inhalt

Der junge Anwalt Dick Goodwin deckt in den 1950er Jahren einen ungeheuerlichen Medienskandal auf: In der grossen Quiz Show "Twenty One" geht es nicht mit rechten Dingen zu. Im Mittelpunkt steht der erfolgreiche Kandidat Charles Van Doren, der nicht immer alle Fragen selber beantworten kann …

Was zu sagen wäre

Das Fernsehen lügt! Dieser Satz ist heute eine Binse. Aber als das Fernsehen noch neu war und viele Menschen fern sahen, indem sie sich vor einem Schaufenster eines TV-Geräte-Handels versammelten, um in den ausgestellten Geräten dem Programm zu folgen, war diese "Lüge" eine noch ferne Unmöglichkeit. Robert Redford führt uns in seiner vierten Regiearbeit zurück in die frühen 1950er Jahre, als das Fernsehen noch eine Live-Maschine war, selbst die Titelmusik einer Quiz Show noch jede Woche live eingespielt wurde. Und er erzählt uns eine Geschichte, die tatsächlich passiert ist – natürlich fürs Kino dramatisch zugespitzt; man könnte sagen: Eine Geschichte über die USA der Neuzeit, die ihre Unschuld verlor. Und die dazu führte, dass der diskreditierte Begriff "Quiz Show" aus dem amerikanischen Sprachgebrauch verschwand und seither alle immer von einer "Game Show" reden.

Das Interesse für diese Zustände muss Redford bei seinen Zuschauern erst wecken. Dafür muss er die Aussage Das Fernsehen lügt erst einmal auf ordentliche Fallhöhe bringen und lässt also Show-Produzent Dan Enright früh erklären: „Was ist unehrlich? Wenn Gregory Peck mit dem Falschschirm in Feindesland abspringt, glauben Sie dann, das ist Gregory Peck? Eisenhowers Buch hat ein Ghostwriter geschrieben!“ Bei uns sind die privaten TV-Sender, die uns nackte Brüste und Spielshows zeigen, erst seit gut zehn Jahren on air; in den USA waren die privat finanzierten, von großen Konzernen unterstützten Sender von Anfang an die großen Player. Daher ist die Kernaussage seines 133 Minuten langen Films auch nicht Das Fernsehen lügt. Er nutzt das, was damals ein Skandal war, ja eine große Senatsanhörung in Washington zur Folge hatte, um zu beobachten, was mit den Beteiligten passiert.

Redford stellt alle seine Protagonisten ausführlich vor. Da ist der mehrmalige Gewinner Herbie Stempel, der gegen den künftigen Seriengewinner Charles Van Doren verlieren soll, ein Durchschnittsmensch aus Queens, jüdischen Glaubens, mit schiefen Zähnen und einem vorlauten Wesen, was in den an der US-Ostküste beheimateten TV-Stationen nicht so gut ankommt (zwischen den Filmstudios in Hollywood an der Westküste und New Yorks Medienzentrum an der Ostküste besteht eine lange gepflegte Rivalität). Sie stellen Quotenschwund fest und wollen mehr Glanz. Plakatmotiv: Quiz Show (1994) Diesen Herbie Stempel spielt John Turturro (Barton Fink – 1991; Miller's Crossing – 1990; "Do the Right Thing" – 1989; Der Sizilianer – 1987; Die Farbe des Geldes – 1986; Hannah und ihre Schwestern – 1986; Leben und Sterben in L.A. – 1995; "Susan… verzweifelt gesucht" – 1985) als braven Amerikaner, der als amtierender Quiz-Champion angemessen großmäulig sein Recht auf den American Dream einfordert und von den Mächtigen schnöde fallen gelassen wird, weil das TV-Publikum wegen ihm nicht mehr einschaltet – „Joe Lewis ist 12 Jahre lang Weltmeister gewesen. Niemand wollte, dass Joe Lewis verliert!“ –, ihn gar als „Freak mit dem Schwammgedächtnis“ diffamiert.

Da ist Charles Van Doren, Spross einer angesehenen New Yorker Intellektuellen-Familie, der als ermogelter Seriengewinner der Show Gewissensbisse bekommt und irgendwann seine Ruhe will. Ihn spielt Ralph Fiennes (Schindlers Liste – 1993) als charmanten Bildungsbürger, der über seine ausgeprägte Eitelkeit stolpert und am Ende der einzige Verlierer in dem Drama wird. Und schließlich Dick Goodwin, der Justizbeamte aus Washington, der den ganzen Skandal aufdeckt, auf dessen Erinnerungen dieser Film basiert. Rob Morrow spielt ihn als kleinen, auf seine Harvard-Meriten pochenden Mann vom Unterkommitee der Kommission für legislatorische Aufsicht, der vom teuren Chrysler Cabriolet träumt und von seiner Ehefrau das Zigarre paffen im Schlafzimmer verboten bekommt. Dieses Trio wird eingeklammert auf der einen Seite von zwei jedes Fehlverhalten von sich weisenden Fernsehprofis, die für hohe Einschaltquoten ihre Großmutter verkaufen – „Der Sponsor kassiert. Der Sender kassiert. Die Kandidaten sehen so viel Geld, wie sie sonst ihr Leben lang wahrscheinlich nicht gesehen hätten. Und das Publikum wird unterhalten. Also: Wem haben wir weh getan?“ – und auf der anderen Seite von Van Dornes Vater, einem intellektuellen Bildungsbürger mit Landsitz, der gar nicht versteht, was sein Sohn, dem eine große akademische Karriere winkt, in diesem Fernsehen macht, wo er so viel mehr verdient als sein Vater. Paul Scofield spielt diesen gebildeten Vater mit der souveränen Nonchalance eines erfahrenen Schauspielers (Ein Mann zu jeder Jahreszeit – 1966; Der Zug – 1964).

Dann ist in diesem Film die Gesellschaft als solche, die mit Zeitungsschlagzeilen, die TV-Realität nicht verstehenden Senatoren und die Liveshow fasziniert verfolgenden Zuschauern portraitiert wird, die auf Anweisung einer Leuchtschrift in donnernden Applaus ausbrechen. Und – damit steigt der Film ein – mit Leuten, die sich hektisch vor Fernsehgeräten und Schaufenstern versammeln, um die neueste Ausgabe von "Twenty One" zu gucken. Redford stellt uns den Normalbürger der 50er Jahre dar als TV-Süchtigen, der schließlich empört einen politischen Untersuchungsausschuss einberuft, als er erfährt, dass das Fernsehen möglicherweise nicht die Wahrheit sagen könnte. Und endlich ist da das System als solches, dem Robert Redford mit Misstrauen begegnet. Die großen Player, die sponsernde Industrie, die Sender-Präsidenten und die korrupten Richter, die etwaige Klagen von Kandidaten oder anderen einfachen Bürgern abschmettern und „versiegelt“ in Archiven verschwinden lassen, auf dass die Öffentlichkeit nie davon hören werde, gehen als feine Herren aus dem Gerichtssaal: „Es ist alles nur Fernsehen!“, „Es ist Showbusiness!

Wie ein großer Skandal wirkt die Lügenshow in Redfords Film dann am Ende nicht. Es gibt ein paar Schlagzeilen, im Schlussbild erläutern Texteinblendungen, was aus den einzelnen Protagonisten geworden ist. Das reißt mich als Zuschauer heute, 1995, nicht mehr aus dem Sessel, lässt mich eher mit der brüchigen Frage zurück: „Und… was schauen wir jetzt?“

Wertung: 7 von 10 D-Mark
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