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Plakatmotiv: Der Sizilianer (1987)

Großer Anspruch, der an
seiner Titelfigur scheitert

Titel Der Sizilianer
(The Sicilian)
Drehbuch Steve Shagan
nach dem gleichnamigen Roman von Mario Puzo
Regie Michael Cimino, USA 1987
Darsteller

Christopher Lambert, Terence Stamp, Joss Ackland, John Turturro, Richard Bauer, Barbara Sukowa, Giulia Boschi, Ray McAnally, Barry Miller, Andreas Katsulas, Michael Wincott, Derrick Branche, Richard Venture, Ramon Bieri, Stanko Molnar u.a.

Genre Drama, Crime
Filmlänge 140 Minuten
Deutschlandstart
14. Januar 1988
Inhalt

Salvatore Giuliano raubt mit seiner Bande reiche, konservative Großgrundbesitzer aus und gibt die Beute an die Armen, die ihn als ihren Erlöser ansehen. Genau wie seine Popularität unter der Bevölkerung, die in ihm einen italienischen Robin Hood sieht, steigert sich auch sein Ego.

Auch unter den Mitgliedern seiner Bande bleibt es nicht lange unbemerkt, welchen Ruf Giuliano genießt, während, ihre Namen niemand kennt. So keimt Neid auf und die Loyalität Guilianos Mitstreiter scheint in Gefahr. Er wird dem Don der Mafia, Masino Croce, ein Dorn im Auge und auch die Polizei ist hinter dem edlen Dieb her.

Es scheint als rücke das Ende der altruistischen Feldzüge unausweichlich immer näher …

Was zu sagen wäre

Einmal sitzen ein Franziskaner-Mönch und Salvatore zusammen und debattierten die Weltlage, und Salvatore malt vier Kreise in den Staub vor ihren Füßen und sagt, da gebe es die Mafia und die Grundbesitzer und die Kirche. Und der Mönch sagt, irgendwo da müsse Salvatore sich verorten, denn niemand könne ohne einen dieser drei Entitäten leben auf Sizilien und Salvatore sagt, er sei der vierte Kreis. Quasi unabhängig vom herrschenden System. Aber der Mönch ist lange genug im Geschäft dieser Dreifaltigkeit, um zu wissen: „In Montelepre haben die Menschen immer gehungert und sie werden immer hungern. Das Volk ist der Staub, in den Du Deine Kreise malst. Die Sizilianer sind ohne Hoffnung. Hier ändert sich nichts. Niemals!

Dieser Film führt uns in eine Welt, die über Jahrhunderte immer fremdbestimmt war. Wenn es nicht auswärtige Mächte waren – Römer, Griechen, Ägypter, Italiener – waren es Kriegsherren oder Landbesitzer, die das Leben auf Sizilien organisiert haben. Entsprechend teilnahmslos sind die einfachen Menschen auf dieser Insel; immer haben andere ihre Geschicke geleitet. Das hat sie in die Abhängigkeit von Grundbesitzern getrieben, die jenes Land besitzen, welches sie bewirtschaften müssen, um ihr eigenes Überleben zu sichern – aber immer zu den Konditionen dieser Grundbesitzer, nie zu den eigenen – und diese Grundbesitzer sind eher keine Sizilianer, sondern Auswärtige. Der vorliegende Film erzählt beispielhaft von einem Fürsten Borsa, der eine Amerikanerin geheiratet hat – er sie wegen des Geldes, sie ihn wegen des Titels – und der nun Ureinwohner in die Frohn zwingt.

Hier, an dieser empörenden Erkenntnis, setzt das Drama dieses Films von Michal Cimino an (Im Jahr des Drachen – 1985; Heaven's Gate – 1980; Die durch die Hölle gehen – 1978; Die Letzten beißen die Hunde – 1974). Es gibt auf Sizilien eine Dreifaltigkeit aus Grundbesitzern, Kirche und Mafia, die friedensstiftend funktioniert, solange das Volk nicht auf dumme Ideen kommt. Salvatore Giuliano liefert solche dumme Ideen, die eins zu eins dem Menschenrechtskanon der Vereinten Nationen entnommen sein können. Da können wir nun im Kinosessel Hurra! rufen, aber die Erkenntnis dieses Films ist es nach 140 Minuten, dass die unterjochten Menschen Siziliens gar kein eigenes Land wollen. Das haben sie aus den Jahrzehnten zuvor gelernt, dass eigenes Land in volatiler Weltpolitik nichts bringt: „Sie wollten kein Land. Sie wollten Brot!!!“ In diesem kurzen Satz offenbart sich das ganze Dilemma dieses Dramas um Freiheitskampf und Besitzstand.

Michael Cimino ist hier sozial voll engagiert. Wir sind ganz bei ihm und seiner Anklage gegen die Gesellschaft. Nur: Sein Protagonist zieht nicht. Christopher Lambert (Highlander – Es kann nur einen geben – 1986; Subway – 1985; Greystoke – Die Legende von Tarzan, Herr der Affen – 1984) guckt zwar im entscheidenden Moment dramatisch in die Ferne, ist aber nur ein eitler Charakter, der Wert darauf legt, dass die Bevölkerung auch ja nur ihn als den heilbringenden Robin Hood erkennt. Sympathisch macht ihn das nicht. Die Verstrickung seiner Figur in die Machenschaften der lokalen Mafia macht es nicht einfacher.

Michael Cimino fährt das große Kamera-Besteck auf. Seine tiefenscharfen Bilder von Hauptfiguren vor sizilianischer Landschaft sind von erlesener Atemberaubung. Hektische Bildmontagen in den Anfangsszenen weichen bald langen Schwanks über die Schönheit Siziliens und schönen Einstellungen in dunklen von Ewigkeit angehauchten Palazzos. Die Schauspieler halten dieses Niveau nur mit ihren Namen – Terence Stamp, John Turturro, Barbara Sukowa sind durchaus Hingucker, als Namen auf dem Plakat. Ihre Rollen geben allerdings nicht viel her: Sukova zieht sich aus, steigt mit dem virilen Räuber ins Bett und verschwindet dann aus dem Film. Turturro ist wieder in einer John-Turturro-Rolle zu sehen, als ein getriebener, loyaler Judas, wie schon so oft ("Pinguine in der Bronx" – 1987; Die Farbe des Geldes – 1986; Hannah und ihre Schwestern – 1986; Leben und sterben in L.A. – 1985; "Susan… verzweifelt gesucht" – 1985). Und die Figur des Prinzen Borsa gibt Terence Stamp die Wahl, an herrschaftlich gedeckter Tafel nicht viel zu sagen, im Studierzimmer in die Ferne zu blicken, die Schallplatte mit sizilianischen Komponisten laut zu drehen, wenn draußen mal wieder geschossen wird oder mit stolz erhobener Nase ein angstfreies Entführungsopfer zu spielen. Entfalten können sich die Träger großer Schauspielernamen nicht. Ein Eindruck, der auch für den Film gilt.

Viel Entfaltung hat der Film nicht. Er verspricht viel, entwirft das Bild eines gebeutelten, von Mafia, Kirche und Grundbesitzern geknechteten Volks, dem eine Art Heiland erscheint, ein selbst ernannter Robin Hood. Der nach einem windigen Versprechen seine politische Haltung wechselt, plötzlich für Tod und Verderben steht und im Finale hat sich nichts verändert: „Hier ändert sich nie etwas.

Das Problem des Films ist seine Hauptfigur. Die ist an den historisch verbürgten Räuber Salvatore Giuliano angelehnt, der ab 1944 Schwarzmarktgeschäfte betrieb, Raubüberfälle beging oder Personen entführte, um Geld für Lebensmittel und Waffen zu erpressen. Er hielt Kontakt zu Journalisten, die ihm für so viel Nähe den Mantel eines Robin Hood auf den Leib schrieben. So wurde der Räuber zum Helden, der dennoch mehr als 400 Menschen ermordet haben soll. Ciminos Film entstand nach einem Roman von Mario Puzo, der der Robin-Hood-Legende anhing. Und jetzt schafft es der Film nicht, den ruhmsüchtigen Räuber mit dem Helden von Sizilien, der er im Film ist, in Deckung zu bringen. So sehenswert die Bilder, so dramatisch das Schicksal der Menschen, so – wieder einmal – abgekartet und brutal die Geschäfte zwischen Mafia und Politik sind, so unklar bleibt die Titelfigur, die doch alles zusammenhalten soll. In seiner unklaren Charakterisierung ist der Sizilianer aber so lahm wie ein naiver Tierfreund.

Wertung: 6 von 10 D-Mark
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