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Plakatmotiv: Greystoke – Die Legende von Tarzan, Herr der Affen (1984)

Tarzan ohne Abenteuer,
mit mehr Sozial-Biss

Titel Greystoke – Die Legende von Tarzan, Herr der Affen
(Greystoke: The Legend of Tarzan, Lord of the Apes)
Drehbuch Robert Towne (als P.H. Vazak) & Michael Austin
nach dem Roman "Tarzan of the Apes" von Edgar Rice Burroughs
Regie Hugh Hudson, UK, USA 1984
Darsteller

Christopher Lambert, Andie MacDowell, Ian Holm, James Fox, Ralph Richardson, Cheryl Campbell, Ian Charleson, Nigel Davenport, Nicholas Farrell, Paul Geoffrey, Richard Griffiths, Hilton McRae, David Suchet, Ravinder, John Wells u.a.

Genre Drama, Abenteuer
Filmlänge 135 Minuten
Deutschlandstart
14. Dezember 1984
Inhalt

Nach einer Schiffskatastrophe Ende des 19. Jahrhunderts und dem Tod seiner Eltern wird John Clayton, Spross eines schottischen Adelsgeschlecht, in West-Afrika von Affen großgezogen.

Als junger Erwachsener rettet er den durch Pfeile schwer verletzten belgischen Forscher Phillippe D'Arnot. Dessen britische Expedition war von Eingeborenen überfallen worden, wobei er als einziger entkommen konnte. D'Arnot findet das verfallene Baumhaus von Johns Eltern und erklärt John seine Herkunft.

Er bringt ihm die menschliche Sprache bei und bringt ihn zu seinem Großvater in seine ursprüngliche Heimat – nach England …

Was zu sagen wäre

Unter den Tieren ist der Mensch die Bestie. Das ahnt man als Kinogänger nach diversen Werwolf- und Jeckyl-und-Hyde-Filmen. Hugh Hudson dekliniert uns diese Erkenntnis anhand des berühmten Tarzan-Plots durch. Der gehört zu den meist verfilmten Themen der Kinogeschichte. Hudsons Film ist der 42. über jenen Menschen, der unter Affen aufwächst und zum Herrn des Urwalds aufsteigt.

Anders, als in früheren Tarzan-Filmen erzählt "Greystoke" kein Abenteuer mit Wilderern, die von edlen Tieren unter Anleitung des Tarzan aus dem Urwald verscheucht werden. Hudson bringt auch die bürgerliche Seite des Urwaldmenschen auf die Leinwand, dessen zivile Herkunft als Earl of Greystoke mit riesigem Landbesitz in Schottland. Und stellt dann das soziale Gefüge zweier höchst unterschiedlicher Gesellschaften gegeneinander: die des Menschen gegen die der Tiere.

In der ersten Hälfte des Filmes gibt es kaum Dialog. Im Prolog ein paar Abschiedsworte, mit denen der alte Earl seinen Sohn John und dessen Gattin auf die Reise in die Wildnis verabschiedet, Bildschnitt, wir sehen ein gekentertes Segelschiff und an einen Strand, an dem John seine Gattin rettet, Bildschnitt, beide leben in einem Baumhaus, er führt Tagebuch, in der Wiege kreischt ein Neugeborenes und wenige Bilder später sind John und seine Gattin tot, das Baby von einer Affenmutter entführt. In wunderschön fotografierten Landschaftsbildern verfolgen wir den Werdegang des Jungen, der im Kreise einer großen Affenherde aufwächst, zwischen den Machtkämpfen der Alten und der liebevollen Umsorgen seiner Adoptivmutter. Er lernt die Grausamkeit und die Schönheit des Dschungels anzunehmen – er kennt nichts anderes – und verständigt sich mit gutturalen Lauten mit seinen äffischen Freunden.

Es ist ein harter Schnitt, den der Film dann setzt, nachdem ein Forscher den Jungen entdeckt, seine Identität geklärt und ihm die Grundzüge menschlicher Sprache und Benehmens beigebracht und ihn dann nach Schottland auf den Landsitz Greystoke gebracht hat. Die feine englische Gesellschaft ist der größtmögliche Kontrast zum lehmig feuchten Leben im Dschungel. Dort aber reißt ein Puma nur dann ein anderes Lebewesen, wenn er Hunger hat. In der feinen Gesellschaft verstoßen sie nicht nur Menschen aus niederen Ständen, sie stellen auch die von ihnen getöteten Tiere in Museen aus, präsentierten dort abgetrennte Beine oder Flügel zum Zweck der Wissenschaft.

Zwei Menschen nehmen den Halbwilden freundlich auf und so wie er ist. Der alte Earl Greystoke und dessen Mündel Jane. Wenn der Wilde die Suppe ohne Löffel gleich aus dem Teller schlürft und alle pikiert oder abfällig grinsen, greift der alte Earl beherzt auch zum Teller, sagt „Ich mochte Löffel noch nie“ und schlürft seine Suppe ebenso. Ralph Richardson (Time Bandits – 1981; Rollerball – 1975; Doktor Schiwago – 1965; Die Strohpuppe – 1964; Exodus – 1960) gibt dem Alten eine charmant tatterige Note und einen festen Willen, mit dem der Enkelsohn das erbe Greystoke zusammenhalten soll.

Letztlich scheitert der junge Mann an der Zivilisation, wobei aus seiner Sicht die Zivilisation an ihm scheitert. Im Schlussbild läuft er jaulend zurück in den Dschungel, reißt sich die Kleider vom Leibe und verschwindet im satten Grün.

"Greystoke" ist ein großartiger Ausstattungsfilm, die Dschungellandschaften sehnsüchtig in Szene gesetzt mit Menschen in realistisch anmutenden Affenkostümen und hinter Masken mit bemerkenswert vielfältiger Mimik; der Konflikt der Kulturen ist mit guten Stereotypen schnell in Szene gesetzt. James Fox (Reise nach Indien – 1984; Ein Mann wird gejagt – 1966) gibt mit Finesse und verschlagener Freundlichkeit den britischen Snob, der in dem Mann aus der Wildnis instinktiv einen Gegner erkennt. Als Gegenpart spielt das ehemalige Model Andie MacDowell in ihrem Leinwanddebüt die zarte Jane, die von dem Wilden, der mittlerweile französisch und englisch parliert, ganz hingerissen ist. Zu mehr reicht es im Film dann nicht.

Die Erzählung plätschert in ihrem üppigen Ausstattungsambiente elegant vor sich, ohne nennenswerte Überraschungen zu bieten. Die erste Hälfte des Films lebt ohne viele Worte vom Leben, Kämpfen, Lieben und Sterben im Kreis der Affenfamilie. Die unangenehmen Wendungen in der zweiten Hälfte liegen immer schon auf der Hand. Es kommt tatsächlich so, wie es kommen muss – zumal wir alle ja wissen, dass John Clayton nicht als Earl of Greystoke in die Literaturgeschichte eingegangen ist, sondern als "Tarzan, Herr der Affen" in den Geschichten von Edgar Rice Burroughs.

Im Kinosessel verstehen wir jetzt besser, warum er lieber nicht bei den Menschen geblieben ist.

Wertung: 6 von 9 D-Mark
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