Im Jahr 1947 sind mehr als 30.000 Juden in Zypern interniert – ihnen soll die Reise nach Palästina und die Gründung des Staates Israel verweigert werden.
Einem Anführer des jüdischen Widerstands gelingt es, 611 von ihnen auf dem Lager zu befreien und an Bord der Exodus ins gelobte Land zu bringen. In Israel gilt es später, den neu gegründeten Staat gegen arabische Angriffe zu verteidigen …
Auf dem Höhepunkt werden eine Jüdin und ein Araber nebeneinander im selben Grab beigesetzt. In Frieden. Das ist ein starkes Bild nachdem wir rund dreieinhalb Filmstunden lang der Menschheit beim Scheitern zugesehen haben.
1947, das Jahr, in dem dieser Film seinen Erzählfaden aufnimmt, ist der Zweite Weltkrieg seit zwei Jahren vorbei, die Nazis besiegt und im einfachen Denken die Welt ein besserer Ort: Nazis besiegt, Juden frei, Weltfrieden, alles gut! Alles gut? Natürlich nicht. Die Welt ist zwar bevölkert von Menschen, wird aber beherrscht von Systemen – kapitalistisch, kommunistisch, jüdisch, muslimisch und und und. Otto Premingers Film führt hinein in eines der schwierigsten, Konflikte unserer Weltgeschichte. Auch nach der Befreiung vom Nazi-Terror, auch nach ihrer Befreiung aus den Konzentrationslagern wollte die Juden niemand haben. Was vor allem daran lag, dass die nichtjüdische Welt – im Film vor allem die Briten – die Juden offenbar ähnlich einschätzte wie die Nazis. Im Film verkörpert Peter Lawford diese Haltung als Major Caldwell, der Juden auf 100 Metern in der Dunkelheit erkennen will und sich über seinen General mokiert, der „selber nicht rein arisch“ sein soll.
In der sehr langen Exposition seines Dramas malt Preminger (Anatomie eines Mordes – 1959; "Der Mann mit dem goldenen Arm" – 1955; Fluss ohne Wiederkehr – 1954) eine Welt, die hinter dem Freudenfest des gewonnenen Weltkrieges droht in Vergessenheit zu geraten: Die Welt war nicht anständig zu den Juden. Und das ist nicht der Fehler eines Jemand. Der Fehler liegt im Menschen als solchen begründet. Preminger gibt sich alle Mühe, seinem Film moralische Bedeutung zu geben und dennoch spannend von einer Zeit zu erzählen, die sich nicht einmal in komprimierten dreieinhalb Stunden als wahr umfassen lässt. Er schafft das, weil er immer wieder aus dem kompakten Drama in einen diskursiver Filmessay ausschert und Weltpolitik von Liebespaaren erklären lässt: „Man macht Unterschiede. Aber es gibt sie nicht, Ari.“, sagt die Presbyterianern Kitty etwa zu Ari, dem jüdischen Widerstandskämpfer, und küsst ihn dann; nach wortreicher Diskussion vor landschaftlich großartiger Kulisse, in der Ari auf den Differenzen zwischen den Völkern besteht, während Kitty meint, alle Menschen seien gleich.
Sind sie alle gleich? Preminger spannt als dramaturgischen Bogen über die dreieinhalbstündige Filmhandlung die anstehenden Entscheidung der Vereinten Nationen über die Teilung Palästinas. Diese alles entscheidende Instanz ist im Film eine unsichtbare, anonyme in Nationen zusammengeschnurrte und aufgeteilte Menschheit. Auf die UN-Entscheidung läuft alles zu, von ihr hängt der weitere Verlauf der Geschichte ab.
Dann gibt es sympathische und unsympathische Engländer, die sich fälschlicherweise immer noch für den Nabel der Welt und deren einzige Rettung halten. Es gibt Juden, die nach dem Untergang des Dritten Reichs immer noch um ihr Überleben kämpfen. Es gibt die Araber, die nicht verstehen, warum ausgerechnet sie nun plötzlich Platz machen sollen für diese Anders- oder besser Ungläubigen. Schon das brüderliche Verhältnis des Juden Ari und des Arabers Taha zerbricht an dieser einfachen Sind-alle-gleich-Frage. Taha war immer gewohnt, der Geber zu sein, der gönnerhafte Araber, der den Juden ein bisschen Land schenkt. Und kaum haben die UN den Juden ein Recht auf dieses Land eingeräumt, fühlt sich Taha als schwache Minderheit im eigenen Land, die zum Kampf rüsten muss. Premingers holzschnittartige Personalisierung des Weltkonflikts macht dessen Bruchstellen nachvollziehbar. Und Aris Trauerrede am Ende, in der er schwört, dass der Tag kommen werde, „an dem Araber und Juden in Frieden zusammen leben werden, in diesem Land, das sie im Tod so oft geteilt haben“ ist ein verzweifelter Schrei, der verhallen wird zwischen all den unterschiedlichen Interessen in diesem Konflikt.
Neben der stets anonym bleibenden, nicht greifbaren Interessen folgenden Vereinten Nationen stehen Paul Newman und Eva Marie Saint als die menschlichen Anker in diesem monumentalen Film. Sie bilden das klassische sich finden sollende Paar, das dann all die Konfliktlinien diskutiert, die hier eine Rolle spielen. Paul Newman (Die Katze auf dem heißen Blechdach – 1958; Der lange heiße Sommer – 1958) gibt den kompromisslosen Kämpfer für die Sache, der noch lange nicht im Frieden ankommen ist: „Jeder Mensch auf diesem Boot ist ein Soldat“, sagt Ari. „Die einzige Möglichkeit, diesen Kampf zu gewinnen, ist ihre Bereitschaft zu sterben.“ Mit seinem Dickkopf hat er Erfolg und beeindruckt Kitty, der Eva Marie Saint (Der unsichtbare Dritte – 1959) ein sehr westliches Gesicht gibt; sie glaubt zu Beginn, sie adoptiert einfach eines der armen jüdischen Waisen, nimmt es mit nach Amerika und alles wird gut. Sie wird lernen, dass das nicht so funktioniert; und dass Amerika zwar eine große Rolle in der Weltpolitik spielt, aber nicht immer eine, die der blonden Krankenschwester, die hier den Zuschauerblick führt, gefällt.
Der Film hat Längen, die im harten Kinosessel schmerzen. Aber wenn der Vorhang sich geschlossen hat, waren das keine Längen. Jene Szenen, in denen man sich wünscht, es könne etwas zügiger gehen, haben sich ins Unterbewusste geschoben und machen aus dem langen Film jetzt ein dreidimensionales historisches Porträt einer Zeit, die zur Weltgeschichte gehört. Das ist historisch sich ungenau, aber Kino, sofern es Eintrittskarten verkaufen will, muss dramatisieren, kürzen, zuspitzen und so erinnert die in Zypern angesiedelte Flucht der "Exodus"-Juden nur an die La-Spezia-Affäre, und Paul Newmans Ari ist nur dem Vorbild der historischen Figur Jossi Harel nachempfunden.
Unterm Strich aber ist dieses gewaltige Filmprojekt eine beeindruckende Beschreibung der menschlichen Schwäche in einem globalen Konflikt.