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Plakatmotiv: Anatomie eines Mordes

Ausgezeichnete Schauspieler in
einem spannenden Gerichtsfilm

Titel Anatomie eines Mordes
(Anatomy of a Murder)
Drehbuch Wendell Mayes
nach dem gleichnamigen Kriminalroman von Robert Traver
Regie Otto Preminger, USA 1959
Darsteller

James Stewart, Lee Remick, Ben Gazzara, Arthur O'Connell, Eve Arden, Kathryn Grant, George C. Scott, Orson Bean, Russ Brown, Murray Hamilton, Brooks West, Ken Lynch, John Qualen, Howard McNear, Alexander Campbell u.a.

Genre Crime, Drama
Filmlänge 160 Minuten
Deutschlandstart
22. September 1959
Inhalt

Paul Biegler, der langjährige Bezirksstaatsanwalt einer kleinen Gemeinde in Michigan, hat kürzlich seinen Posten an seinen Konkurrenten Mitch Lodwick verloren. Seitdem widmet er sich hauptsächlich seinen Leidenschaften Fischen und Jazzmusik. Er nimmt nur nur kleine Fälle an, um sich über Wasser zu halten, und philosophiert ansonsten mit seinem Freund Parnell Emmett McCarthy, ebenfalls ein versierter Jurist, der aber dem Alkohol verfallen ist, über theoretische Rechtsfragen.

Da fällt ihm plötzlich ein interessanter Fall zu. Frederick Manion, Leutnant in der örtlichen Garnison, hat den Barbesitzer Barney Quill erschossen, weil der seine Frau Laura in einem abgelegenen Waldstück vergewaltigt haben soll. Bieglers Gegner in dem Verfahren, Bezirksstaatsanwalt Mitch Lodwick, holt sich den erfahrenen Ankläger Claude Dancer aus der Hauptstadt Lansing zu Hilfe. Paul Biegler bittet seinen Freund Parnell, ihn zu unterstützen, allerdings muss dieser ihm versprechen, dem Alkohol zu entsagen.

An der Täterschaft von Lt. Manion bestehen zwar keine Zweifel, aber Anwalt Biegler will mit Hilfe seines Freundes nachweisen, dass er aufgrund der Vergewaltigung seiner Frau in einem emotionalen Ausnahmezustand war, der die Tat entschuldbar macht. Die Ankläger ziehen jedoch in Zweifel, ob Lt. Manions Ehefrau tatsächlich vergewaltigt wurde. Da es ihnen nicht gelingt, diesen Sachverhalt aus der Verhandlung herauszuhalten, wollen sie im Laufe der Verhandlung bei den Geschworenen den Eindruck erwecken, dass die Frau dem Barbesitzer im Vorfeld der Tat Avancen gemacht oder gar eine Affäre mit ihm hatte und Lt. Manion ihn deshalb aus Eifersucht erschoss …

Was zu sagen wäre

Zwei Stunden, vierzig Minuten. Den Titel trägt dieser Film zurecht. Es ist die Anatomie eines Mordes, die Otto Preminger ("Der Mann mit dem goldenen Arm" – 1955; Fluss ohne Wiederkehr – 1954) in allen Details durchspielt bis zum Urteilsspruch. Er geriert sich dabei nicht als neutraler Beobachter, nicht als 13. Geschworener; die Sympathien sind klar verteilt. Hier Paul Biegler, der sympathische Anwalt, der seine Ambitionen abgelegt hat, gerne abends in Jazzkneipen mit Duke Ellington (der hier Pie Eye heißt) am Klavier sitzt und den seine mütterliche Sekretärin so schätzt, dass sie auch ohne regelmäßige Bezahlung für ihn arbeitet. Dort Claude Dancer, der scharfe Oberstaatsanwalt aus der großen Kreisstadt, dessen Ruf eines brillanten, aber scharfzüngigen Juristen ihm vorauseilt – sein Kollege Mitch Lodwick, der Paul Biegler seinen Stuhl in der Staatsanwaltschaft genommen hat, ist eine zu vernachlässigende Größe in diesem juristischen Spiel, er ist dem Fall offensichtlich nicht gewachsen.

Es stehen sich also gegenüber: James Stewart (s.u.) und der versierte TV-Akteur George C. Scott, der hier in seiner erst zweiten Kinorolle auftritt. Es ist ein Fest, den beiden zuzuschauen, wie sie die heißblütigen, spitzfindigen Dialoge spielen, die Wendell Mayes ihnen geschrieben hat und die Preminger mit ruhiger, unauffälliger Hand und zurückkhaltender Kamera inszeniert.

Sie verhandeln über einen heißblütigen, impulsiven Mann in Uniform, dessen Frau auffäliig die Nähe der Männer um sie herum sucht; das macht sie verdächtig – auch dem Zuschauer. Wenn aber Staatsanwalt Dancer der Frau nach allen Regeln männlicher Überheblichkeit frivoles Verhalten unterstellt, angeblich aufreizende Gesten als Einladung an Männer interpretiert, sie nach Gusto „zu nehmen“, wird dem Zuschauer schnell klar, dass er sich hat aufs Glatteis führen lassen. Ja, Lee Remick (Der lange heiße Sommer – 1958) spielt diese Ehefrau aufreizend und immer zum Flirt bereit. Ja, und? Und Ben Gazzera als ihr angeklagter Ehemann hat sie schon geprügelt. Darf er deshalb nicht ausrasten, nachdem, was seiner Frau angetan wurde? Das Buch liefert uns auf der Anklagebank – anders in Verteidigung und Staatsanwaltschaft – keine klaren Gut-Böse-Schablonen und überlässt es dem Zuschauer, sich seine Meinung zu bilden – als jener 13. Geschworene.

Zwischen diese vier Pfeiler seines Films hat Otto Preminger charmante Ruhepole gesetzt: Eve Arden spielt die loyale Sekretärin mit dem mütterlichen Touch. Sie würde niemals so auftreten wie die Frau des Angeklagten, steht dafür aber mit beiden Beinen im Leben. Arthur O'Connell spielt den alten, dem Alkohol zuneigenden Partner von James Stewart, der zu gleichen Teilen Pflegekind wie Ersatzvater für den unverheirateten Paul ist. Und dann ist da Joseph N. Welch, dem die in Gerichtsfilmen immer spezielle Rolle des Richters zufällt, der streng, gütig, borniert, gelangweilt, ermahnend – aber immer fair – die Streihähne im Zaum halten muss.

Sie alle spielen ihre schwierigen Parts in diesem Dialogfilm mit Bravour. Sie sind präsent, beherrschen ihre Rolle und liefern in ihren Szenen viele schöne Miniaturen.

Wertung: 7 von 7 D-Mark
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