In den 1920er Jahren unternimmt Adela zusammen mit ihrer zukünftigen Schwiegermutter Mrs. Moore eine Reise nach Indien, um ihren Verlobten Ronny zu besuchen, der dort als Richter in der Kolonialverwaltung tätig ist. Beide erhoffen sich, die fremde Kultur kennenzulernen – das "wirkliche Indien", wie Adela es ausdrückt.
Schon bald nach ihrer Ankunft sind sie ernüchtert. Die Briten bleiben unter sich und leben genau so, wie sie es wohl auch in ihrer Heimat tun würden; den Indern bringen sie nur Missbilligung entgegen. Ronny bildet da keine Ausnahme, und Adela zweifelt, ob sie ihn immer noch heiraten möchte. Auch seine Mutter ist von dem Wandel ihres Sohnes nicht begeistert. Die Polospiele und Veranstaltungen im Club, der nur Briten zugänglich ist, langweilen die beiden Frauen schon bald.
Eines Abends lernt Mrs. Moore bei einem heimlichen Spaziergang am Ganges den jungen indischen Arzt Aziz kennen. Er ist über ihre Freundlichkeit sehr erfreut, und sie ist entzückt über das erste richtige Gespräch mit einem Einheimischen. Mrs. Moore erzählt Adela von der Begegnung, und die beiden suchen Kontakt zu Aziz. Er lädt sie schließlich zu einem Ausflug in die Berge zu den Höhlen von Marabar ein. Auf der Reise beginnt Adela jedoch, Gefühle für Aziz zu hegen. Sie ist innerlich so aufgewühlt, dass sie überstürzt die Höhle verlässt und sich dabei verletzt. Daraufhin wird Aziz vorgeworfen, sie vergewaltigt zu haben, und er sieht einem Prozess entgegen, den er nicht gewinnen kann …
Nach 14 Jahren kehrt David Lean auf den Regiestuhl zurück ("Ryans Tochter" – 1970; Doktor Schiwago – 1965; Lawrence von Arabien – 1962; Die Brücke am Kwai – 1957; Traum meines Lebens – 1955; Herr im Haus bin ich – 1954; Begegnung – 1945). Dieser Stuhl steht in Indien. Der Altmeister liefert das Erwartete: große Bilder exotischer Kulisse und den Hauch der abenteuerlichen Fremde. Mehr als zweieinhalb Stunden nimmt er sich dafür Zeit.
Als Vorlage dient ihm ein Roman des Gesellschaftsbeobachter Edward Morgan Forster, der sich in seinen Romanen immer wieder mit Den gesellschaftlichen Regeln und Klassenunterschieden in England beschäftigt hat. Im Indien des Jahres 1923 herrschen die Briten über große Teile des Landes. Die Einheimischen behandeln sie mit Herablassung, halten sie für nicht gesellschaftsfähig: „Der Osten ist halt der Osten“, stöhnt Mrs. Callendar, deren Freundin sich auch nicht wundert, dass ein gut situierter Inder Paris kennt. „Naja, das liegt ja auf dem Weg, meine Liebe.“ Weil sie selbstverständlich davon ausgeht, dass ihr heimisches London der Nabel der Welt ist, zu dem man gelangt, nachdem man von Indien aus auf dem Weg nach Westen zwangsläufig in Paris Station macht. Die Inder wirken in Leans Film lange Zeit wie Folklore, Menschen in bunten Tüchern, lächelnd, dienend und im allgemeinen stumm. Das spiegelt die Haltung der Engländer in ihren Clubs, zu denen Inder keinen Zutritt haben, wenn sie dort nicht als Bedienstete arbeiten. Erst, als der Lehrer Richard Fielding den Film betritt, erwacht das reale Indien zum Leben – zumindest soweit ein englischer Regisseur das wahre Indien überhaupt zeigen kann. Die Inder werden dreidimensional, bekommen eine Sprache, ein Gesicht, sind bald Menschen wie Du und ich, die allerdings in ihrer gastfreundlichen Ergebenheit leicht ein Bild der Schwäche abgeben. Deutlich wird jedoch, viele Inder mögen die Engländer nicht, wären sie lieber heute als morgen los. Die Briten leben wie in einem Ghetto unter sich in neu entstandenen britischen Siedlungen und treffen sich in parkähnlich angelegten Clubs, während die Inder in ihren chaotisch gewachsenen Städten leben.
Hier beginnt das Drama, eine Art Fish-out-of-Water-Geschichte. Zwei Engländerinnen haben sich vorgenommen, „das wahre Indien“ kennenzulernen, und ein junger Arzt, Dr. Aziz fühlt sich geehrt, es ihnen zeigen zu dürfen. Jetzt prallen unterschiedliche Welten aufeinander, die Libido der jungen, lebensunerfahrenen Adela dreht durch, die nach Indien kam, um den langweiligen Stadtrichter Ronny zu heiraten, was sie dann, kaum in Indien, mehrfach über den Haufen wirft um dann doch wieder einzuwilligen; jetzt steht da in der Mittagshitze dieser freundliche Arzt, dessen Frau verstorben ist und irgendwie, man sieht es nicht, an dieser Stelle lässt der Film ein Loch, steht am Ende der Vorwurf im Raum, Aziz habe versucht, Adela zu vergewaltigen. Das alles passiert in den beeindruckenden, nur mit mühsamen Fußwegen zu erreichenden Höhlen von Marabar. E.M. Forster kann die libidinöse Verquickung von Hitze, Erotik, Unerfahrenheit, starken Echos in der Höhle in seinem Roman nachvollziehbar beschreiben.
Im Film klafft an dieser Stelle ein Loch, das nicht geschlossen wird. Warum Adela den Vergewaltigungsvorwurf erhebt, den sie später vor Gericht zurücknimmt und damit größere Tumulte seitens der Inder auslöst, die die englischen Besatzer satt haben, bleibt im Film ein Rätsel; als hätte David Lean in seinem Drehbuch halt einen Grund benötigt, um den indischen Arzt vor ein englisches Gericht stellen zu können. Das ganze britisch-indische Dilemma, das den Roman treibt, bleibt im Film diffus: arrogante Briten und machtlose Inder, die, wenn sie einander im gesellschaftlichen Umgang zu nahe kommen, eine Unruhen auslösen.
Das Rätsel um Adela kann auch deren Darstellerin, die 29-jährige Judy Davis, nicht auflösen. Der 75-jährige Lean gibt ihr keine Möglichkeit, mehr zu tun, als ihre erotische Verwirrung mit flackerndem Blick in der dunklen Höhle zu beschreiben. Viele Filmszenen zuvor war sie auf einer einsamen Fahrradtour auf Skulpturen von in eindeutigen erotischen Situationen verschränkten Menschen gestoßen. Diese Bilder haben sie bis in ihre Träume verfolgt und als der Inder Aziz ihr beim Aufstieg zu den Höhlen seine dunkle Hand zur Hilfe reichte, muss das die Unerfahrene in Abgründe der Verwirrung getrieben haben. Möglicherweise. Sehen tun wir das im Film nicht. Ein Besetzungsfragezeichen bietet der dunkelbraun geschminkte Brite Alec Guinness in der Rolle eines indischen Professors (Die Rückkehr der Jedi-Ritter – 1983; Das Imperium schlägt zurück – 1980; Krieg der Sterne – 1977"; Eine Leiche zum Dessert – 1976; Doktor Schiwago – 1965; Der Untergang des Römischen Reiches – 1964; Lawrence von Arabien – 1962; "Unser Mann in Havanna" – 1959; Die Brücke am Kwai – 1957; Ladykillers – 1955; Adel verpflichtet – 1949). Es ist nicht so, dass wir Guinness, der seine Wandlungsfähigkeit in Filmen aus vielen Jahrzehnten bewiesen hat, nicht auch einen Inder abkaufen. Aber seine Besetzung wirkt wie eine Ohrfeige gegen indische Schauspieler. Lean sagte, kein indischer Schauspieler habe ihn letztlich überzeugt und weil er Guinness aus früheren gemeinsamen Projekten kannte, wisse er, mit welchem Talent sich dieser auch Figuren anderer ethnischer Rassen und Kulturen zu eigen machen könne. Es ist aber nicht so, dass Guinness' Professor Godbhole an einer Stelle des Films so entscheidend Einfluss nähme, dass es dafür unbedingt einen versierten Shakespeare-Mimen benötigte. Obwohl als Nebendarstellerin geachtet spielt die heimliche Hauptrolle Peggy Ashcroft (Geschichte einer Nonne – 1959; Die 39 Stufen – 1935). Die große alte Dame des englischen Theaters war mit E. M. Forster bekannt gewesen. Der hatte ihr bereits bei der Entwicklung einer Theaterversion zu verstehen gegeben, dass er sie gerne in der Rolle der Mrs. Moore sehen würde. Das kann man nachvollziehen, wenn man Ashcroft hier als liebenswerte englische Lady mit höchst eigenem Willen erlebt, der im letzten Drittel des Films nicht enden wollende Sprechchöre auf indischer Seite gesungen werden.
"Die Reise nach Indien" ist, rein visuell gesehen, ein prachtvoller Film, der uns in fremde, faszinierende Gefilde entführt und in seinen besten Momenten den Duft von Curry in seinen unterschiedlichen Nuancen spürbar macht. Ein guter Regisseur ist immer bemüht, uns Bilder zu zeigen, die wir noch nicht gesehen haben. Auf der erzählerischen Ebene bleibt der Film flach. Die gesellschaftlichen Gräben zwischen Briten und Indern werden ausgestellt, aber nicht vertieft. Die emotionalen Verwirbelungen bleiben mehr Behauptung als Treiber eines Dramas. Und so verlieren sich lauter namhafte Schauspieler in einem Projekt, das mehr wollte, als es letztlich bietet.
"Reise nach Indien" wurde 1985 für insgesamt elf Oscars nominiert. Bei der Oscar-Show am 25. März 1985 gingen jedoch die meisten Auszeichnungen an Miloš Formans Film Amadeus, der ebenso viele Nominierungen erhalten hatte und dann in acht Kategorien gewann; David Leans Film wurde in zwei Kategorien ausgezeichnet:
- Best Picture: John Brabourne, Richard Goodwin
- Regie: David Lean
- Adaptiertes Drehbuch: David Lean
- Hauptdarstellerin: Judy Davis
- Supporting Actress: Peggy Ashcroft
- Kamera: Ernest Day
- Ausstattung, Set Design: John Box, Hugh Scaife
- Kostüm: Judy Moorcroft
- Filmschnitt: David Lean
- Filmmusik: Maurice Jarre
- Ton: Graham V. Hartstone, Nicolas Le Messurier, Michael Carter, John W. Mitchell