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Plakatmotiv: Adel verpflichtet (1949)

Schwarzer Humor und böse Beobachtungen
mit Alec Guinness in gleich acht Rollen

Titel Adel verpflichtet
(Kind Hearts and Coronets)
Drehbuch Robert Hamer & John Dighton
nach dem Roman "Israel Rank" von Roy Horniman
Regie Robert Hamer, UK 1949
Darsteller

Dennis Price, Alec Guinness, Valerie Hobson, Joan Greenwood, Audrey Fildes, Miles Malleson, Clive Morton, John Penrose, Jeremy Spenser, Cecil Ramage, Hugh Griffith, John Salew, Eric Messiter, Lyn Evans, Barbara Leake, Peggy Ann Clifford, Anne Valery, Arthur Lowe, Stanley Beard u.a.

Genre Komödie, Krimi
Filmlänge 101 Minuten
Deutschlandstart
08. Januar 1957
Inhalt

Louis Mazzini ist ein Enkel des VIII. Herzogs von Chalfont. Seine Mutter wurde aus der herzoglichen Familie ausgestoßen, da sie einen italienischen Sänger heiratete.

Als Louis' Mutter bei einem Verkehrsunfall ums Leben kommt und ihr das standesgemäße Begräbnis verweigert wird, ist ihr Sohn derart verbittert, dass er beschließt, selbst Herzog von Chalfont zu werden. Dafür muss er allerdings die acht Familienmitglieder, die zwischen ihm und dem Titel stehen, nacheinander beseitigen.

Einfallsreich führt er alle Mordpläne aus, heiratet die bezaubernde Edith – die schöne Witwe eines seiner Opfer – und zieht schließlich als Herzog von Chalfont in das "House of Lords" ein. Dort wird er unter Mordanklage gestellt, allerdings für einen Mord, den er nicht begangen hat. Bei dem Toten handelt sich um den Mann seiner früheren Geliebten Sibella, der Selbstmord begangen hat. Sibella belastet Louis, indem sie den Abschiedsbrief ihres Mannes aus Eifersucht unterschlägt.

Am Abend vor seiner Hinrichtung schreibt Louis seine Memoiren mit dem vollen Eingeständnis seiner Taten nieder. Da erscheint Sibella. Sie spricht von einem möglichen "Wunder": Falls sie Herzogin würde, ließe sich der Abschiedsbrief ihres Mannes wiederfinden. Louis willigt ein und wird entlassen. In der Aufregung vergisst er jedoch seine Memoiren …

Was zu sagen wäre

Unsere zivilisierte, sogenannte "1. Welt" ist ein ziemlich bornierter Haufen egoistischer Zeitgenossen. Diesen Film sehe ich Ende der 70er Jahre im Fernsehen; als er 1957 in Deutschland in die Kinos kam, war ich noch nicht auf der Welt. Aber die eben zitierte Erkenntnis scheint nicht neu zu sein. Schon 1949, vier Jahre nach dem zweiten Weltkrieg innerhalb von 30 Jahren, schwebte die Erkenntnis durch die Köpfe.

Wir befinden uns im ländlichen England. Gedreht wurde unter anderem in der Grafschaft Kent, was an den Großraum London grenzt. Hauptfiguren sind ein sehr traditionsbewusst erzogener, verhinderter Herzog sowie sehr standesbewusste englische Adlige, die Kontakt zum gemeinen Volk als unwürdig betrachten. Es gibt eine junge Frau, in die unser Held Louis verliebt ist, die hübsche und kapriziöse Sibella, die ihn zwar nett findet, aber auslacht, als er ihr einen Heiratsantrag macht, und sich statt für den mittellosen Bewerber für den langweiligen, aber reichen Erben Lionel Holland entscheidet – und als sie fünf Minuten später erfährt, dass Louis einen gut dotierten Posten in der Bank der adligen D’Ascoynes erhält, sich Louis in eindeutiger Erwartung an den Hals wirft.

Kurz: Die Klassengesellschaft, in England als Garant für geordnete Verhältnisse, für "Zivilisation" angesehen, verführt zu Trinkerei, Betrug und Mord, einem Mittel, zu dem Louis greift, nachdem seine Mutter, zu arm, um ihre Brille reparieren zu lassen, halb blind von einer Straßenbahn überfahren wird. Louis, der in dieser hierarchischen Gesellschaft zur Mittellosigkeit verdammte Mann wird erfinderisch, schleicht sich in die höhere Gesellschaft und begeht acht Morde. Achtmal an Alec Guinness, denn der spielt die acht Erben des Titels, die Louis im Weg stehen. Es sind keine weitschweifigen Auftritte, die der britische Shakespeare-Star liefert, aber in den Rollen eines trotteligen Pfarrers, Plakatmotiv: Adel verpflichtet (1949)des hartherzigen Herzogs, der lebenslustigen Suffragette, eines in die Fotografie vernarrten Pantoffelhelden, des staubtrockenen Bankiers, des schnöseligen Erben und zweier harter britischer Offiziere bietet er in wunderbaren Miniaturen Karikaturen der gehobenen englischen Gesellschaft.

Und auf der Kanzel stand, endlosen Unsinn redend, der Reverend Lord Henry D'Ascoyne. Die D'Ascoynes stimmten offensichtlich mit der Tradition des Landadels überein, den Dümmsten der Familie Pfarrer werden zu lassen.“ Regisseur Robert Hamer erzählt mit viel Schwarzem Humor. Oft widersprechen sich Wort und Bild. Die Geschichte wird als Rückblende erzählt, so liegt über vielen Bildern Louis' Stimme, die in gestochenem Hochdeutsch (-englisch) erzählt, was ihm widerfahren ist und welche Lehren er daraus geschlossen hat; wenn dann der eine D’Ascoyne stirbt, den Louis irgendwie schätzen gelernt hatte, freut er sich, dass er nicht hat Hand anlegen müssen. Es geschehen die grausigsten Morde, aber Louis Stimme erzählt davon, als erzähle sie von einem englischen Picknick. Sehr lustig. Auch wenn das Lachen im Hals stecken bleibt, weil man über Morde ja doch nicht lachen soll.

Nicht zu unterschätzen sind die Frauen, die sich in der standesbewussten Männerwelt auf ihre Weise durchschlagen. Die eine, Ehefrau eines D’Ascoyne, übt sich in vornehmer Zurückhaltung und dirigiert ihre Männer über Blicke. Die andere schnappt sich den Mann, der ihr Wohlstand und Ansehen in der Gesellschaft verspricht: „Oh Louis, ich will Lionel nicht heiraten!“ „Warum nicht?“ „Er ist so langweilig!“ „Ja, ich muss zugeben, dass er außergewöhnliche Fähigkeiten für das mittlere Alter an den Tag legt, die ich je bei einem jungen Mann von vierundzwanzig Jahren erlebt habe.“ Mit Liebe haben die Frauen in diesem Film so wenig am Hut, wie die Männer. Auch Louis weiß die Dienste der heißblütigen Sibella zu schätzen, solange deren Ehemann Lionel ihren Lebensstil finanzieren muss: „Es wäre mir ein Vergnügen gewesen, ihn abzuweisen. Ein bankrotter Lionel jedoch wäre kaum noch in der Lage gewesen, Sibyllas Extravaganzen zu bezahlen und ich … verspürte keine Neigung, es selbst zu tun.“ Ein Film voll bösem Sarkasmus und zynischen Beobachtungen, in dem sich der entfernte, arme Verwandte des Herzogs von D'Ascoyne als durchtriebener und standesdünkeliger erweist, als all die Cousins, die Louis aus der Erbfolge mordet.

Der englische Originaltitel des Films, "Kind Hearts and Coronets", ist eine Anspielung auf das 1842 verfasste Gedicht "Lady Clara Vere de Vere" von Alfred Tennyson, in dem es über adelige Tugenden heißt: „Kind hearts are more than coronets, And simple faith than Norman blood“ („Ein gutes Herz ist mehr wert als eine Krone, und ein starker Glaube mehr als blaues Blut“) – die Verse werden im Film von Edith D’Ascoyne zitiert, um zu verdeutlichen, wie falsch die Familienmitglieder der D’Ascoyne sind.

Der Film wurde im Jahr 2000 von den Lesern der Filmzeitschrift "Total Film" auf den 25. Platz der besten Komödien aller Zeiten gewählt und landete 2004 – ebenfalls bei einer Umfrage von "Total Film" – auf dem siebten Platz der besten britischen Filme aller Zeiten. Auf der Liste der 100 besten britischen Filme, die das Magazin "Empire" 2016 veröffentlichte, rangiert er auf Platz 7.

Wertung: 6 von 6 D-Mark
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