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Plakatmotiv: Ein Mann zu jeder Jahreszeit (1966)

Filmisch aufregendes Porträt
eines aufrechten Engländers

Titel Ein Mann zu jeder Jahreszeit
(A Man for All Seasons)
Drehbuch Robert Bolt
nach seinem Bühnenstück "Thomas Morus" (A Man For All Seasons)
Regie Fred Zinnemann, UK 1966
Darsteller

Paul Scofield, Wendy Hiller, Robert Shaw, Leo McKern, Orson Welles, Susannah York, Nigel Davenport, John Hurt, Corin Redgrave, Colin Blakely, Cyril Luckham, Jack Gwillim, Thomas Heathcote, Yootha Joyce, Anthony Nicholls, John Nettleton u.a.

Genre Biografie, Drama
Filmlänge 120 Minuten
Deutschlandstart
25. August 1967
Inhalt

England, zwischen 1525 und 1535: Heinrich VIII. will sich unbedingt von seiner katholischen Ehefrau Katharina von Aragon, mit der er keinen Sohn als Thronfolger bekommen hat, scheiden lassen, um seine Geliebte Anne Boleyn zu heiraten. Doch Kardinal Wolsey gelingt es nicht, den Papst in Rom von diesem Anliegen zu überzeugen.

Daraufhin gründet Heinrich, der bislang die Reformationsbewegung in England auch mit Hilfe des katholischen Lordkanzlers Thomas More unterdrücken ließ, seine neue, anglikanische Kirche. More, der sich aus politischen und religiösen Gründen dieser Politik Heinrichs widersetzt hat, tritt von seinen Ämtern zurück und widmet sich ganz seiner Familie.

Doch Heinrich gibt sich mit Mores Rückzug ins Private nicht zufrieden. Denn noch braucht er den angesehenen Humanisten, um seiner Politik Autorität zu verleihen. Erst droht er, dann sperrt er More ein und schließlich lässt er ihn mit erfundenen Vorwürfen anklagen …

Was zu sagen wäre

Ein zeitloses Stück, das Robert Bolt hier geschrieben hat. Zeitlos in seinem unbedingten Glauben an die Heilige Schrift und in seiner Konsequenz. Ein Mann hält an seinem Glauben fest und geht dafür in den Tod. Thomas Morus (im englischen: Thomas More) ist ein gebildeter und hoch geachteter Mann in London, übte Richterämter aus und berät König Heinrich VIII.. Er steht fest zu seinen Überzeugungen, zu denen auch gehört, dass niemand über Gott stehen kann, also auch niemand über der katholischen Kirche – der historische Thomas Morus hat Anhänger der Lutherischen Reformation auf dem Scheiterhaufen verbrennen lassen – Plakatmotiv (UK): A man for all Seasons (1966) damit auch nicht die anglikanische Kirche, die Heinrich VIII. soeben gegründet hat. Morus ist klug genug, diesen Gedanken nicht auszusprechen, weil er sich sonst des Hochverrats schuldig machen würde. Er glaubt an die Bibel. aber er glaubt auch an das Gesetz. Und er glaubt daran, dass das Gesetz immer Recht spricht.

In Thomas Morus' Welt kann das Gesetz nicht überlistet werden, weil es verwaltet und gepflegt wird von Männern, die über jeden Zweifel erhaben sind. Aber es wird überlistet. Durch einen Meineid, der ihn, Morus, in den Tod schickt. Geschworen hat den Meineid ein kleiner Mann, der sich für Posten von jedermann kaufen lässt, in dem Morus schon früh einen gefährlichen Mann erkannt hat. Angeklagt wird Morus von dem machtbewussten Staatssekretär Cromwell, der die Gunst des Königs nicht verlieren will und daher Anklagepunkte konstruiert. Robert Bolts Stück ist ein Stück über den Zerfall eines Staatswesens in Einzelinteressen. Das Gemeinwesen wird von karrierebewussten Männern aus den Angeln gehoben, angeführt von einem König, der eine andere Frau heiraten will, weil die eigene ihm keine Kinder gebärt, und der deshalb eine neue Staatskirche gründet, die dem Volk einen neuen Glauben aufzwingt, der die Gefahr beinhaltet, dereinst an der Himmelstür abgewiesen zu werden – was im 16. Jahrhundert durchaus noch eine Schreckensvision war.

Fred Zinnemann taucht seine Verfilmung dieses Stücks über den einen Aufrechten im Zerfall in düstere Bilder. Die Kostüme der Lords und Ladies sind prachtvoll, leuchten aber im fahlen Licht des immer grauen Wetters nicht. Der König trägt ein goldenes Gewand und gebiert sich wie ungebändigtes Testosteron. Robert Shaw spielt ihn (Die letzte Schlacht – 1965; James Bond 007 – Liebesgrüße aus Moskau – 1963) mit blitzenden Augen, großen Gesten und donnernder Stimme; Ein Mann, der weiß, dass er bekommt, was er will. Shaws kerniger König trifft im heimischen England auf ein Publikum, das erlebt, wie das einst riesige British Empire immer kleiner wird. Plakatmotiv: (Sechs Oscars für) Ein Mann zu jeder Jahreszeit (1966) Einstige afrikanische Kolonien verabschieden sich in die Unabhängigkeit, als Großmächte gelten die USA und die Sowjetunion. England lange nicht mehr. Da fördert einer wie der aufrechte Thomas Morus, der sich von den Weltläuften nicht beeindrucken lässt und an seinen Überzeugungen festhält, den Stolz der Briten – und selbst so ein mörderischer  Hallodri wie Heinrich VIII. hatte das Empire noch zusammenhalten können. Der Film spiegelt Sehnsüchte abseits der reinen Filmkunst.

Obwohl der Film in den großen Schlössern und Palästen spielt, wirkt alles eng, beklemmend. Zinnemann zeigt eine eingesperrte Gesellschaft, ihren Zwängen verhaftet. Nur das Anwesen Thomas Morus' strahlt eine bescheidene Weitläufigkeit aus. Die Haltung des unbeugsamen Thomas ist angesichts der Gefahren, die er mit seinem Schweigen für sich und seine Familie heraufbeschwört, im Kinosessel des 20. Jahrhunderts schwer zu begreifen. Aber Paul Scofield macht uns das ganz leicht. Sein Thomas Morus ist der aufrechte Mann, der mit klarem Blick Entscheidungen trifft, zu denen er auch übermorgen noch stehen wird. Morus ist keiner, der auf seiner Meinung beharrt. Er lotet die Gesetze aus, dehnt sie auch ein wenig, um eine Möglichkeit zu finden, seinem König treu zu dienen und zu tun, was dieser geheißt. Als er aber keine Möglichkeit innerhalb der Gesetze findet, dies zu tun, klagt er nicht an, sondern, im Gegenteil, schweigt einfach. Wortgewandt wehrt er sich vor Gericht, aber als das Urteil fest steht, nimmt er es mit dem klaren Blick eines Mannes zur Kenntnis, der weiß, dass seine Argumentation in diesem Königreich nicht stechen wird. Er geht aufrecht in den Tod, weil er die Fäulnis der Gesetzeshüter, die ihm ins Gesicht schlägt, nicht erträgt; lieber sterben, als in so einer Gesellschaft leben zu müssen. 

"A Man for all Seasons" wurde bei der Oscar-Show am 10. April 1967 mit sechs von acht nominierten Oscars ausgezeichnet, darunter Bester Film, Regie, Hauptdarsteller (Scofield) und adaptiertes Drehbuch.

Wertung: 8 von 8 D-Mark
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