John Sedley büßt als Zwangsarbeiter im Gefängnis die Haftstrafe für einen Überfall ab, bei dem er von seinen Komplizen, dem Verbrecherpärchen Sunny Boyd und Rafe Garrett, verraten wurde. Diese beiden brachten auch Johns Freund Mikey um, der beim Überfall dabei war. Man bietet ihm Strafmilderung an, wenn er die Identität seiner Komplizen verrät. John geht nicht darauf ein.
John leidet an einem genetischen Defekt, sein Gesicht ist seit der Geburt entstellt. Im Gefängnis wird er auf Veranlassung von Garrett angegriffen und verletzt. Er kommt in ein Krankenhaus. Der dort tätige Arzt Dr. Steven Resher leitet ein Projekt, das beobachtet, ob plastische Chirurgie bei der Resozialisierung von Straftätern helfen kann; ob deren soziales Verhalten aufgrund der Akzeptanz ihres neuen Äußeren durch die Umwelt positiv zu verändern ist. John wird mehrfach operiert. Die Operationen gelingen. Sein Abstoßung erregendes Gesicht hat sich ins genaue Gegenteil verkehrt: er ist jetzt ein schöner Mann, dessen Gesicht auf seine Umgebung spontan anziehend wirkt. John erhält Freigängerstatus und bekommt eine neue Identität als ehemaliger Marineoffizier.
John Sedley findet einen Job in einer Werft. Dort hat er jetzt keine Mühe, schnell eine Freundin zu finden: die junge hübsche Kollegin Donna McCarty aus der Lohnbuchhaltung. Äußerlich mag er nun ein anderer sein. Aber er ist immer noch Johnny, der Meisterplaner.
Johnny hat er die schrecklichen Ereignisse von damals nicht vergessen. Er will den Tod seines Freundes Mikey an den früheren Komplizen Sunny und Garrett rächen …
Die ist die Geschichte eines einsamen Mannes, der in einer Welt lebt, die leicht jenseits der realen Welt existiert. Alles ist ein wenig überzeichnet, die Nächte zu Neon, die Drohgebärden der Gangster zu aufdringlich, die erotischen Schwingungen der Nutten zu plump, der Zynismus des Cops zu kalt, die Herzensgüte der Prinzessin uneingeschränkt. Es ist die dunkle Seite des Märchens, die der Film uns zeigt. Tageslicht und freundlich lächelnde Menschen finden hier nicht statt.
Walter Hill fühlt sich in solchen Welten wohl (Red Heat – 1988; Ausgelöscht – 1987; Straßen in Flammen – 1984; Nur 48 Stunden – 1982; Die letzten Amerikaner – 1981; Long Riders – 1980; Die Warriors – 1979; Driver – 1978). Seine Helden sind Streiter für das Gute, weil sie nur für sich streiten – und sie waren schließlich auch mal gut. Bis sie durch Umstände auf die andere Seite gerieten. John Sedley hatte vom ersten Tag an keine Chance. Sein deformiertes Gesicht gleicht einer zerklüfteten Gebirgslandschaft, seine Mutter, Alkoholikerin, starb, da war er 13, seinen Vater kennt er nicht. Er wuchs im Heim auf, wo sie ihn wegen seines Gesichts hänselten. Weil er ein cleveres Gehirn hinter seinem deformierten Gesicht hat, überlebt er in der Welt der Kleinganoven, in der es von Gernegroßen wimmelt.
Kaum bekommt er eine Chance auf Rehabilitation, was einhergeht mit einer erstaunlichen Änderung seines Äußeren, wandelt er sich beinahe zu einem normalen Menschen, verliebt er sich in eine Kollegin aus der Lohnbuchabteilung, der er bei einem privaten Schlamassel mit einem Kerl nachdrücklich aus der Patsche hilft. Das unterstreicht die These des Schönheitschirurgen, wonach das Äußere das Leben eines Menschen beeinflussen kann. Es beeinflusst aber nicht das Innere des Menschen, in dem die Erfahrungen eines ganzen Lebens sitzen, einem Leben, das für Johnny selten was Gutes übrig hatte. Ohne Rache an seinen Peinigern kann er kein neues Leben beginnen.
Das alles ist natürlich keine tiefenpsychologische Analyse, wir sitzen ja nicht in einer Vorlesung. Das ist bester B-Movie-Stoff, gekreuzt mit einer Prise Film Noir. Und Walter Hill ist souverän genug, uns vom ersten Frame an auch nicht mehr zu versprechen, als ein B-Movie. Die Realität draußen vor den Kinos interessiert ihn nicht, lieber taucht er in seine grellbunte Comicwelt und zeigt uns Kerle und Weiber, die sich ihr Leben ordentlich um die Ohren hauen. Dazu malt Komponist Ry Cooder zärtlich melancholische Gitarrenriffs auf die Tonspur, die die Einsamkeit des Helden umschmeicheln.
Hollywoods Schauspieler lieben das. Mickey Rourke (Angel Heart – 1987; 9 1/2 Wochen – 1986; Im Jahr des Drachen – 1985; Der Pate von Greenwich Village – 1984; Rumble Fish – 1983; Eureka – 1983; American Diner – 1982; Body Heat – Eine heißkalte Frau – 1981; Heaven's Gate – 1980; 1941 – Wo bitte geht's nach Hollywood – 1979) verschwindet den halben Film unter einer Maske und kann kaum sprechen. Aber mit dem ersten Blick seiner traurigen Augen greift er uns mitten ins Herz. So, wie die erschreckende Deformation nicht das Gute in seinem Herzen verbergen kann, kann sein schönes Gesicht in der zweiten Filmhälfte nicht den Zorn verbergen, der ihn treibt.
Ellen Barkin ist das genaue Gegenteil. Die 35-jährige Schauspielerin beherrscht von der zugeknöpften, zickigen Staatsanwältin bis zur verführerischen Mordverdächtigen eine enorme Bandbreite in ihrem Spiel (Sea of Love – Melodie des Todes – 1989; "Siesta" – 1987; The Big Easy – Der große Leichtsinn – 1986; "Down by Law" – 1986; Buckaroo Banzai – Die 8. Dimension – 1984; American Diner – 1982). Die Kleinganovin Sunny im vorliegenden Film spielt sie glaubhaft als vulgäre Bordsteinschwalbe mit wunderbar schiefem Grinsen und ohne einen Funken Ehre im Leib. Ihren Partner Rafe spielt mit lustvoll bösem Funkeln im Auge Lance Henrikson, der eine lange Karriere in allen möglichen Genres aufweisen kann, meistens im Bildhintergrund, manchmal mit großen Auftritten, selten können wir ihm vertrauen (Near Dark – Die Nacht hat ihren Preis – 1987; Aliens: Die Rückkehr – 1986; Terminator – 1984; Fliegende Killer – Piranha II – 1982; Damien – Omen II – 1978; Unheimliche Begegnung der 3. Art – 1977; Network – 1976; Hundstage – 1975). Als Rafe bringt er keinen normal intonierten Satz zustande. Sein Reden ist unablässiges Fauchen, Knurren und Brüllen – und das bereitet ihm offenbar viel Freude.
Die Prinzessin in diesem dunklen Märchen ist das einfache Mädchen mit der großen Brille aus der Lohnbuchhaltung, die sich von einem Ex-Liebhaber erpressen lässt, der ab und zu was aus der Werkstatt mitgehen lässt, nichts Großes, aber schon aus dessen Umklammerung kann sie sich allein nicht lösen und bietet damit dem möglichen Prinzen auf dem Weg aus dem Fegefeuer eine erste Chance der Läuterung. Elizabeth McGovern (She's Having a Baby – 1988; "Das Schlafzimmerfenster" – 1987; Es war einmal in Amerika – 1984; Eine ganz normale Familie – 1980) spielt die Lohnbuchhalterin als entzückendes Mauerblümchen, das überzeugt ihre Chance ergreift und sich den Glauben an das Gute im Menschen nicht machen lässt. Auch nicht von so einem zynischen Cop wie Lt. Drones, der solange im Geschäft ist, dass es ihm nicht mehr gelingt, einem Häftling gegenüber nur einen freundlichen Satz zu sprechen. Morgan Freeman (Brubaker – 1980) ist in dieser Rolle das Gegenteil des Charakters, den er, auch in diesem Jahr, in Miss Daisy und ihr Chauffeur spielt (in Deutschland statt der Film im kommenden Frühjahr). Freemans Cop ist einer, der sich am Scheitern der Entlassenen freut, weil er dann Recht behalten hat.
Alle Charaktere Figur sind verschoben. Sie handeln nie rational, ausschließlich emotional in einer Welt, die ebenso leicht verschoben ist, in der das Neon grell leuchtet und die Abgründe tiefschwarz sind. Weil "Johnny Handsome" nie vorgibt, mehr als ein B-Movie-Noir sein zu wollen, geht der Film ans Herz.