Über vierzig Jahre erstreckt sich die Geschichte von Freundschaft, Verrat und Rivalität zwischen Noodles und Max: Bereits als Kinder schlugen sie sich in einer Gang mit Erpressungen und Schmugglereien durchs Leben.
Jahre später – die Prohibition verbietet Verkauf und Verzehr von Alkohol – ist aus den kleinen Gaunereien ein florierendes Geschäft geworden – Max' und Noodles' Speak Easy im Hinterzimmer von Fat Moe's ist der Geheimtipp der trinkenden Stadt New York; liebevoll in Ruhe gelassen von den Augen des Gesetzes, die dafür ihren Anteil am Gewinn eerhalten. Aber am Horizont droht das Ende der profitablen Geschäfte: Die Prohibition soll beendet werden.
Noodles würde sich dann gerne zurückziehen aus dem illegalen Milieu. er träumt davon, endlich um Deborah werben zu können, die Schwester von Moe, die eine Karriere auf der Bühne anstrebt und Noodles einst als einzig liebens- und achtenswerten Jungen bezeichnet hat, der aber leider stinkt wie zehn Mülleimer und sich mit einer Horde Ganoven abgibt, anstatt etwas Anständiges aus seinem Leben zu machen. Das Anständige wäre jetzt, mit den Gewinnen aus der verbotenen Bar, möglich und kurz scheint es, als stehe dem Glück mit Deborah nichts mehr im Wege.
Noodles, Max sowie ihre Freunde Patsy, Cockeye und Chicken Joe hatten einst einen Pakt geschlossen: 50 Prozent aller Gewinne kommen in einen Koffer in einem Schließfach im Bahnhof – den Schlüssel verwahrt Moe, der ihn nur herausgibt, wenn alle fünf ihn zusammen abholen.
Dann werden, bei einem Einbruchsversuch, Max, Patsy, Cockeye von der Polizei erschossen; sie wurden offensichtlich verraten und weil Noodles nicht tot im Regen liegt, fällt der Verdacht auf ihn. Er versteckt sich vor den Killern, die den Verräter töten wollen und will mit dem Koffer aus dem Schließfach fliehen – aber der Koffer ist leer. Noodles kauft sich ein ticket für den erstbesten Bus raus aus der Stadt.
35 Jahre bleibt er versteckt. Dann lockt ihn eine Einladung zurück in sein altes Viertel; Noodles riecht eine Falle, ist aber viel zu neugierig herauszufinden, wer ihn eingeladen hat, wer damals seine freunde ans Messer geliefert hat, wer die Millionen aus dem Schließfach geholt hat. Er quartiert sich in Moes alter Bar ein und erinnert sich
Einsamkeit und falsche Entscheidungen, wahre und falsche Freundschaft und die Entstehung einer Nation – Sergio Leone hat sich für den letzten Teil seiner Amerikatrilogie (Todesmelodie – 1971; Spiel mir das Lied vom Tod – 1968) viel vorgenommen. Und "Once upon a time in America" ist – im zweiten Anlauf – das große Meisterwerk geworden, das die Fans des Italieners erhofft hatten.
Einsamkeit und falsche Entscheidungen. So wie Noodles beharrlich einsam, sich um sein Fortleben nicht scherend, durch seine Geschichte wandelt, so beharrlich einsam muss sich Leone gefühlt haben. Sein 40 Jahre umspannendes Epos erzählt er verschachtelt auf drei Zeitebenen. Im ersten Anlauf hatte das Studio ihn gezwungen, den Film chronologisch umzuschneiden und stark verkürzt ins Kino zu bringen. Das nahm dem Film seine Statik, ließ ihn als bloße Aneinanderreihung von schön fotografierten Szenen erscheinen; der Film floppte grausam („Der schlechteste Film des Jahres", schimpften Kritiker). Es folgte die dreieinhalb-Stunden-Version mit den verschachtelten Zeitsprüngen – jetzt glühte der Film und mit ihm die Fans („Der beste Film des Jahrzehnts" jubelten die Kritiker). Auf Blu-ray erschien Jahre später eine restaurierte Fassung, die nochmal rund zwanzig Minuten länger (251 Minuten) ist; auch die ist nicht zu lang.
In Leones Film ist alles analog. Die Straßenzüge des New York der frühen 1930er Jahre, der zur Ikone gewordene Blick auf die Brooklyn Bridge mit den jungen Gang-Mitgliedern, sind detailverliebte, gemäldeartige Meisterwerke. Die Musik von Ennio Morricone geriet zum Ohrwurm. In „Es war einmal in Amerika" führt ein Mann Regie, der seine Fäden jederzeit in der Hand behält, der immer weiß, wo in seiner Story er sich befindet, wohin er will, woher er kommt.
Die Leistungen der (meisten) Schauspieler, vor allem Robert de Niro ("King of Comedy" – 1982; "Wie ein wilder Stier" – 1980; Die durch die Hölle gehen – 1978; New York, New York – 1977; Der letzte Tycoon – 1976; 1900 – 1976; Taxi Driver – 1976; Der Pate II – 1974; Hexenkessel – 1973), ist großartig – allein, weil sie ihren jeweiligen Charakter über eine so lange Strecke interpretieren mussten und die Maskentechnik noch nicht so perfekt war, wie in späteren Jahrzehnten – dass ausgerechnet James Woods, der Noodles' Freund und Widerpart Max spielt, in seinem Spiel hölzern bleibt, sich allein auf seinen stechenden Blick verlässt und damit das Gesamtwerk in Schieflage bringen könnte, ist schade; aber der Film steckt das dann klaglos weg, weil Sergio Leone sein Kunstwerk (in den restaurierten Fassungen) immer in Balance hat und sich nie auf einen Einzelaspekt verlässt. Auch wenn ein Schauspieler in Großaufnahme glänzt, gilt Leones Aufmerksamkeit zusätzlich noch dem Detail im unscharfen Hintergrund, weil es dazu gehört; wenn ein Schauspieler stockt, bietet die Szene mehr, als nur den Schauspieler. Sowas nennt man Gesamtkunstwerk.
Als junge Deborah, die als Erwachsene von der wunderbaren Elizabeth McGovern in schicksalsumflorter Romy-Schneider-Interpretation gegeben wird, sehen wir die hinreißend schöne, 14-jährige Jennifer Connely in ihrer ersten großen Rolle. Sie machte in der Folge Karriere mit Filmen wie Die Reise ins Labyrinth (1986), "Hot Spot" (1990) oder Rocketeer (1991), wurde zeitweise Darren Aronofskys Muse in "Requiem for a Dream" (2000) und Noah (2014) und verhalf als integrer Betty Ross der Comicverfilmung Hulk (2003) zu etwas echtem Leben (Ich bin womöglich voreingenommen, was ihre Kunst betrifft; ich sah sie zum ersten mal in Labyrinth, wo sie David Bowie bekämpft und glaube seitdem, dass sie zu den schönsten Frauen der Welt zählt).
"Once upon a time in America" war – damals in seiner verstümmelten Version – nicht für einen einzigen Oscar nominiert. Das ist schon bizarr: Die Studios halten ein Meisterwerk in den Händen – das auf den ersten Blick und in der damaligen Kinozeit ein wenig aus der Zeit gefallen wirkt – das in der Lage gewesen wäre, den 12-Oscars-Rekord von William Wylers Ben Hur einzustellen, und machen ihn kaputt.
Die Distributionsgeschichte von "Once upon a time in America" gilt zu Recht als Negativbeispiel bei all jenen, die dem Studiosystem misstrauisch gegenüberstehen. Die Einnahmen blieben desaströs, die Zahlen hinter diesem Film bescheiden.
Sergio Leones Amerika-Trilogie
- Spiel mir das Lied vom Tod (1968)
- Todesmelodie (1971)
- Es war einmal in Amerika (1984)