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Plakatmotiv: Im Tal von Elah (2007)

Melancholischer Abgesang auf
die Ideale der westlichen Welt

Titel Im Tal von Elah
(In the Valley of Elah)
Drehbuch Paul Haggis & Mark Boal
Regie Paul Haggis, USA 2007
Darsteller

Tommy Lee Jones, Charlize Theron, Jonathan Tucker, Jason Patric, Susan Sarandon, James Franco, Barry Corbin, Josh Brolin, Frances Fisher, Wes Chatham, Jake McLaughlin, Mehcad Brooks, Wayne Duvall, Roman Arabia, Brent Briscoe, Greg Serano, Brent Sexton, Devin Brochu u.a.

Genre Krimi, Drama
Filmlänge 121 Minuten
Deutschlandstart
6. März 2008
Inhalt

Der ehemalige Militär-Polizist Hank Deerfield versucht seit Tagen, Kontakt zu seinem Sohn Michael aufzunehmen, der erst vor kurzer Zeit von seinem Irak-Einsatz in seine Einheit zurückkehrte. Als dieser verschwunden bleibt, fährt er spontan zu dessen Militär-Stützpunkt, um sich vor Ort auf die Suche nach ihm zu machen, während seine Frau zu Hause bleibt.

Er wird von Michaels Kameraden zwar freundlich begrüsst, aber weiterhelfen kann ihm niemand. Auch die örtliche Polizei hat keine Lust, sich mit der Vermisstenanzeige eines Soldaten zu beschäftigen. Erst als plötzlich eine stark verstümmelte Leiche, die eine Vielzahl von Stichwunden aufweist, entdeckt wird, beginnen die Verantwortlichen sich mit Deerfields Fall zu beschäftigen …

Was zu sagen wäre

Es geht abwärts mit der Gesellschaft, mit den USA. Jeder ist sich selbst der nächste, der Flaggenappell ist zu einem Hausmeisterjob verkommen, für den man nur noch Leute von auswärts, wie den Hausmeister aus El Salvador, bekommt und der hängt die Flagge prompt verkehrt herum auf: „Das ist ein internationales Notsignal. Es bedeutet, uns steht das Wasser bis zum Hals! Rettet unsere Ärsche! Wir können uns nicht mehr selber helfen!“ Und davon, ist Ex-Sergeant Hank Deerfield überzeugt, sind wir hier weit entfernt. Also zeigt er dem Hausmeister aus El Salvador, wie die Flagge korrekt hängt. Denn Hank Deerfield ist überzeugt von seinem Land, glaubt an die Rechtmäßigkeit jedes seiner Entscheidungen. Deshalb hat er seine beiden Söhne diesem Land gegeben, auf dass die dessen Glorie in die Welt, einst nach Afghanistan, eben in den Irak tragen. Seinen älteren Sohn hat Afghanistan dann behalten, er fiel dort.

Sein jüngerer Sohn Michael ist gerade aus dem Einsatz im Irak zurück und jetzt verschwunden; nach einem Einsatz in einem Krieg, der ausgerufen wurde, nachdem Hanks Regierung vor der UNO falsche Beweise für Massenvernichtungswaffen im Irak vorgelegt hatte; nach einem Krieg, den zuhause keiner ernst nimmt. Den Tod des Älteren hat Hank als stolzer Vater hingenommen – so ist das halt, wenn sich Dein Land im Krieg befindet. Aber jetzt, bei seinem jüngeren Sohn, stört ihn Manches gewaltig und er fängt an zu recherchieren.

Regisseur und Autor Paul Haggis (L.A. Crash – 2004) führt uns in eine Welt, in der die Begriffe Zusammenhalt, Gemeinschaft, Loyalität individuell täglich neu vermessen werden. Jeder versucht, sein Schäfchen ins Trockene zu bringen. Das Militär als eigentlich letzte Verteidigungslinie des Landes, ist mehr damit beschäftigt Drogenkonsum und Prostituierten-Sex der eigenen Soldaten aus der Öffentlichkeit raus zu halten. Kameraden stehen so eng zusammen, dass Mord oder Totschlag eines der ihren unter den Teppich gekehrt werden. Hank lernt eine zynische Lektion, nämlich dass sein Sohn „die letzten 18 Monate Demokratie in ein verdammtes schwarzes Loch gebracht und seinem Land gedient“ hat, und das nun niemanden interessiert – die eigenen trockenen Schäfchen sind wichtiger, die Schäfchen anderer machen auf der eigenen Weide, sprich auf dem Stützpunkt, im Polizeirevier – nur Probleme.

Paul Haggis geht seine Erzählung langsam an und hat in Tommy Lee Jones als Vater Hank den richtigen Darsteller ("No Country for Old Men" – 2007; Robert Altman's Last Radio Show – 2006; Space Cowboys – 2000; Rules – Sekunden der Entscheidung – 2000; Doppelmord – 1999; Auf der Jagd – 1998; Men in Black – 1997; Volcano – 1997; Batman Forever – 1995; Natural Born Killers – 1994; Der Klient – 1994; "Explosiv – Blown Away" – 1994; Zwischen Himmel und Hölle – 1993; Auf der Flucht – 1993; Alarmstufe: Rot – 1992; JFK – Tatort Dallas – 1991; Airborne – 1990; "Black Moon" – 1986; "Die Augen der Laura Mars" – 1978). Jones gibt dem Film das Tempo vor. Wie ein Dirigent vor seinem Orchester gleitet er mal schwerblütig, mal hitzköpfig durch den Plot und alle anderen – Cast, Regie, Kamera – folgen. Seinetwegen verpuffen auch alle zynischen Erkenntnisse nach dem Motto Ja und? Wissen doch alle! wie Maiskörner in der Mikrowelle. Im Kinosessel lesen wir in Tommy Lee Jones' Gesicht die Verzweiflung über die Erkenntnis, wie sinnlos all die Kriege und die Gewalt sind. Plakatmotiv (US): In The Valley of Elah (2007) Mit Jones schafft es Haggis, nicht im Plakativen zu erstarren. Es wäre einfach, mit dem Zeigefinger zu fuchteln und sich Applaus abzuholen. Aber davor setzt er eine verschnarchte Polizeistation, deren Chef am liebsten keinen Ärger mit dem Bürgermeister haben will – und ein ein toter Soldat in der eigenen Gemarkung bedeutet Ärger pur; deswegen ist die Station ganz froh, dass der tote Soldat, wie sich herausstellt Hanks Sohn, gerade passend ein paar Meter jenseits der Gemarkung auf Militärgelände gefunden wurde

Es sitzen da lauter Männer in der Polizeistation. Übergewichtige Männer. Und eine Frau, die jung ist, ambitioniert und alleinerziehend. Aber die Fälle bekommt, bei denen etwa eine Ehefrau beklagt, dass ihr Kerl den Dobermann erwürgt habe. Sie, gespielt von der beeindruckend uneitlen Charlize Theron, wird zur heimlichen Heldin des Films ("Kaltes Land" – 2005; The Italian Job – Jagd auf Millionen – 2003; Im Bann des Jade Skorpions – 2001; 15 Minuten Ruhm – 2001; Sweet November – Eine Liebe im Herbst – 2001; Die Legende von Bagger Vance – 2000; Men of Honor – 2000; The Yards – Im Hinterhof der Macht – 2000; Wild Christmas – 2000; Gottes Werk & Teufels Beitrag – 1999; Die Frau des Astronauten – 1999; Mein großer Freund Joe – 1998; Celebrity – Schön, reich, berühmt – 1998; Im Auftrag des Teufels – 1997; That Thing You Do! – 1996; 2 Tage in L.A. – 1996). Den fetten alten Kerlen, die der Bequemlichkeit halber am liebsten den Status Quo schützen wollen, also unter Haggis' Regie den aktuellen Zustand der USA verkörpern, stellt er die junge ambitionierte Frau gegenüber, die die Männer kriminaltechnisch in die Tasche steckt. Damit das nicht zum Klischee zerrinnt, gibt Haggis einem der Polizisten, die bislang nach dem Motto „Betrunkene einsammeln, Däumchen drehen und nicht zu viele Fragen stellen“ gearbeitet haben, eine Lernkurve. Der sieht irgendwann, dass die junge Kollegin ordentliche Polizeiarbeit leistet, die auch er einst auf der Schule gelernt hat, und arbeitet ihr – ohne weitere Kommentare – einfach zu.

In Haggis' Film kämpfen der alte Traum des Amerika mit Chancen für alle, verkörpert durch Hank, und das junge Amerika, das sich jeden Tag aufs Neue durchwurstelt, aber nie aufgibt, verkörpert durch Detective Emily Sanders, gegen verfettete Strukturen. Während sich nach und nach das mustergültige Bild, das sich Hank von seinem Sohn gemacht hatte, auflöst, bringen wiederholte Befragungen von Mikes Kameraden die banale Lösung des Mordfalls ans Licht: Belanglose Streitigkeiten, Alkohol und andere Drogen haben dazu geführt, dass einer der Irakheimkehrer Mike tötete; zwei weitere Kameraden halfen bei der Beseitigung und Zerstückelung der Leiche. Ein Kamerad bringt es gegenüber Hank auf den Punkt: „Ich hab's gehasst, im Irak zu sein. In scheiß Zelten zu schlafen. Keine Toiletten, keine Duschen. Und wir hatten kein Toilettenpapier. Man musste die Hand nehmen. Ich wollte nur schnell wieder da raus. Aber nach zwei Wochen hier wäre ich am liebsten wieder zurück.“ Im Irak hat man den Feind wenigstens identifizieren können.

Dahinter gerät eine persönliche Schuld Hanks beinahe in den Hintergrund: Sein Sohn Mike hat im Einsatz ein irakisches Kind überfahren, das ihm vor den Humvee lief; die Soldaten hatten Anweisung, aus Sorge vor Hinterhalten nicht zu bremsen, wenn etwas vor ihr Auto geriet. Nach dem Einsatz rief Mike seinen Vater an und sagte ihm, dass etwas Furchtbares passiert sei und er nach Hause wolle. Aber Hank als harter Ex-Militärsergeant riet seinem Sohn zum Durchhalten – ohne jede Ahnung, was passiert war.

Im Tal von Elah trafen einst der Philister Goliath und der Israelit David aufeinander und der kleine David entschied das Duell gegen den übermächtigen Goliath mit einer Steinschleuder für sich. Der Film gleichen Titels ist eine melancholische Zustandsbeschreibung der westlichen Zivilisation des 21. Jahrhunderts, der die gemeinsamen Ziele verloren gegangen sind – Wozu braucht man die auch? Man hat doch alles! Womöglich nicht: Hank, der glühende Amerikaner, der seinem Land zwei Söhne geopfert hat, hisst im Schlussbild die Stars-and-Stripes. Verkehrt herum.

Wertung: 6 von 7 €uro
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