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Plakatmotiv: Maleficent: Mächte der Finsternis (2019)

Disneys böse Königin schickt
Waldelfen in die Gaskammer

Titel Maleficent: Mächte der Finsternis
(Maleficent: Mistress of Evil)
Drehbuch Linda Woolverton & Micah Fitzerman-Blue & Noah Harpster
nach Motiven des Märchens "La Belle au bois dormant" von Charles Perrault
Regie Joachim Rønning, USA, UK 2019
Darsteller

Angelina Jolie, Elle Fanning, Harris Dickinson, Michelle Pfeiffer, Sam Riley, Chiwetel Ejiofor, Ed Skrein, Robert Lindsay, David Gyasi, Jenn Murray, Juno Temple, Lesley Manville, Imelda Staunton, Judith Shekoni, Miyavi Miyavi u.a.

Genre Fantasy, Abenteuer
Filmlänge 119 Minuten
Deutschlandstart
17. Oktober 2019
Inhalt

Prinzessin Aurora ist kein kleines Mädchen mehr, sondern eine erwachsene Frau, die bald Prinz Philipp heiraten soll und zur Königin gekrönt wird. Zusammen mit der Fee Maleficent pflegt und schützt sie die magischen Moore und kümmert sich um das Waldkönigreich, um es so zu erhalten, wie es immer war.

Die Fee ist glücklich und hat mit ihrer schrecklichen Vergangenheit abgeschlossen. Als allerdings Königin Ingrith, Aurora zukünftige Schwiegermutter, ins Leben von Maleficent tritt, ist das friedliche Miteinander im Königreich in Gefahr.

Denn obwohl durch die bevorstehende Hochzeit das Königreich Ulstead mit dem Reich der Moore zusammengeführt werden soll, besteht zwischen den Menschen und den Feen noch immer Konfliktpotenzial. Als dann noch eine neue dunkle Macht aufzieht, steht Maleficent und Aurora ein großer Kampf bevor, der alles zerstören könnte, was sie sich aufgebaut haben …

Was zu sagen wäre

Man könnte es kurz machen: Fortsetzung, selbes Spiel mit dem Bösen, das Schwarz und Gut ist gegen das Gute, das Weiß und Böse ist. Klassisches Wir-setzen-noch-einen-drauf-Kino. Disney beherrscht das ja perfekt. Mit fantastischen Landschaften, knuddligen Charakteren, eleganten Visual Effects, stolzen Kämpfern und einem Orchester, das für den Score die Bläser von der Leine lässt. Lohnt sich das? Wenn man den ersten gesehen hat, kann man den zweiten gut gucken. Wenn man den ersten nicht kennt, ist der zweite sogar aufregender.

Seit Maleficent (2014) wissen wir, das die böse Fee gar nicht böse ist, sondern von bösen Königen – Männern – hintergangen wurde und dass Ihr Fluch gegen Dornröschen einen ganz anderen Hintergrund hat, als wir das aus alten Zeichentrickfilmen und Märchenerzählungen kennen. Der zweite Maleficent-Film hat den Vorteil, keine bekannte Geschichte in eine neue Perspektive umkonstruieren zu müssen. Er kann eine eigene Geschichte erzählen und kann die Grundmotive des Vorgängers erweitern. Auch wenn also eine düstere Angelina Jolie von den Plakatmotiven finstert, auf denen im Original "Mistress of Evil" leuchtet, ist es nicht die schwarze Fee, die hier die Herrscherin des Bösen ist. Tatsächlich ist Angelina Jolie hier die Mistress of Good (Maleficent – Die dunkle Fee – 2014; The Tourist – 2010; Salt – 2010; Wanted – 2008; Der fremde Sohn – 2008; "Die Legende von Beowulf" – 2007; Mr. & Mrs. Smith – 2005; "Alexander" – 2004; Sky Captain and the World of Tomorrow – 2004; Lara Croft – Tomb Raider: Die Wiege des Lebens – 2003; Original Sin – 2001; Lara Croft: Tomb Raider – 2001; Nur noch 60 Sekunden – 2000; Durchgeknallt – 1999; Der Knochenjäger – 1999; Leben und lieben in L.A. – 1998).

Tatsächlich ist es die blonde Michelle Pfeiffer, die als ganz in Weiß gekleidete Königin düstere Intrigen spinnt, ihren Mann, den König, in ewigen Schlaf versetzt und das Reich in einen Krieg zwingt. Die düster anmutende Maleficent möchte eigentlich nur ihren Frieden und Freude in den Moorlanden.

Pfeiffer, die in ihrer Karriere häufig Frauen gespielt hat, die sich ins Leben kämpfen, sich dort behaupten und dann auch noch glücklich werden müssen, spielt nicht zum ersten Mal den typ Böse Schwiegermutter – sie ist jetzt halt in dem Alter – aber diese jüngste Interpretation ist für sie und auch für Disney doch ein Statement (Ant-Man and the Wasp – 2018; Mord im Orient-Express – 2017; Mother! – 2017; Malavita – The Family – 2013; Schatten der Wahrheit – 2000; An deiner Seite – 1999; Tage wie dieser … – 1996; Aus nächster Nähe – 1996; Dangerous Minds – 1995; Zeit der Unschuld – 1993; Batmans Rückkehr – 1992; Frankie und Johnny – 1991; Das Russland-Haus – 1990; Gefährliche Liebschaften – 1988; Tequila Sunrise – 1988; Die Mafiosi-Braut – 1988; Die Hexen von Eastwick – 1987; Kopfüber in die Nacht – 1985; Scarface – 1983; Grease 2 – 1982).

Es spielen schon auch noch die Frauen emanzipieren sich von ihren albernen Männern/Herrschern/Königsdarstellern-Motive mit, mit denen der erste Maleficent-Film vor fünf Jahren überraschte, als die Disney-Company endlich mal zugestand, dass die Frauenfiguren in seinen Zeichentrickmärchen die viel spannenderen Charaktere sind. Auch der Prinz Philipp, den die schöne, aufregende, kluge Aurora (ehemals Dornröschen) jetzt heiraten will, ist ein ausgemachter Langeweiler, aber sie liebt ihn; halten wir uns da also einfach raus.

In "Mistress of Evil" geht es aber in erster Linie um den Anspruch auf Macht und die Absicherung der Herrschaft. Darin ist er höchst aktuell und politisch. Da erklärt die Königin und Schwiegermutter der entsetzten Aurora, kurz bevor sie sie in die tiefsten Kerker werfen lassen will, dass sie all die Intrigen und Lügen um das Monster in den Mooren gesponnen habe, um Furcht zu verbreiten, um das eigene Volk gefügig zu machen, gegen die Monster in den Mooren in Stellung zu bringen und die eigene Macht abzusichern. Zu diesem Zeitpunkt sind in unterirdischen Laboren Mixturen durch Experimente mit lebenden Moorbewohnern entstanden und hat die Königin alle Moorbewohner – Feen, Bäume, Trolle, Zwerge – , die glauben, gleich einer prunkvollen Hochzeit beizuwohnen, in eine Kirche eingeschlossen und sie mit jener Mixtur beschießen lassen, die die Moorbewohner bei Berührung umstandslos auflösen. Diese Erzählung hat es im Kino schon gegeben, dass Menschen in eine Kirche eingeschlossen und dort verbrannt werden, das ist ein Motiv allerdings, dass auf ein Kriegsverbrechen der Nationalsozialisten zurückgeht; und wenn diese neblige Mixtur die Kirche schießt, erinnert das an aus einem Duschkopf strömenden Gas.

Das Fremde dämonisieren, um Angst davor zu schüren, ist ein verbreitetes Hobby bei Potentaten, nicht nur jenen aus brauner deutscher Vergangenheit. Aktuell betreiben das Spiel Potentaten unter anderem in Ungarn, Polen, der Türkei, in Italien, England, Brasilien – und natürlich in den USA, wo Präsident Donald Trump gegen Journalisten als „Volksfeinde“ hetzt und Flüchtlinge aus dem Süden als „Vergewaltiger“ und „schlechte Menschen“ bezeichnet. Solcherart Politisierung gab es im Abenteuerkino, bei Star Wars, in vielen Kriegsfilmen.

Aber in einem Märchenfilm, in dem sonst Drachen Menschen verbrennen, Kobolde Prinzessinnen bedrohen und allerlei schlimme Dinge passieren können, ist diese politische Metapher unterentwickelt. Das Maleficent-Muster aber, wonach Weiß Schwarz und Schwarz Weiß ist, macht einiges mögliches. Das strahlende Königreich mit seinen hübschen Schlössern und fröhlichen, weißen, blonden Menschen ist ein Hort ekliger Intrigen, Heimstadt von Lüge, Verrat und Mord. Während in der Wildnis eine herzensgütige dunkle Fee lebt, dazu – unter der Erde – ein Volk von von Menschen geknechteten Opfern, und anderen süßen Knuffis, die dann von Menschen für Tierversuche missbraucht werden.

Die konsequente Verdrehung der Sehgewohnheiten und Disneys damit einhergehende Positionierung sind spannend. Der Film als solches ist großartig anzuschauen.

Wertung: 6 von 8 €uro
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