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Plakatmotiv: Encanto (2021)

Ein Film in prachtvollen Farben,
aber ohne weitere Höhepunkte

Titel Encanto
(Encanto)
Drehbuch Charise Castro Smith & Jared Bush & Byron Howard & Charise Castro Smith & Jason Hand & Nancy Kruse & Lin-Manuel Miranda
Regie Jared Bush + Byron Howard + Charise Castro Smith, USA, Kol. 2021
Stimmen

Stephanie Beatriz, Magdalena Turba, John Leguizamo, Nico Mamone, Cecilia Botero, Monica Bielenstein, Diane Guerrero, Yvonne Greitzke, Jessica Darrow, Lo Rivera, Angie Cepeda, Carolina Vera, Wilmer Valderrama, Viktor Neumann, Carolina Gaitán, Cathlen Gawlich, Mauro Castillo, Tommy Morgenstern, Adassa, Anita Hopt, Rhenzy Feliz, Alvaro Soler, Ravi-Cabot Conyers, Artur Lacdao u.a.
aufgeführt sind Stimmen der US- und der deutschsprachigen Version

Genre Trickfilm
Filmlänge 102 Minuten
Deutschlandstart
24. November 2021
Website disney.de/encanto
Inhalt

Die Madrigals sind eine ganz besondere Familie! In der Idylle der Berge Kolumbiens lebt sie in einem magischen Haus, das mit wundervollen Klängen und jeder Menge unerwarteter Zaubereien für Überraschungen sorgt. Aber nicht nur das Haus sprüht voller Magie, sondern auch die Bewohner selbst.

Alle Mitglieder der Familie Madrigal besitzen außergewöhnliche Fähigkeiten. Während einige Heilzauber anwenden können, sind andere übermenschlich stark oder können sich in jede Person verwandeln, die sie sein wollen. Nicht zu vergessen, die Fähigkeit mit Tieren zu sprechen.

Nur die schüchterne Mirabel sticht durch ihre Normalität aus der Familie heraus. Als einziges Familienmitglied hat sie sich damit abgefunden, dass die fehlende Magie sie zu einem besonderen Fall macht. Für Mirabel wird die Talentlosigkeit jedoch zum wichtigen Schlüssel, als sie ihr Zuhause und ihre Familie retten und über sich hinauswachsen muss …

Was zu sagen wäre

In einer Welt voller Supermenschen ist der eine ohne besondere Kräfte der Besondere, oder – in diesem Fall – die Besondere. Wo Wunder der Normalfall sind, ist das Normale das eigentliche Wunder. Mirabel ist eine junge Frau mit Wuschelkopf, großrandiger Brille, gesegnet mit einer charmanten Tollpatschigkeit inmitten einer Familie, deren andere Mitglieder mit besonderen gaben gesegnet sind. Schwester Luisa ist superstark, Schwester Isbala kann Rosen in allen Farben des Regenbogens blühen lassen, die eine Tante hört sogar das Husten der Flöhe und Mama kann blutende Wunden wieder schließen. In dieser Familie sucht Mirabel ihren Platz.

Sie ist noch jung, muss sich noch finden, ist noch dabei, ein Selbstbewusstsein zu entwickeln. Wir sind im Hause Disney zu gast und da ist das Credo dieses Bewusstseins keine Überraschung: Sei Du selbst. Sei, wie Du ist. Nur als Du selbst bist Dun Teil der Gemeinschaft. Disney verlegt diesen Weg der Erkenntnis heuer nach Südamerika, nach Kolumbien, wo die Werte von Familie und Zusammenhalt noch höher hängen, als im modernistisch abgewohnten Westen, in dem zunehmend Jeder gegen Jeden faucht. Von mehr als Familie und Zusammenhalt erzählt der Film dann aber auch nicht. "Encanto" ist eine Ansammlung bunter Szenen, in denen Menschen miteinander sprechen, unvermittelt in Gesangausbrechen und am Ende wieder normal sprechen. Währenddessen werden acht Esel huckepack genommen, gebrochene Arme geheilt, auf Tigern geritten und Rosen verstreut. Dann bekommt das Haus der Familie, das auch ein bemerkenswertes Eigenleben führt, Risse und droht einzustürzen. Man weiß nicht wieso, aber Mirabel, die Normale unter den Gebenedeiten, kommt auf die Idee, der drohenden Katastrophe auf den Grund zu gehen, denn wenn das Haus stirbt, stirbt auch das Dorf, was wiederum mit der Geschichte der gestrengen Großmutter Abuela zusammenhängt, mit der die Wunder einst Einzug hielten in dieser einst unwirtlichen Gegend in den bewaldeten Bergen Kolumbiens.

Die anderen Familienmitglieder sind so damit beschäftigt, sich für unersetzlich zu halten und dauernd überall Hilfsbedürftigkeit zu erkennen, dass sie nicht sehen. Mirabel hingegen, die gerne unersetzlich wäre, sieht was passiert und macht sich auf den Weg. Dieser Weg ist allerdings keine Heldenreise in die Tiefen des Dschungels, sondern durch die Wände des bröselnden Hauses, in denen sie einer Prophezeiung auf die Spur kommt, die mit ihrem verschollenen Onkel Bruno zusammenhängt, der natürlich gar nicht so verschonen ist, wie alle glauben wollen. Erst, als sie nacheinander alle Familienmitglieder gegen sich aufgebracht hat, erst, als alle Welt glaubt, Mirabel selbst sei Schuld an der einstürzenden Welt, da erkennt Mirabel ihre wahre Gabe und – das darf verraten werden – rettet die Welt, also ihr aller Encanto, ihren Zauber.

Die Disneystudios bemalen den überschaubaren Plot mit fantastischen Bildern. Wieder verschieben die Animatoren des Studios Grenze des visuell Machbaren ein wenig nach hinten. Auch ohne 3-D-Brille wirken die Figuren dreidimensional. Wie speziell Mirabel allein mit ihren Augen Stimmungen und Gefühle transportiert, unterstreicht die hohe Kunst der Designer, Grafiker – Künstler. Wenn auch im Kinosessel kaum einmal Zeit bleibt, das Gesehene auch wirklich zu bewundern. Ganz auf die Aufmerksamkeitsspanne der jungen, durch Instagram und TikTok sozialisierten Zielgruppe zugeschnitten, hecheln die Bilder in rasantem Tempo über die Leinwand. Dass die Figuren dabei immer wieder in Gesang ausbrechen, ist wahrscheinlich dem Geist der frühen Disney-Filme geschuldet, stört aber mehr, als dass es unterhält. Zumal keiner der Songs Hit-Qualitäten hat. Sie gehen zum einen Ohr rein, zum anderen wieder raus. Als Untermalung für kurze TikTok-Filmchen wird sie eher niemand einsetzen wollen.

"Encanto" ist ein gefälliger Film, gegen dessen Botschaft, Egal, wer Du bist, egal, wie Du bist, Deine Familie liebt Dich, niemand etwas sagen kann; die aber zum Kanon nahezu aller Filme aus dem Hause Disney zählt und von dort aus auch schon mit größerer Leidenschaft transportiert wurde, als in diesem Film, der ohne große Spannung auf der Stelle tritt, auch, weil ihm ein Antagonist fehlt, das Böse, das die Helden herausfordert (und im Finale dann in moderne Flammen stürzen) und über sich hinaus zur Selbsterkenntnis wachsen lässt. Unsere Heldin, deren geheime Superkraft es im Disneykosmos, ist, ohne Liebesgeschichte auskommen zu können, ohne einen Jungen, dem es heimlich hinterher singen muss, hat als Gegenspieler nur die Liebe ihrer Familie, die es zu umarmen, zu hinterfragen und zu definieren gilt. Das ist als Metapher ganz schön, gibt als Bossgegner aber visuell wenig her.

Wahrscheinlich konnten sich die Designer des Studios deshalb so beeindruckend im Drumherum austoben.

Wertung: 4 von 8 €uro
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