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Plakatmotiv: The last Duel (2021)

Grandios inszenierte Bilder über
die Selbstermächtigung der Frau

Titel The last Duel
(The last duel)
Drehbuch Nicole Holofcener & Ben Affleck & Matt Damon
nach dem Buch "The Last Duel: A True Story of Trial by Combat in Medieval France" von Eric Jager
Regie Ridley Scott, USA, UK 2021
Darsteller

Matt Damon, Adam Driver, Jodie Comer, Harriet Walter, Ben Affleck, Alex Lawther, Marton Csokas, William Houston, Oliver Cotton, Aurélien Lorgnier, Nathaniel Parker, Tallulah Haddon, Bryony Hannah, Thomas Silberstein, Adam Goodwin, Ian Pirie, Daniel Horn, Michael McElhatton u.a.

Genre Drama
Filmlänge 152 Minuten
Deutschlandstart
14. Oktober 2021
Inhalt

Frankreich im 14. Jahrhundert: Marguerite de Carrouges beschuldigt Jacques Le Gris, sie vergewaltigt zu haben. Ihr Mann, der Ritter Jean de Carrouges, bringt die Klage vor seinen Fürsten Pierre d'Alençon. Der ist aber eng mit Le Gris verbandelt und will die Sache unter den Tisch kehren.

D'Alençon weist den Anspruch ab, verkündet, dass Marguerite die Vergewaltigung nur geträumt habe. So sieht de Carrouges nur eine Chance und fordert vor dem jungen französischen König ein Duell zwischen ihm und Le Gris auf Leben und Tod. Dieses soll nach alter und eigentlich schon lange nicht mehr ausgeübter Tradition über die Wahrheit entscheiden.

Denn der Glaube ist, dass Gott demjenigen, der die Wahrheit spricht, zum Sieg verhelfen wird. Dabei riskiert er aber nicht nur sein eigenes Leben, sondern auch das seiner Frau. Wenn Jean verliert, wird sie wegen falscher Anschuldigungen auf dem Scheiterhaufen verbrannt …

Was zu sagen wäre

Wenn in einem Film von Ridley Scott vernarbte Männer in metallener Rüstung mit Schwertern aufeinander eindreschen, das Bild auf der Leinwand von kaltem Graublau und Spritzern von Blutrot dominiert wird, dann geht es um den Fall eines Imperiums, um die Herrschaft über das heilige Jerusalem, oder gleich um das Große und Ganze wie etwa die zehn Gebote. Mindestens.

So gesehen geht es in Scotts "The last Duell", in dem wieder vernarbte Männer mit Schwertern in eisernem Harnisch aufeinander einprügeln, um eine Kleinigkeit. Im Vergleich. Nicht mal um den Fall eines Dorfes geht es, die Herrschaftsfrage spielt in dem Film keine Rolle. Und damit hat uns Ridley Scott schon festgenagelt. Denn dieser kalte, blutige Film verhandelt die sexuelle Eigenständigkeit der Frau. Die bis vor wenigen Jahren auf wenig Interesse in der Öffentlichkeit stieß. Rief da eine Frau, sie sei sexuell belästigt, missbraucht, gar vergewaltigt worden, versandete das meist bald, es stand ja Aussage gegen Aussage und wahrscheinlich hat sie's auch irgendwie provoziert. Bis "Me too" kam und mächtige Männer erfuhren, dass es größere Themen gibt, als den Zerfall von Imperien oder die Herrschaft über Jerusalem. Nämlich die Rechte einer Frau.

Dariusz Wolski, seit Prometheus (2012) Ridley Scotts Stammkameramann (für die Kinoleinwand entdeckt übrigens von seinem Bruder Tony für Crimson Tide – 1995), taucht das Drama wieder in fröstelnde Bilder. Blaugrau ist die vorherrschende Farbstimmung draußen in der Welt, während drinnen in den Burgen der Fürsten und edlen Herren sich die Kunst der Renaissance-Maler spiegelt. Seinen ersten Kinofilm, Die Duellisten 1977, dreht Scott vor allem deshalb, weil ihn Gemälde aus der napoleonischen Zeit faszinierten, und er diese eins zu eins auf die Kinoleinwand bringen wollte. Erst danach entstand die Story. Das ist hier anders. die Story treibt den Film, aber die Interieurs mit Licht und Schatten, Staub und blauem Samt, das im Sonnenlicht schimmert, inszenieren Scott und Wolski als grandiose Lookalikes alter Meister. 

Der Film spielt Ende des 14. Jahrhunderts, zwischen 1370 und 1386. Damals war von Frauenrechten noch nicht die Rede: „Formal geht es dabei nicht um die Frau“, sagt ein hoher Geistlicher. „Vergewaltigung ist kein Verbrechen gegen die Frau, sondern gegen den Besitz ihres männlichen Vormunds. Das ist kein Sachverhalt, dessentwegen man ein Duell auf Leben und Tod ausficht!“ Es soll den ein oder anderen Filmproduzenten, Top-Anwalt oder Börsenguru geben, der das auch im Jahr 2021 noch so sieht, aber die Gesellschaft als solche ist im 21. Jahrhundert doch zwei, drei Schritte weiter. Und so geht uns das Schicksal der Marguerite de Carrouges umso näher, steht sie doch allein in einer Welt, in der Frauen lediglich Besitz des Mannes, also rechtlos waren. Nur ihr Mann Jean steht für sie ein. Matt Damon spielt ihn als ungehobelten Kerl, der noch auf der Hochzeit mit dem künftigen Schwiegervater um die Höhe der versprochenen Mitgift feilscht, keinen Charme besitzt, nach 30 Sekunden Hochzeitsnacht von seiner Braut rollt und fragt, ob es sie auch erquicket habe und sich für die Antwort nicht interessiert. Aber er besitzt Ländereien und einen angesehenen Namen, was damals mehr wert war, als sexuelle Erfüllung oder gar Liebe. Und dieser Ritter Jean wird gespielt von Matt Damon. Das heißt, Ritter Jean kann noch so grobschlächtig wirken, im Herzen muss er ein guter Mann sein (Le Mans 66 – 2019; Downsizing – 2017; The Great Wall – 2016; Jason Bourne – 2016; Der Marsianer – 2015; Interstellar – 2014; Monuments Men – 2014; The Zero Theorem – 2013; Elysium – 2013; Liberace – Zuviel des Guten ist wundervoll – 2013; Wir kaufen einen Zoo – 2011; Contagion – 2011; Der Plan – 2011; True Grit – 2010; Hereafter – 2010; Invictus – 2009; Ocean's Thirteen – 2007; Departed – 2006; Ocean's Twelve – 2004; Geständnisse – Confessions of a Dangerous Mind – 2002; Die Bourne Identität – 2002; Ocean's Eleven – 2001; All die schönen Pferde – 2000; Forrester – Gefunden! – 2000; Die Legende von Bagger Vance – 2000; Der talentierte Mr. Ripley – 1999; Dogma – 1999; Der Soldat James Ryan – 1998; Good Will Hunting – 1997; Der Regenmacher – 1997; Chasing Amy – 1997).

Der Film erzählt seine Geschichte drei Mal und ist damit ein entfernter Enkel von Akira Kurosawas "Rashomon – Das Lustwäldchen" von 1950. Ridley Scott erzählt aus drei Perspektiven. Erst aus der von Jean, dann aus der von Le Gris und schließlich aus der Marguerites. Diese Reihenfolge ist zwingend, verwirrt uns aber zunächst. Denn Jean weiß am wenigsten. Der Film erzählt in groben Zeitsprüngen von Jeans Freundschaft zu Le Gris, die unmittelbar in Gegnerschaft und schließlich Feindschaft umschlägt, ohne dass wir im Kinosessel wirklich nachvollziehen können, warum eigentlich. Jean wird sein legitimes Erbrecht verwehrt, das an Le Gris fällt, aber wir wissen nicht, was Jean getan haben könnte, dass es soweit kommt. Jean, der grobschlächtige im Körper des sanften Matt Damon wirkt aufbrausend, neiderfüllt, nicht sympathisch. Und dann sagt seine Frau, sie sei von Le Gris vergewaltigt worden. Klug hat uns das Drehbuch von Nicole Holofcener, Ben Affleck und Matt Damon aufs Glatteis geführt: Wir lassen uns von Fragen ablenken wie der, ob die geschändete Ehefrau vielleicht den aalglatten, gut aussehenden Weiberhelden und Günstling des Fürsten, Le Gris, nur etwas anhängen will. Dabei geht es darum nicht, aber dieses Whataboutism passiert in der Realität eben dauernd. Im Film lautet nur eben die entsprechende Frage nicht, ob sie es nicht auch irgendwie provoziert habe. Der Film lenkt mit den fragwürdigen Intrigen Le Gris' ab, gegen den sich unser Hauptdarsteller-Ehepaar zur Wehr setzen soll.

Die Perspektive von Le Gris legt das dann auch bald offen. Dieses Kapitel lässt keinen Zweifel, dass Le Gris Marguerite mit Gewalt genommen hat. Es spielt mit der Frage, ob, und wenn ja, was für Signale der Frau er sich eingebildet hat. Le Gris ist eine Paraderolle für Adam Driver. Driver hat eine gewisse Fertigkeit darin entwickelt, seine Charaktere zwischen Charmebolzen und Arschloch oszillieren zu lassen (House of Gucci – 2021; Star Wars: Episode IX - Der Aufstieg Skywalkers – 2019; Marriage Story – 2019; BlacKkKlansman – 2018; Star Wars - Episode VIII: Die letzten Jedi – 2017; Logan Lucky – 2017; Star Wars - Episode VII: Das Erwachen der Macht – 2015; Sieben verdammt lange Tage – 2014; Gefühlt Mitte Zwanzig – 2014; The F-Word – 2013; Spuren – 2013; Inside Llewyn Davis – 2013; Lincoln – 2012; J. Edgar – 2011).

Mit Kapitel drei, der Perspektive Marguerites, steht die Vergewaltigung außer Frage. Nix mehr Signale. Bei ihrer eindeutigen Verweigerung kann es kein Missverständnis geben. Jodie Comer zeigt nach ihrer Rolle als Molotovgirl in Free Guy (2021), nach Reys panischer Mutter in Star Wars, Episode IX (2019) und der kühl kalkulierenden Auftragsmörderin in der TV-Serie "Killing Eve" eine weitere Facette ihrer Vielseitigkeit. Ihre Marguerite ist zu Beginn eine wandelnde Elfe, beinahe durchscheinend, ohne eigenen Willen, das im Verlauf der zweieinhalb Filmstunden zu der Frau wird, die Kontrolle über ihr Leben übernimmt mit allen Konsequenzen.

"The last Duel" basiert auf einer wahren Begebenheit und erzählt die Umstände des letzten Duells in der Geschichte Frankreichs, das von Gesetzen gedeckt war; das Mittelalter hatte sich aus der Finsternis aufgemacht in Richtung frühe Neuzeit, zwar glaubte man noch an Gottesurteile, aber die ersten Männer erkannten, wenn auch noch aus falsch verstandenem Besitzrecht, dass Frauen mehr sind als lustbereitende Gebärmaschinen. Ridley Scott erzählt ein intimes Drama mit großem Wumms. "The last Duel" macht das Private politisch. Oder das Politische privat. So gesehen erzählt dieser Film, in dem vernarbte Männer in metallener Rüstung mit Schwertern aufeinander eindreschen, in kühl gehaltenen Bildern vom Sturz des männlichen Empires.

Wertung: 6 von 8 €uro
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