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Plakatmotiv: Die Akte Jane (1997)

Ridley Scott vertauscht die Blickwinkel und
entlarvt politisch motivierten Feminismus

Titel Die Akte Jane
(G.I. Jane)
Drehbuch Danielle Alexandra & David Twohy
Regie Ridley Scott, USA 1997
Darsteller

Demi Moore, Viggo Mortensen, Anne Bancroft, Jason Beghe, Daniel von Bargen, John Michael Higgins, Kevin Gage, David Warshofsky, David Vadim, Morris Chestnut, Josh Hopkins, Jim Caviezel u.a.

Genre Drama
Filmlänge 125 Minuten
Deutschlandstart
26. Februar 1998
Inhalt

Marineoffizierin Jordan O'Neil wird Spielball der hohen Politik. Eine Senatorin, die mitten im Wahlkampf steht, wählt Jordan aus, am Rekrutentraining der Eliteeinheit der Navy Seals teilzunehmen.

In dem verschworenen Männerbund stößt die erste Kameradin auf Ablehnung. Ihr Ausbilder, ein Schleifer mit sadistischen Zügen, lässt keine Möglichkeit aus, die Frau verbal und körperlich zu traktieren. Entgegen allen Erwartungen aber bricht Jordan nicht ein. Im Gegenteil: Sie übersteht die Ausbildung, steht bei einem Einsatz in Libyen ihren Mann.

Aber ganz glatt geht's dann doch nicht: Iim Kampfeinsatz wird Jordan vor eine Frage auf Leben & Tod gestellt …

Was zu sagen wäre

Will man den Film feministisch interpretieren, verliert er: Dass Kerle, die eine Frau in ihren Reihen grundsätzlich ablehnen, sich von der Frau überzeugen lassen, weil die, nachdem sie mit Händen auf dem Rücken gefesselt von ihrem vorgesetzten Ausbilder beinahe vergewaltigt worden ist und das nach ein paar abwehrenden Kopfstößen unter beifälligem Johlen ihrer Kameraden mit einem „Lutsch meinen Schwanz, Chief!“ quittiert, ist albern. Will man dem Film sadomasochistische Elemente unterstellen, weil eine Frau freiwillig unter sexistischen Männern leiden will, ist das eine Haltung, die nur die eine Seite der Medaille betrachtet. Zu dieser Medaille gehört auch, dass manche Männer, und man darf annehmen, dass die sich in den Spezialeinheiten der Armeen der Welt besondern tummeln, tatsächlich so selbstverliebt sexistisch sind, wie in diesem Film. Das blenden wir im Kinosessel dann gerne aus, weil nicht sein kann, was nicht sein darf. Aber wahrscheinlich ist, dass eine Frau, die sich bei den Navy Seals durchsetzen will, ähnliche Schikanen und Verhaltensweisen wie im Film erdulden müsste. Vielleicht sind sie deshalb in dieser Ausbildung nicht zugelassen, weil die Männer sagen, die können nicht, was wir können. Dass Frauen, wollen sie in solchen Jobs bestehen, die besseren Kerle sein müssen, ist keine neue Erkenntnis, aber würde eine durchtrainierte Alice-Schwarzer-Type den Gegner im Ernstfall totquatschen? Das Argument, Frauen sind nicht so, wie diese Jordan im Film, wirkt schal angesichts der Tatsache, dass militärischer Drill der große Gleichmacher ist. Es gibt beim Militär Rassismus und Sexismus, aber im Gefecht muss sich jeder auf jede verlassen können, ungeachtet von Geschlecht oder Hautfarbe.<Nachtrag2017>Erst seit 2016 dürfen Frauen bei den Navy Seals trainieren.</Nachtrag2017>

Aber vielleicht sind Frauen auch nicht zugelassen, weil die überwiegend männlichen Entscheider in den Militärs der westlichen Welt Angst bei der Vorstellung haben, eine US-amerikanische Elitekämpferin fiele dem Geger in die Hände und was der dann mit ihr anstellen würde. Im Film wundert sich Jordan, die Seals-Rekrutin, über die ähnliche Argumentation der Senatorin DeHaven: „Was sagen Sie da? Dass ein Frauenleben wertvoller ist, als das eines Mannes? Dass der Tod einer Frau für eine Familie schmerzlicher ist, als der eines Mannes?“ „Kein Politiker kann es sich leisten, junge Frauen, die im Kampf gefallen sind, im Blechsarg heimzubringen.

Ridley Scott, der seine Filmprojekte nach visuellen Gesichtspunkten auswählt (s.u.), wollte offenbar einen Militärfilm drehen: sadistische Ausbilder wie in Kubricks Full Metal Jacket, harte Trainingsbilder, wie in Stones Geboren am 4. Juli. Und am Ende noch ein kitzliges Kommandounternehmen. Diesen Bildern aus erfolgreichen Kinofilmen will der durchaus selbstbewusste Regisseur seine Vision gegenüberstellen. Und lässt man die Geschlechterfrage beiseite, hat er einen durchschnittlichen Film gedreht; denn einen Typen, der sich gegen alle Widerstände durchbeißt und am Ende der strahlende Sieger ist, den hatten wir schon häufiger. Plakatmotiv (US): G.I. Jane (1997) Diese Filme sind mittlerweile auf dem mimischen Niveau von Jean-Claude Van Damme angekommen. Und da hat Demi Moore wenigstens den Vorteil, eine Frau und damit in dieser Rolle überraschend zu sein; und sie schlägt sich wacker mit ordentlich antrainiertem Muskelkörper und Stahlblick ("Striptease" – 1996; Nicht schuldig – 1996; Enthüllung – 1994; Ein unmoralisches Angebot – 1993; Eine Frage der Ehre – 1992; "Ghost – Nachricht von Sam" – 1990; Nochmal so wie letzte Nacht – 1986; St. Elmo's Fire – Die Leidenschaft brennt tief – 1985).

Ridley Scott hat, um einen Grund zu haben, diese Bilder zu inszenieren, den Blickwinkel verschoben. Und wirft also einen Blick in die politischen Hinterzimmer Washingtons, in denen die Frau im Männerjob von intrigierenden Politikerinnen und Politikern ausgekungelt worden ist. Dort entlarvt er, was der einfache Teil der Übung ist, einen üblen Machismo auf allen Etagen im Pentagon, aber auch im Büro der sich öffentlich so für die Frauen einsetzenden Senatorin aus Texas. Als die eine Soldatin für die Navy Seals-Ausbildung sucht, lehnt sie alle ab, die nicht kameratauglich, nicht charmant genug aussehen: „Wollen Sie das Gesicht auf dem Titel von Newsweek sehen? Die sieht aus, wie die Frau von einem russischen Rübenbauern!“ In Scotts bitterem Blick auf Washington verkommt der Kampf um die Gleichberechtigung zu einem Marketing-Instrument, das jederzeit als politische Verhandlungsmasse eingebracht werden kann.

Schaut man den Film durch diese zynische Brille, ist er plötzlich nicht mehr sexistisch, bleibt die Darstellung martialischer Trainingsmethoden und Foltertrainings fragwürdig – die letzten Endes nur dazu führen würden, den sadistischen Vorgesetzten bei der ersten Gefechtssituation mit einer "verirrten" Kugel auszuschalten; sind spontane Jubelrufe der ehemals ablehnenden Kameraden im letzten Drittel wie „Mit Dir würde ich jeden Tag in den Krieg ziehen!“ einen Tick drüber, zu viel Holzhammer. Durch die zynische Brille betrachtet, stellt man(n) dann höchstens die Frage, warum man sich diese Schleiferei bei den Seals ernsthaft antun sollte; die Soldaten im Film haben darauf auch keine Antwort. Als die Rekruten etwa nach dem harten Trainingstag in 500 Wörtern aufschreiben sollen, warum sie die United States Navy lieben, schlafen die meisten prompt ein.

Die Jordan O'Neill im Film zieht ihr Ding durch. Die einzige Schwäche, die ihr das Drehbuch auferlegt, ist, dass sie sich in einer erzwungenen Pause seufzend an der starken Schulter ihres Freundes anlehnt. So weit ist man in Hollywood noch nicht, dass Frauen zu selbständig sein dürfen – auch Scotts Heldinnen Thelma & Louise mussten am Ende sterben. Das ändert aber nichts daran, dass der Film, vom Kinosessel aus betrachtet – ob mit feministischer, mit zynischer, mit politischer oder mit Action-Brille – ordentliche zwei Stunden Kinospannung bietet. Ridley Scott weiß nicht nur Bilder zu inszenieren, er hat ja auch Gespür für Timing. Langeweile kommt in dieser Männerwelt mit Frau nicht auf.

Wertung: 6 von 11 D-Mark
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