Die Schlacht um Mogadischu (Somalia) war der längste Bodenkrieg, den US-Soldaten seit den Zeiten des Vietnamkrieges kämpfen mussten.
Am 3. Oktober 1993 soll ein Elitetrupp aus 120 DeltaForce-Soldaten zwei Vollstrecker des somalischen Warlords Mohamed Farrah Aidid unschädlich machen und in die USA bringen. Die Mission scheitert. Zwei UH-60 Black-Hawk-Hubschrauber werden abgeschossen. Aus der Aktion, für die eine Stunde eingeplant war, wurde ein 15-stündiges Militärdebakel, das 18 Marines und hunderte Somalis das Leben kostet und bei dem 73 Soldaten schwer verletzt werden.
Der amerikanischen Öffentlichkeit prägt sich das Desaster in Form eines TV-Bildes ein: Somalische Rebellen schleifen unter dem Jubel der Bevölkerung die Leiche eines nackten Marine-Soldaten durch die Straßen …
Somalia, Krisen- und Kriegsgebiet am Horn von Afrika. Warlords herrschen über das Land, es gilt als Rückzugsort für Terroristen. Deshalb haben die USA großes Interesse daran, das Land zu befrieden, besser noch: unter Kontrolle zu bringen. Nach dem Krieg in Vietnam ist vor dem Krieg im Irak ist vor dem Krieg in Somalia. Wieder sehen wir Hubschrauber in eleganter Formation über zerstörtes Land fliegen, sehen gepanzerte Fahrzeuge mit Soldaten in kiloschwerer Schutzmontur durch Straßen patrouillieren, in denen kein Leben mehr ist, aber überall Heckenschützen lauern. Wieder erleben wir herumalbernde junge Männer in Tarnfleck oder olivgrünen Unterhemden, die sich darauf freuen „denen mal so richtig den Arsch aufzureißen“. Wieder sieht das alles schwer nach unbezwingbar aus. Aber das kennen wir ja schon aus den Vietnam.
Eine Armee ohne Kompass, junge Männer ohne Ziel
Was Ridley Scott mit diesen Szenen erreichen will ist nicht, uns zu zeigen, dass er solche Szenen ebenso gut wie Stanley Kubrick oder Oliver Stone inszenieren kann. Er will uns vorbereiten auf das unbeschreibliche Chaos, das später hereinbrechen wird und uns desorientiert in den Kinosessel presst. Die Jungs haben gute Ausrüstung, sind trainiert, auf allerlei vorbereitet, bei dem unsereiner zusammenklappen würde. Was die Männer nicht haben, ist ein Ziel. Was genau sie hier machen, weiß keiner. Sergeant Eversmann findet, man solle sich mit den Einheimischen beschäftigen, sie kennenlernen. Seine Kameraden finden das übertrieben, es reiche doch, reinzugehen, die Bösen zu eliminieren und nach Hause zu fahren. Auch General Garrison scheint nur eine rudimentäre Vorstellung von der Realität vor Ort zu haben. Ganz felsenfester US-Offizier ist er überzeugt, seine Mission, einen Warlords dingfest zu machen, in wenigen Wochen erfüllen zu können.
Und dann beginnt die Mission, mit der zwei Unterlinge des Warlords Mohammed Farah Aidid geschnappt werden sollen. Und ganz schnell ist nichts mehr mit geordneter Formation und militärischer Überlegenheit. „Wir haben in ein Wespennest gestochen“, stöhnt später in der Nacht der erschütterte General, dessen Soldaten viel besser ausgebildet sind und auch weit mehr Abschüsse haben. Das ist dem Gegner aber egal. In einem Land, in dem niemand was zu verlieren hat außer der schützenden Hand eines Warlords, laufen die Menschen mit Flip-Flops und Kalaschnikows ins Feuer und schießen so lange zurück, bis sie tot umfallen. „Das Töten ist hier Teil des Lebens“, sagt ein Somali. Im Zuge der Terroranschläge vom 11. September 2001 ist jetzt häufig von asymmetrischer Kriegsführung die Rede. Das, was da in Mogadischu aufgeführt wurde, war dem Film nach zu urteilen sowas wie die Mutter der asymmetrischen Kriegsführung.
Ein Drama, das jeden Auslandeinsatz in Frage stellt
Der Film basiert auf Mark Bowdens Tatsachenbericht "Black Hawk Down", der detailgetreu nacherzählt, wie es zur Tragödie von Mogadischu überhaupt kommen konnte. In einer kurzen Exposition erfährt der Zuschauer von den 300.000 Hungertoten, den Kämpfen rivalisierender Clans, dem Aufstieg Mohamed Aidids zum gefürchteten Diktator, der die humanitäre Hilfe der Welt durch Lebensmittel für sich rekrutiert und UNO-Friedenstruppen zum Abschuss freigibt. Die Straßenschlachtszenen sind in ihrer Intensität auf einer Stufe mit der Eingangssequenz aus Steven Spielbergs Saving Private Ryan (1998). Minutenlang wird in scheinbar leeren Straßen gerannt, geschossen, wieder gerannt und blutend umgefallen. Heckenschützen feuern von den Dächern zurück. Soldaten rufen durcheinander, schreien vor Schmerz, fordern den Sanitäter an. Aber den wütenden Sturm der Einwohner, der bewaffneten Massen des Warlords bekommen sie nicht in den Griff. Bilder, wie sie Ridley Scott hier inszeniert, hatte John Carpenter schon in Die Klapperschlange Anfang der 80er Jahre, aber das war eine Actionfantasy, in der nachts die Horden eines Knastkönigs die leeren Straßen des in ein Gefängnis umgebauten Manhattan plünderten und zerstörten, was ihnen in die Finger fiel.
Daran erinnern Scotts Bilder der anonymen Somalis in Shorts und Flip-Flops, die schreiend und schießend durch ihre Stadt laufen und mit lustvoller Brutalität auf die Amerikaner einprügeln. Sie erleben die UN-Truppen und die Amerikaner nicht als Hilfe in großer Hungersnot, sie fühlen sich von ihren Warlords gut beschützt. Aus Sicht westlicher Soldaten oder Kinozuschauer ist der wütende Mob ein Motiv, das ratlos zurücklässt. „Wenn Du zuhause gefragt wirst, warum Du das tust“, sagt Soldat Hood zu Soldat Eversmann, „versuch's gar nicht erst zu erklären. sie würden es nicht verstehen.“ Mehr über die Motivation der Soldaten in solchen Kriegen erfahren wir nicht. Das herrschende Chaos packt uns im Kinosessel, weil es uns wie die Soldaten hilflos dem Dauerfeuer der Heckenschützen und wütenden Somalis aussetzt, die eine scheinbar geschlossene Front gegen die als ungebetene Eindringlinge angesehenen Soldaten bilden.
Ein Kriegsfilm macht Stimmung gegen den Krieg
Mit diesem intensiven Kriegsfilm, der kein Antikriegsfilm ist, sondern leidlich nüchtern schildert, was in diesen 15 Kriegsstunden passiert ist, stellt Ridley Scott (s.u.) nüchtern die Frage in den Raum, welchen Zweck solche Einsätze haben gegen Menschen, die lieber sterben, als sich einer fremden Macht unterzuordnen. Die Antwort überlässt er uns beim anschließenden Fakten entwirren am Kneipentisch.
Das oben im Inhalt erwähnte Foto mit dem nackten US-Soldaten hat Ridley Scott im Film pietätvoll nur angedeutet – für die Angehörigen bleibt vermutlich auch dies unerträglich. Zudem bringt es das amerikanische Selbstverständnis als Supermacht ins Wanken – aber das tut der Film auch ohne diese Szene.
Ein Filmstart als Anlass, erneut in Somalia einzufallen
Als "Black Hawk Down" Mitte Januar 2002 in den USA startete, hatten sich Militärbeobachter und die somalische Regierung insgeheim darauf eingestellt, dass US-Militärs den Filmstart zu einem neuerlichen Angriff auf das Land am Horn von Afrika nutzen könnten. Somalias Rolle als Rückzugsort für Terroristen mit vermuteten Verbindungen zu Osama Bin Laden machte "Black Hawk Down" unerwartet aktuell; als das Filmprojekt erstmals angekündigt wurde, war es lediglich Ridley Scotts erster Film für Erfolgsproduzent Jerry Bruckheimer (Pearl Harbor – 2001).
Weitere – unerwartete – Aktualität erreichte der Film durch Erkenntnisse, nach denen Osama Bin Laden die Stinger-Raketen geliefert haben soll, die die Black-Hawk-Hubschrauber zum Absturz brachten.
Der deutscher Verleih Senator zog den Film im Herbst 2001 „aus Pietätsgründen” eine Woche vor Bundesstart zurück; deutsche Soldaten waren wenige Tage zuvor in Afghanistan einem Unfall zum Opfer gefallen. Mit einem Jahr Verspätung kam er schließlich doch in die deutschen Kinos – jetzt mitten hinein in die erregt geführte Debatte, ob, wann und wie der Irak mal wieder überfallen werden könnte.
Regisseur Ridley Scott auf der Leinwand
Sir Ridley Scott (* 30. November 1937 in South Shields, England) ist ein britischer Filmregisseur und Filmproduzent. Er gilt als einer der renommiertesten und einflussreichsten Regisseure und hat die Erzählweisen mehrerer Filmgenres geprägt.
Scott ist Eigentümer der 1995 gegründeten Filmproduktionsfirma Scott Free Productions.
- Die Duellisten (The Duellists, 1977)
- Alien – Das unheimliche Wesen aus einer fremden Welt (Alien, 1979)
- Blade Runner (Blade Runner, 1982)
- Legende (Legend, 1985)
- Der Mann im Hintergrund (Someone to Watch Over Me, 1987)
- Black Rain (Black Rain, 1989)
- Thelma & Louise (Thelma & Louise, 1991)
- 1492 – Die Eroberung des Paradieses – (1492 – Conquest of Paradise, 1992)
- White Squall – Reißende Strömung (White Squall, 1996)
- Die Akte Jane (G.I. Jane, 1997)
- Gladiator (Gladiator, 2000)
- Hannibal (Hannibal, 2001)
- Black Hawk Down (Black Hawk Down, 2001)
- "Tricks" (Matchstick Men, 2003)
- Königreich der Himmel (Kingdom of Heaven, 2005)
- Ein gutes Jahr (A good Year, 2006)
- American Gangster (American Gangster, 2007)
- Der Mann, der niemals lebte (Body of Lies, 2008)
- Robin Hood (Robin Hood, 2010)
- Prometheus – Dunkle Zeichen (Prometheus, 2012)
- The Counselor (The Counselor, 2013)
- Exodus: Götter und Könige (Exodus: Gods and Kings, 2014)
- Der Marsianer (The Martian, 2015)
- Alien: Covenant (Alien: Covenant, 2017)
- Alles Geld der Welt (All the Money in the World, 2017)
- The last Duel (The last Duel, 2021)
- House of Gucci (House of Gucci, 2021)