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Plakatmotiv: Alles Geld der Welt (2017)

Erlesen fotografiertes Ambiente
ohne menschlichen Inhalt

Titel Alles Geld der Welt
(All the Money in the World)
Drehbuch David Scarpa
nach dem Sachbuch "Painfully Rich: The Outrageous Fortune and Misfortunes of the Heirs of J. Paul Getty" von John Pearson
Regie Ridley Scott, USA, Italien, UK 2017
Darsteller

Michelle Williams, Christopher Plummer, Mark Wahlberg, Romain Duris, Timothy Hutton, Charlie Plummer, Charlie Shotwell, Andrew Buchan, Marco Leonardi, Giuseppe Bonifati, Nicolas Vaporidis, Andrea Piedimonte Bodini, Guglielmo Favilla, Nicola Di Chio, Adele Tirante u.a.

Genre Biografie, Drama, Crime
Filmlänge 132 Minuten
Deutschlandstart
15. Februar 2018
Inhalt

Italien, 1973: John Paul Getty III., der 16 Jahre alte Enkel des reichen Öl-Tycoons John P. Getty wird entführt. Die Entführer arbeiten für die italienische Mafia und verlangen für den Jungen 17 Millionen Dollar Lösegeld.

Doch der Geschäftsmann weigert sich, die geforderte Summe zu zahlen. Er vermutet, dass die Entführung nur vorgetäuscht wurde und hat außerdem Angst vor Nachahmern. Selbst als die Entführer ihm das abgeschnittene Ohr seines Enkels schicken und drohen, den Jungen weiter zu verstümmeln, bleibt er hartnäckig.

So ist John Pauls Mutter Gail Harris gezwungen, die Initiative zu übernehmen …

Was zu sagen wäre

Eben erst hat der „reichste Mann aller Zeiten“ seinem Besucher erläutert, er könne jetzt kein Lösegeld von 7 Millionen Dollar aufbringen, weil der Verfall des Ölpreises ihn sein Vermögen kosten könnte, da trifft er in einem mondänen Palast einen Kunsthändler, dem er eine Pieta in Öl für 1,7 Millionen Dollar abkauft, die er „aufgrund der unklaren Herkunftsverhältnisse“ niemandem je wird zeigen können. Ridley Scott zeigt uns eine Welt, in der selbst alles Geld der Welt nicht fröhlich macht – und schon gar nicht glücklich. Die, die nach Reichtum streben, werden erschossen oder verhaftet, die, die Geld haben, sind einsam.

Das Anwesen John Paul Gettys, des reichen Ölmagnaten, ist stets in blaues Licht getaucht; kalt ist die Welt des Milliardärs, der eine Telefonzelle ins Haus gestellt hat, für den Fall, dass Besucher mal telefonieren wollen. Bittbriefe von Eltern womöglich schwer kranker Kinder lässt er antworten, wenn er jede der vielen Geldbitten, die er täglich bekomme, erfüllen würde, wäre er genauso bedürftig, wie die Absenderin. Er hat ein Buch geschrieben mit dem Titel „Wie bleibe ich reich?“. Die Verleger hätten lieber „Wie werde ich reich?“ gehabt, aber Getty beschied, reich werden könne jeder Idiot. Erst, wenn man reich sei, fingen die Probleme an; es zeige sich, wer mit Geld umgehen kann und wer nicht erst, wenn die Bettelbriefe kämen, die Schmarotzer.

Sein Vermögen hat er in einem Stiftungsmodell angelegt. Daher muss er keine Steuern zahlen. Aber er darf das Geld auch nicht ausgeben, nur investieren. Deshalb stapeln sich in seinem Herrenhaus die Kunstschätze, in die er investiert. Selbst Paul III, des Patriarchen Lieblingsenkel, hat schon mal laut darüber nachgedacht, seine Entführung zu inszenieren, um an etwas Geld des Alten zu kommen. Christopher Plummer spielt den Milliardär als abgebrühten, zynischen Misanthropen. Er war für diese Rolle für einen Nebenrollen-Oscar nominiert. Das ist insofern bemerkenswert, als er erst zum dem Filmprojekt stieß, als das längst abgedreht war und einen Monat vor der Weltpremiere stand.

„Alles Geld der Welt“ ist bekannt geworden, als der Film, in dem Kevin Spacey nicht mehr mitspielt. Der hatte unter Scott den Milliardär nämlich zuerst gespielt, und zwar, was man so hörte, ebenfalls Oscarreif. Aber dann stürzte der A-Liga-Star auf dem Höhepunkt der #MeToo-Welle über Vorwürfe sexueller Übergriffe, gar des Missbrauchs. Ridley Scott fürchtete, das werde seinem Film an der Kinokasse schaden, also entfernte er alle Szenen mit Spacey, nahm 10 Millionen Dollar in die Hand und drehte alles neu, jetzt mit Christopher Plummer (s.u.). Es ist natürlich unklar, wie schädlich die Gerüchte gegen Spacey für den Film tatsächlich gewesen wären; aber mit diesem einmaligen Stunt hatte Scott alle Schlagzeilen und jeder wusste jetzt, Scott hat einen neuen Film gedreht, in dem es um die Entführung des Milliardärs-Enkels geht, dem die Geiselnehmer ein Ohr abgeschnitten haben. Rund 60 Millionen Dollar hat Scott insgesamt für seinen Film ausgegeben. Weltweit hat der Film ungefähr diese Summe wieder eingespielt. Das liegt nicht an Kevin Spacey, nicht an Christopher Plummer (Verblendung – 2011; Das Kabinett des Doktor Parnassus – 2009; Das Haus am See – 2006; Inside Man – 2006; A Beautiful Mind – 2001; Insider – 1999; 12 Monkeys – 1995; Star Trek VI: Das unentdeckte Land – 1991; Die Zeit der bunten Vögel – 1990; Schlappe Bullen beißen nicht – 1987; Star Crash – Sterne im Duell – 1978; "Der Mann, der König sein wollte" – 1975; "Der rosarote Panther kehrt zurück" – 1975; Spion zwischen zwei Fronten – 1966). Der Film ist einfach nie wirklich spannend.

Er ist erlesen fotografiert. Die Ausstattung im Stile der frühen 1970er Jahre ist bis in die Details gelungen. Die hysterische Stimmung unter den Zeitungsleuten und Paparazzi im damaligen Italien ist intensiv eingefangen. Im Kinosessel bekommen wir einen Eindruck davon, wie unschuldig die Zeiten damals waren, in denen in Italien zwar der Linksterror tobte, die Gettyfamilie aber ganz ohne Leibwächter unterwegs war. Auch der Albtraum des entführten Teenagers ist nachvollziehbar geschildert. Auch das damals im Vergleich zu heute eher kümmerliche Dasein der 'Ndrangheta in Kalabrien wird deutlich, die ihre Geisel, für die niemand zahlen will, schließlich an einen Geschäftsmann verhökern, der das Kopfgeldspiel besser versteht. Der Film sprüht in zeithistorischem Kolorit. Es ist ein Ridley-Scott-Film, da setze ich all dies aber voraus. In Bildgestaltung und Szenenaufbau ist der Regisseur einer der Großen Meister Hollywoods (s.u.).

Das Drehbuch schlägt keine Funken. Im Mittelpunkt steht die Schwiegertochter des Patriarchen, die selbst kaum Geld hat – ihr Ex-Mann und Vater von Paul lebt zugekifft in Marrakesch unter Hippies – und um das Leben ihres Jungen bangt. Weil sie aber keine Bewegungsfreiheit hat – der Schwiegervater rückt kein Geld raus, die italienischen Carrabinieri brauchen sie nur als Telefonkontakt zu den Entführern und halten sie ansonsten aus dem Spiel – bleibt sie eine uninteressante Figur; sie bekommt nicht einmal eine Szene, in der sie irgendwen zusammenscheißen kann, was der sich eigentlich einbilde. Michelle Williams (Manchester by the Sea – 2016; Shutter Island – 2010; Blue Valentine – 2010) spielt diese prinzipienfeste Mutter, die ihre Kinder mehr liebt als Geld, genau so: als liebende, sorgenzerfurchte Mutter.

An ihrer Seite spielt Mark Wahlberg den Sicherheitschef des Patriarchen, der ihr in Rom zur Seite stehen soll bei Verhandlungen mit den Entführern, bei denen es nichts zu verhandeln gibt. Es ist ja kein Geld da! Die Wahlberg-Figur engt Michelle Williams' Aktionsradius noch mehr ein, während er selbst nicht zur Entfaltung kommt. Der Sicherheitsbeamte Fletcher Chase ist mehr Beamter als Sicherheit und genauso kühl legt Mark Wahlberg ihn an (Transformers: The Last Knight – 2017; „Boston“ – 2016; 2 Guns – 2013; Pain & Gain – 2013; Broken City – Stadt des Verbrechens – 2013; Ted – 2012; The Fighter – 2010; Departed – Unter Feinden – 2006; The Italian Job – 2003; Planet der Affen – 2001; Der Sturm – 2000; The Yards – Im Hinterhof der Macht – 2000; Three Kings – 1999; Corruptor – Im Zeichen der Korruption – 1999; Boogie Nights – 1997). Wenigstens er darf dann einmal aus der Rolle fallen, dem Alten ordentlich die Meinung geigen und dann kündigen. Das beeindruckt den Milliardär derart, dass er schließlich doch ein paar Millionen locker macht. Just diese emotionale Überraschung bleibt dann unklar, nicht nachvollziehbar.

Wie die Geschichte ausging, ist einigermaßen bekannt, zumindest, dass J.P. Getty III frei kam. Das erleben wir dann auch im Rahmen eines etwas ausfransenden Finales. Wonach sich, während der Abspann läuft, der schale Geschmack eines gut gemachten Dokumentarfilms breit macht, der nur ja keine innere Spannung haben darf. Und die Frage, ob wohl Kevin Spacey den Geizkragen so ähnlich wie einen Francis Underwood mit einem überraschend doch vorhandenen Herzen angelegt hatte.

Wertung: 4 von 8 €uro
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