Mailand, 1974: Auf einer Party lernt Patrizia Reggiani, Tochter eines wenig geschäftstüchtigen Transportunternehmers, den Mode-Erben Maurizio Gucci kennen. In ihm sieht sie die Chance auf Reichtum und Macht. Sie umgarnt ihn geschickt und schon bald wird geheiratet. Sehr zum Ärger von Rodolfo Gucci, Unternehmenspatron und Maurizios Vater. Er enterbt seinen Sohn, der daraufhin als LKW-Fahrer bei seinem Schwiegervater jobbt.
Patrizia, für die sich also mit der Heirat eines Gucci also nicht geändert hat an ihrem Leben, lässt ihren Charme bei Maurizios Onkel als spielen, der "Gucci" in New York zu einer Weltmarke ausgebaut hat. Aldo, dessen eigener Sohn Paolo für ihn eine große Enttäuschung ist, sieht in dem vom Vater verstoßenen Maurizio einen gelehrigen Ersatzsohn, holt ihn nach New York und setzt ihn auf einen Chefposten im eigenen Unternehmen. Bald hat Patrizia, die ihre erste Tochter nach der früh verstorbenen Ehefrau Rodolfos Alessandra nennt, auch die Versöhnung Maurizios mit seinem Vater in die Wege geleitet. Als Rodolfo stirbt, erbt Maurizio 50 Prozent der Gucci-Anteile.
Geschickt fädelt Patrizia Händel und Geschäfte ein, die alsbald sowohl Aldo als auch Paolo aus dem Unternehmen drängen. Als sich Maurizio auf dem Höhepunkt beider Macht von Patrizia trennen will, zieht die andere Saiten auf …
Ridley Scott mag Geschichten, in denen Frauen ihr Schicksal selbst in die Hand nehmen und dafür notfalls kräftig austeilen. In die illustre Riege von Ellen Ripley über Thelma und Louise, die Soldatin Jane, FBI-Agentin Starling stellt er jetzt Patrizia Reggiani. Eine reale Person der Zeitgeschichte, die für den Mord an ihrem Ehemann 25 Jahre im Gefängnis saß. Ihr Ehemann war Maurizio Gucci, Chef eines Modeimperiums, schwer reich und im Begriff, die Scheidung einzureichen.
Als wir Patrizia kennen lernen, ist sie die Tochter eines freundlichen Transportunternehmers, der eher Schulden als Aufträge hat und für den sie bisweilen Unterschriften fälscht, damit er sich sein Dolce Vita leisten kann. Sie wackelt in High Heels und engen Kleidern durch die Straßen und genießt – wir schreiben die frühen 70er Jahre – die geilen Pfiffe der Männer. Patrizia will mehr und als sie auf einer schicken Party an der Bar auf diesen freundlichen jungen Mann trifft, der sich mit Maurizio Gucci vorstellt, schneidet Ridley Scott noch einmal auf Patrizias große Augen, in denen sich in Sekundenschnelle ein neues Leben entwickelt; nach einer halben Filmstunde heiraten die beiden. Gegen den Willen des Gucci-Patriarchen und Maurizio-Vater Rodolfo, der seinen Sohn verstößt, der dann erstmal im Transportunternehmen des Schwiegervaters anheuert.
Zum Glück für die Geschichte erweist sich die Familie Gucci als dysfunktional. Sie und das Modeimperium werden beherrscht von zwei alternden Männern, Brüdern, denen der Staub aus den Haaren rieselt, und die umgeben sind von jungen Anwälten und Laufburschen in Maßanzügen. Der eine, Rodolfo, lebt in Mailand, der andere, Aldo, in New York, wo er Gucci zu einer Weltmarke geformt hat. Aber es ist ein Unternehmen im Niedergang. Das zeichnet sich von Anfang an ab, als wir zwar Reichtum und Schönheit erleben im Reich der Guccis, aber keine Designer. Die Marke ist mit den beiden Brüdern alt geworden, lebt von ihrer Geschichte, nicht von ihrer Kreativität. Der Nachwuchs fehlt. Rodolfos Sohn Maurizio interessiert sich weder für die Marke noch für die Mode. Und Aldos Sohn, Paolo, tut zwar beides, endet mit seinen Designs aber stets, wie sein Onkel Rodolfo ätzt, im „Triumph der Mittelmäßigkeit“. Da ist er sich dann ein einziges Mal mit seinem Bruder Aldo in New York einig.
Mit den männlichen Guccis wird das nichts mehr. An dieser Stelle reißt Patrizia die Sache an sich, die Lady Macbeth der Unternehmenskultur. Sie erkennt die Missstände schnell und sieht, welche Hebel sie ziehen, welche Intrigen sie spinnen muss, um ihren Maurizio und damit sich selbst an die Spitze des Unternehmens zu bringen. Das gelingt ihr. Aber kaum ist sie ganz oben, Ikarus lässt grüßen, verbrennt sie sich die Flügel und stürzt ab. Der Tochter des Transportunternehmers fehlt der Stallgeruch der Schönen, Reichen und Superreichen, die zwischen Mailand, St. Moritz, Paris und New York jetten. Maurizio, der sich von ihr hat treiben und formen lassen und erst mit ihrer Hilfe die Zügel im Unternehmen in die Hand bekommen hat, lässt sie fallen für eine andere, gebildetere, blondere. Mittelfristig ist das sein Todesurteil.
Es geht krachledern zu zwischen Mailand und Manhattan, visuell zwar packend, aber an keiner Stelle menschelnd. Vornehmlich haben wir es mit Zerrbildern von Menschen zu tun. Jared Leto schießt den Vogel ab. Als verhinderter Designer Paolo stolpert er mit Halbglatze und schrillen Anzügen als Wirrkopf durch den Film und pisst irgendwann buchstäblich auf die Gucci-Traditionen. Das beste aus seiner Rolle macht noch Al Pacino als Aldo (The Irishman – 2019; Der letzte Akt – 2014; Kurzer Prozess – Righteous Kill – 2008; Ocean's Thirteen – 2007; Insomnia – Schlaflos – 2002; An jedem verdammten Sonntag – 1999; Insider – 1999; Im Auftrag des Teufels – 1997; City Hall – 1996; Heat – 1995; Carlito's Way – 1993; Der Duft der Frauen – 1992; Glengarry Glen Ross – 1992; Frankie und Johnny – 1991; Der Pate III – 1990; Dick Tracy – 1990; Sea of Love – 1989; Scarface – 1983; Cruising – 1980; …und Gerechtigkeit für alle – 1979; Bobby Deerfield – 1977; Hundstage – 1975; Der Pate II – 1974; Serpico – 1973; Der Pate – 1972). Die bietet ihm aber auch nur einen einzigen Moment des Tiefgangs. Ansonsten muss Pacino einen großspurigen, machtbesessenen Trottel spielen. Jeremy Irons kommt unter diesen Umständen vergleichsweise gut weg. Sein Part als Rodolfo ist zu klein, um unangenehm aufzufallen, und alte, böse Männer beherrscht der mittlerweile auch tatsächlich alt gewordene Irons schon seit Das Geisterhaus (1993).
Und Maurizio und Patrizia? Adam Drivers Maurizio-Performance ist glatt. Wäre seine Figur am Ende nicht tot, würde ich behaupten, Drivers Maurizio sei am Ende wie am Anfang ein blasses Bürschchen, das glaubhaft seine Lustlosigkeit zelebriert, das sich stets zum Jagen tragen lässt – erst von seiner Frau, später von Anwälten, die ihm das Familienunternehmen unter dem Hintern wegnehmen – und am Ende keinen Schritt weiter ist. Eine große tragische Figur also, am Gängelband mächtiger Interessen; da weht der Hauch Shakespeares. Nicht mit Adam Driver, der die Rolle nicht mit Leben füllt (The last Duel – 2021; Star Wars: Episode IX - Der Aufstieg Skywalkers – 2019; Marriage Story – 2019; BlacKkKlansman – 2018; Star Wars - Episode VIII: Die letzten Jedi – 2017; Logan Lucky – 2017; Star Wars - Episode VII: Das Erwachen der Macht – 2015; Sieben verdammt lange Tage – 2014; Gefühlt Mitte Zwanzig – 2014; The F-Word – 2013; Spuren – 2013; Inside Llewyn Davis – 2013; Lincoln – 2012; J. Edgar – 2011). Und dann wird seine Figur ja auch erschossen. Insofern könnte man von einer stimmigen Performance sprechen.
Am stimmigsten ist noch Stefani Germanotta, die sich lieber Lady Gaga nennt (A Star is Born – 2018) und hier die Patrizia spielt. Sympathisch ist auch die nicht in ihrer kalten Gier auf Ganz Oben. Aber sie hat wenigstens ein Motiv, wo die anderen, die schon reich und mächtig sind, im teuren Zwirn einfach ihre Hintern platt sitzen. Interessanterweise überzeichnet Gaga vor allem, als sie noch die kleine Transportunternehmers-Tochter spielt in zu engen Klamotten wackelnd auf dem Bürgersteig. Je mächtiger Patrizia wird, desto dämonischer und später eben auch glaubhaft verzweifelter spielt Gaga ihren Charakter.
Neues erfahren wir von diesem zweieinhalb Stunden langen Film nicht. Das reiche Menschen dekadent sind und arme Menschen trotzdem gerne reich sein wollen, wussten wir schon. Vergleiche drängen sich auf zu den derzeit so beliebten True-Crime-Formaten im Fernsehen; je holzschnittartiger, desto eingängiger. Kein Drama, Scott inszeniert eine Farce: Eine Branche, die die Oberfläche zelebriert, wird als Oberfläche gezeigt – nicht oberflächlich! Was die Figuren im Inneren bewegt ist für den Film ähnlich unwichtig wie das Schicksal der Näherinnen in den asiatischen Nähfabriken für die glamouröse Gucci-Schau auf dem Laufsteg in ParisMailandNewYork.
Wieder punktet Scott – auch auf der Meta-Ebene – visuell; mit Sepia hier und prallem Sonnenschein dort, kleinen, die Psyche einengenden Räumlichkeiten hier und weiten Landschaftsbildern dort. Die Bilder deuten eine Tiefe an, die die Erzählung nicht hat. Bilder machen Filme. Kleider machen Leute.
Regisseur Ridley Scott auf der Leinwand
Sir Ridley Scott (* 30. November 1937 in South Shields, England) ist ein britischer Filmregisseur und Filmproduzent. Er gilt als einer der renommiertesten und einflussreichsten Regisseure und hat die Erzählweisen mehrerer Filmgenres geprägt.
Scott ist Eigentümer der 1995 gegründeten Filmproduktionsfirma Scott Free Productions.
- Die Duellisten (The Duellists, 1977)
- Alien – Das unheimliche Wesen aus einer fremden Welt (Alien, 1979)
- Blade Runner (Blade Runner, 1982)
- Legende (Legend, 1985)
- Der Mann im Hintergrund (Someone to Watch Over Me, 1987)
- Black Rain (Black Rain, 1989)
- Thelma & Louise (Thelma & Louise, 1991)
- 1492 – Die Eroberung des Paradieses – (1492 – Conquest of Paradise, 1992)
- White Squall – Reißende Strömung (White Squall, 1996)
- Die Akte Jane (G.I. Jane, 1997)
- Gladiator (Gladiator, 2000)
- Hannibal (Hannibal, 2001)
- Black Hawk Down (Black Hawk Down, 2001)
- "Tricks" (Matchstick Men, 2003)
- Königreich der Himmel (Kingdom of Heaven, 2005)
- Ein gutes Jahr (A good Year, 2006)
- American Gangster (American Gangster, 2007)
- Der Mann, der niemals lebte (Body of Lies, 2008)
- Robin Hood (Robin Hood, 2010)
- Prometheus – Dunkle Zeichen (Prometheus, 2012)
- The Counselor (The Counselor, 2013)
- Exodus: Götter und Könige (Exodus: Gods and Kings, 2014)
- Der Marsianer (The Martian, 2015)
- Alien: Covenant (Alien: Covenant, 2017)
- Alles Geld der Welt (All the Money in the World, 2017)
- The last Duel (The last Duel, 2021)
- House of Gucci (House of Gucci, 2021)
- Napoleon (Napoleon, 2023)