IMDB

Plakatmotiv: … und Gerechtigkeit für alle (1979)

Ein zynischer Blick
auf ehrbare Juristerei

Titel … und Gerechtigkeit für alle
(… and Justice for all)
Drehbuch Valerie Curtin & Barry Levinson
Regie Norman Jewison, USA 1979
Darsteller

Al Pacino, Jack Warden, John Forsythe, Lee Strasberg, Jeffrey Tambor, Christine Lahti, Sam Levene, Robert Christian, Thomas G. Waites, Larry Bryggman, Craig T. Nelson, Dominic Chianese, Victor Arnold, Vincent Beck, Michael Gorrin, Baxter Harris, Joe Morton, Alan North u.a.

Genre Drama
Filmlänge 119 Minuten
Deutschlandstart
20. März 1980
Inhalt

Der Anwalt Arthur Kirkland hat ein idealistisches Verständnis vom Rechtssystem. Seiner Meinung nach soll es dafür sorgen, dass der Gerechtigkeit genüge getan wird. Im Laufe seiner Tätigkeit muss er aber feststellen, dass die Realität anders aussieht.

Bürokratische Prinzipienreiter wie der Richter Henry T. Fleming sorgen dafür, dass Kirklands Vertrauen in das Rechtssystem nachhaltig erschüttert wird. Als er gebeten wird, ausgerechnet Fleming in einer Vergewaltigungsklage zu verteidigen, schwant iim Böses. Kirkland geht davon aus, dass Fleming seinen Ruf als glühender Verfechter für die Gerechtigkeit nutzen will, um als Unschuldiger dazustehen.

Widerwillig nimmt er das Mandat an und gerät immer mehr in einen Konflikt über die Frage, ob er seinen vermutlich schuldigen Mandanten zur Freiheit verhelfen will, oder er seine Karriere ins Aus manövriert …

Was zu sagen wäre

Es ist die große Party der Gerechtigkeit, die hinter dem Filmtitel steht. Was ist Gerechtigkeit? Was heißt eigentlich Gerechtigkeit? Die Diskussion über Recht und Unrecht, Gerechtigkeit und Recht begleitet die Gesellschaft, seit es Rechtsprechung gibt. Und je länger es die Rechtsprechung gibt, desto ausgefuchster, zynischer werden die Vertreter dieses Rechts. Sie lernen, Fallstricke zu legen und beim anderen Mal diesen Fallstricken auszuweichen. Die Formulierung „… und Gerechtigkeit für alle“, die dem Film seinen Titel gibt, stammt aus dem Gelöbnis, das Amerikaner auf die Fahne schwören. Sie ist zu einer hohlen Floskel verkommen.

Wenn man sich diesen Film anschaut, könnte man zu der Überzeugung gelangen, dass der Regisseur Norman Jewison ein Buch verfilmt hat, das ein findiger Anwalt geschrieben hat. DVD-Cover: … und Gerechtigkeit für alle (1979) Ist aber nicht der Fall. Norman Jewison ("F.I.S.T. – Ein Mann geht seinen Weg" – 1978; Rollerball – 1975; "Jesus Christ Superstar" – 1973; Thomas Crown ist nicht zu fassen – 1968; In der Hitze der Nacht – 1967; Cincinnati Kid – 1965) hat sich schon selbst ein Bild von der Juristerei gemacht und dann seine Autoren Valerie Curtin und Barry Levinson darauf angesetzt, die potenziellen Mängel im System dramaturgisch zu umreißen.

Um es vorweg zu sagen: Das Justizsystem der Vereinigten Staaten, von dem der US-Amerikaner Norman Jewison hier erzählt, ist „zum Kotzen“.

Den Reflex zu Kotzen haben in Jewison Film einige Rechtsvertreter. Der Film kreist um einen großen Fall, in dem ein honoriger, konservativer Richter mit Ansichten, die man justiziabel fragwürdig nennen kann (er würde gerne Taschendiebe fünf Jahre, Gewalttäter 15 Jahre ins Gefängnis schicken, weil er nicht an die Verhältnismäßigkeit einer Strafe glaubt), angeklagt wird, eine junge Frau vergewaltigt und brutal misshandelt zu haben. Dieser Richter ist, da nimmt der Film unmissverständlich Partei, ein Arschloch. Aber eines, das gut vernetzt ist in der Juristerei und der kommunalen Politik. Gleichzeitig wabern drei Fälle durch den Film, bei denen mehr oder weniger Unschuldige zu teils harten Streifen verdonnert werden, eben weil der zuständige Richter harte Strafen als notwendig erachtet oder er sich auf die Buchstaben des Gesetzbuches beruft und die Alltags-Realität ausblendet.

Für Al Pacino bietet der Film eine Paraderolle (Bobby Deerfield – 1977; Hundstage – 1975; Der Pate II – 1974; Serpico" – 1973; Der Pate – 1972). Pacino zieht als zunehmend verzweifelter Anwalt für die Verzweifelten alle Register seiner Kunst, tobt, schreit, ist liebevoll, engagiert. Er verkörpert die Hilflosigkeit des Durchschnittsmenschen vor den Schranken des Gerichts, vor denen auch ein Anwalt kaum mehr helfen kann. Neben ihm auf der Anklagebank sitzt John Forsythe, der den beklagten Ehrenwerten Richter Henry T. Fleming spielt – mit einer Kälte, einer sich seiner Position in der Gesellschaft der Stadt bewussten Arroganz, die im Kinosessel beeindruckt.

Norman Jewison hat sein Justizdrama als Alltagsdrama inszeniert. Während des Vorspanns geistert seine Kamera durch das Gerichtsgebäude, zeigt Räume für angeklagte Jugendliche beiderlei Geschlechts, eine Ansprechstation für Beschwerden, oder auch den Rückzugsraum für den Richter zwischen dessen, wie wir dann in der Folge lernen werden, Urteilen im Minutentakt, mit denen Menschen ins Unglück gestürzt werden können.

"…und Gerechtigkeit für alle" ist ein verfilmtes Pamphlet gegen den Missstand innerhalb der Justiz. Eitle Richter, verrückte, beinahe lebensmüde Richter richten über den ganz normalen Alltag ganz normaler Menschen, die beim Versuch durchzukommen, halt mal eine blonde Perücke getragen haben.

Wertung: 7 von 9 D-Mark
IMDB