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Plakatmotiv: In der Hitze der Nacht (1978)

Ein einfacher Kriminalfall wird im
Kino zum soziologischen Experiment

Titel In der Hitze der Nacht
(In the Heat of the Night)
Drehbuch Stirling Silliphant
nach dem gleichnamigen Roman von John Ball
Regie Norman Jewison, USA 1967
Darsteller

Sidney Poitier, Rod Steiger, Warren Oates, Lee Grant, Larry Gates, James Patterson, William Schallert, Beah Richards, Peter Whitney, Kermit Murdock, Larry D. Mann, Matt Clark, Arthur Malet, Fred Stewart, Quentin Dean u.a.

Genre Crime, Drama
Filmlänge 110 Minuten
Deutschlandstart
22. März 1968
Inhalt

Bei seiner nächtlichen Streife durch die kleine Stadt Sparta im US-Bundesstaat Mississippi findet der Polizist Sam Wood den Industriellen Philip Colbert ermordet auf. Bill Gillespie, Spartas neuer Polizeichef, gibt daraufhin Anweisung, verdächtige Personen sofort festzunehmen.

Gegen Morgen erscheint Wood mit Virgil Tibbs auf der Polizeistation. Er hat den gut gekleideten Afroamerikaner auf dem Bahnhof aufgegriffen. Tibbs gibt an, er habe seine Mutter besucht und wieder abreisen wollen, im Übrigen sei er Polizeibeamter in Philadelphia. Als sich seine Angaben bestätigen, muss man Tibbs wieder freilassen.

Der erfahrene Kriminalist ist Spezialist für die Aufklärung von Gewaltverbrechen, also jemand, wie ihn Gillespie, der noch nie in einem Mordfall ermittelt hat, dringend benötigt. Dieser hält jedoch – wie viele der Weißen in Sparta – Schwarze für Menschen zweiter Klasse und kann sich nicht dazu überwinden, Tibbs um Hilfe zu bitten. Doch Leslie Colbert, die junge Witwe des Ermordeten, besteht darauf, dass Tibbs in die Ermittlungen eingeschaltet wird.

So beginnt das ungleiche Team mit den Ermittlungen, in deren Verlauf beide Männer lernen müssen, ihre Vorurteile zu hinterfragen …

Was zu sagen wäre

Der Polizeichef von Sparta fährt mit Virgil Tibbs an einer Baumwollplantage vorbei, auf der Afroamerikaner arbeiten: „Wär wohl nichts für Dich, hä?“, fragt Gillespie Tibbs. Es liegt eine unruhige Stimmung in der Luft während des ganzen Films. In dem Städtchen Sparta (Mississippi) wird Rassismus schamlos zur Schau gestellt und gelebt. Virgil Tibbs steht im Mittelpunkt des Films, deshalb fällt es im Kinosessel leicht, sich zu identifizieren und zu erleben, wie es ist, von einer Gesellschaft gemobbt, gejagt zu werden. Der Baumwollplantagenbesitzer, den Tibbs fragt, ob der Ermordete schon mal bei ihm im Gewächshaus war, ohrfeigt ihn für die Frage. Plakatmotiv: In der Hitze der Nacht (1978) Tibbs gibt die Ohrfeige sofort zurück und der Plantagenbesitzer kann nur schwer verstehen, wieso Gillespie Tibbs dafür nicht sofort erschießt. Als alle gegangen sind, fängt der Mann an zu weinen. Als Tibbs zum wiederholten Male Gillespies Ermittlungsergebnisse anzweifelt, motzt der sauer: „Virgil? Was ist denn das für ein Name für einen Neger? Wie nennen Sie Dich denn da oben in Philadelphia?“ „Da oben nennen sie mich Mister Tibbs!“, faucht Tibbs zurück.

So ist die Stimmung den ganzen Film über. Der Mordfall gerät darüber beinahe in Vergessenheit. Ein reicher Geschäftsmann wurde ermordet, der in Sparta eine Fabrik aufziehen wollte mit tausend Arbeitsplätzen, die die Stadt dringend braucht. Als die Witwe des Ermordeten merkt, mit welchen Mitteln die Polizisten eher gelangweilt auf Mördersuche geht, zwingt sie den Bürgermeister dazu, Virgil Tibbs in der Stadt zu behalten, der kenne sich mit der Aufklärung von Morden wenigstens aus. Andernfalls werde sie die Fabrik woanders bauen. Sie ist der einzige weiße Mensch in diesem Film, dem die Hautfarbe egal ist.

Tatsächlich klaubt Chief Gillespie eher wahllos Verdächtige von der Straße, steckt sie ins Gefängnis und geht davon aus, dass sie nach einem ordentlichen Verhör schon gestehen werden. Wo Tibbs rasch festhält, dass es einer nicht gewesen sein kann, weil er Linkshänder ist und außerdem Zeugen hat, mit denen er zur Tatzeit Billard gespielt hat, reicht Gillespie die Tatsache, dass der Festgenommene die Brieftasche des Toten bei sich hat. Überhaupt scheint in Sparta noch nie jemand ernsthaft in irgendeiner Sache ermittelt zu haben. Von moderner Polizeiarbeit jedenfalls ist man in dem verschwitzten Städtchen in Mississippi weit entfernt. Da erweist sich Rod Steiger (Doktor Schiwago – 1965; Der längste Tag – 1962; Schmutziger Lorbeer – 1956; Die Faust im Nacken – 1954) als ideale Besetzung des schwammigen Polizeichefs, der mit harten Methoden und meist keifender Sprache seine Leute scheucht und Verdächtige einschüchtert.

In allem das Gegenteil von Gillespie ist Virgil Tibbs – gut angezogen, höfliche Manieren, gebildet und ein erfahrener Mann in Sachen Mord. In seiner Einheit in Philadelphia sei er der beste Mann, sagt sein Chef Gillespie am Telefon. Sidney Poitier ("Herausgefordert" – 1967; Flucht in Ketten – 1958) spielt Tibbs als lauernden Panther, der dauernd mit einem Angriff rechnen muss, was in dieser Stadt auch jederzeit passieren kann; und dann parliert er wieder kenntnisreich über Pflanzen. Auch Tibbs ist nicht frei von Fehlern. Dass er schließlich in der Stadt bleibt und Gillespie bei den Ermittlungen hilft, tut er, weil er „es uns allen zeigen wird. Das bist Du ja schon Deiner verdammten Eitelkeit schuldig, dass wir Weißen uns mal so richtig blamieren“, wie Gillespie das formuliert. Und nachdem der Plantagenbesitzer ihn geohrfeigt hat, will er den unbedingt als Mörder entlarven: „Ich treibe Ihnen diesen Fettsack genau vor die Flinte. Ich prügle ihn den Hügel runter!“ „Ist es die Möglichkeit“, staunt Gillespie, „Mann, Sie sind ja nicht anders als wir alle.

Der Film von Norman Jewison ("Die Russen kommen! Die Russen kommen!" – 1966; Cincinnati Kid – 1965) erzeugt eine fiebrige Spannung. Jewison setzt Musik nur sehr punktuell ein, da ist die staubige Luft fast spürbar trocken, die feindselige Stimmung intensiv. Die geschickt eingewebte gesellschaftskritische Ebene macht aus dem flirrend heißen Südstaatenkrimi einen großen Film, der mehr erzählt, als nur von der Aufklärung eines Mordes.

Wertung: 8 von 8 D-Mark
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