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Plakatmotiv: Zehn Stunden Zeit für Virgil Tibbs (1970)

Populäre Kinofigur wird fortgesetzt.
Ergebnis: Das is so zäh wie Kaugummi.

Titel Zehn Stunden Zeit für Virgil Tibbs
(They call me Mister Tibbs)
Drehbuch Alan Trustman & James R. Webb
mit Charakteren, erfunden von John Ball
Regie Gordon Douglas, USA 1970
Darsteller

Sidney Poitier, Martin Landau, Barbara McNair, Anthony Zerbe, Edward Asner, Jeff Corey, Norma Crane, Juano Hernandez, David Sheiner, Beverly Todd, Ted Gehring, Linda Towne, Garry Walberg, George Spell, Wanda Spell, John Alvin, Ted Christy, Vic Christy u.a.

Genre Krimi, Drama
Filmlänge 108 Minuten
Deutschlandstart
18. September 1970
Inhalt

Der Geistliche Logan Sharpe wird des Mordes an einer Prostituierten verdächtigt. Sein alter Freund Virgil Tibbs soll den Fall übernehmen.

Obwohl Tibbs an Logans Unschuld glaubt, verdichten sich die Beweise gegen den Priester immer mehr …

Was zu sagen wäre

Der Film heißt "Zehn Stunden Zeit für Virgil Tibbs". Dafür gibt es keinen Grund. Ein derartiges Ultimatum gibt es in der erzählten Geschichte gar nicht. Im Original heißt er "They call me MISTER Tibbs", was ein grotesker Titel für einen Erzählfilm, aber immerhin ein berühmtes Zitat aus einem drei Jahre zurückliegenden Film ist. Damals antwortete so der schwarze Polizist auf die respektlose Frage eines weißen Polizisten: „Virgil? Was ist denn das für ein Name für einen Neger? Wie nennen Sie Dich denn da oben in Philadelphia?“ „Da oben nennen sie mich MISTER Tibbs!“ Es gibt sonst keine Verbindung zu diesem Film, außer, dass eben Virgil Tibbs wieder die Hauptrolle spielt. Dessen Name ist immer noch populär, weil der Film vor drei Jahren, In der Hitze der Nacht, sehr erfolgreich bei Kritikern und zahlenden Zuschauern war; also wollen die Produzenten ihren Film über den Namen Tibbs im Titel verkaufen, im englischen wie im deutschen.

Es ist auch eine der wenigen ernstzunehmenden Titelmöglichkeiten für einen Film, der auf der großen Leinwand einen Krimi auf Fernsehserien-Niveau verkauft. Und "Langeweile für Mister Tibbs" hätte sich sicher nicht gut verkauft. Regisseur Gordon Douglas (Formicula – 1954; Den Morgen wirst du nicht erleben – 1950) inszeniert eine Geschichte, die vorgibt, Tabus zu brechen, dann aber an ihrer eigenen Belanglosigkeit erstickt. Eine Prostituierte wird ermordet. Unter Verdacht steht ein populärer Reverend, der gerade auf dem Sprung in die große Politik ist. Und er ist ein langjähriger Freund des ermittelnden Polizisten Virgil Tibbs. Der will an die Unschuld seines Freundes gerne glauben, ermittelt in alle Richtungen, findet Spuren ins Drogenmilieu ebenso wie in die städtische Baupolitik, aber nirgendwo zwingende Beweise. Weil auch die Öffentlichkeit nichts vom Verdacht gegen den Reverend erfährt, kann Tibbs in wirklich aller Ruhe ermitteln.

Für einen Krimi in zu viel Ruhe.

Ausführlich beschäftigt sich der Film mit dem Familienleben der Tibbs. Wir lernen seine duldsame Ehefrau kennen, die jedes ausgefallene Abendessen mit einem hundeblickigen Kuss kommentiert, und dürfen erleben, wie Virgil Tibbs seinen vielleicht elfjährigen, heimlich rauchenden Sohn antiautoritär erzieht. Für den Film spielen diese sehr langen Szenen keine Rolle, dem Charakter der Figur Tibbs fügen sie auch nichts hinzu. Aber die Drehbuchautoren waren wohl angehalten, unbedingt Stoff genug für einen abendfüllenden Kinofilm zu sammeln.

Der Film sieht aus, als wollten die Geldgeber ein weiteres In der Hitze der Nacht, ohne dass das (weiße) Publikum sich schon wieder einen Spiegel vorhalten lassen muss. Aber ohne das Thema Rassismus wäre auch Norman Jewisons Film von 1967 nur ein Krimi von vielen im Kino gewesen. Tibbs' (weiße) Kollegen und Vorgesetzten finden es zwar schwierig, dass der mit dem Verdächtigen befreundet ist, lassen ihn aber gewähren. Anthony Zerbe (Der Verwegene – 1967; Der Unbeugsame – 1967) taucht als schwer verdächtiger Zuhälter und Drogendealer mit gegelten Haaren und blauer Sonnenbrille auf, gibt den starken Kerl, der dann im dümmstmöglichen Augenblick die Flucht ergreift. Und das war es. Die skandalträchtigen Fährten, die das Drehbuch in die Rathauspolitik legt, verlaufen im Sande. Die allgegenwärtigen Übertragungswagen der Bericht erstattenden Presse haben keine den Ermittlungsdruck erhöhende Auswirkung. Im Finale ist der Film dann wieder am Anfang und Tibbs geht mit seiner Familie nach Hause.

Wenn dieser Film irgendwann einmal historisch werden sollte, dann, weil er zeigt, dass Filmproduzenten Welterfolge nicht einfach am Fließband erzeugen können. Einen Film zu produzieren, in dem die Hauptfigur eines Welterfolgs ein zweites Mal im Mittelpunkt steht, garantiert keinen Erfolg, wenn die Hauptfigur nicht der Grund für den Erfolg war. Sidney Poitier, der diese Hauptfigur spielt ("Rat mal, wer zum Essen kommt" – 1967; In der Hitze der Nacht – 1967; Flucht in Ketten – 1958), ist ein ordentlicher Schauspieler. Aber auch er kann ein hingeschludertes Drehbuch nicht retten.

Die "zehn Stunden Zeit", die Virgil Tibbs im deutschen Filmtitel uninnigerweise gewährt werden, zitieren im Grunde das Gefühl, das sich im Zuschauer breit macht, während er zuschaut: Der Film zieht sich, als dauere er zehn Stunden.

Wertung: 2 von 8 D-Mark
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