Texas, 1949. Als nach dem Tod seines Großvaters die Ranch verkauft wird, auf der er sein ganzes Leben verbracht hat, entscheidet sich John Grady Cole gemeinsam mit seinem besten Freund Lacey Rawlins in Mexiko einen Neuanfang zu wagen. Das Leben der Cowboys südlich des Rio Grande sei romantisch, hatten sie gehört. Hier wollen die Pferdenarren ihre Träume verwirklichen und brechen zu einer abenteuerlichen Reise auf.
Unterwegs begegnen sie einem jungen Ausreißer – eine Bekanntschaft, die noch viel Ärger nach sich ziehen wird.
Als Cole sich auch noch leidenschaftlich in Alejandra, die schöne Tochter eines wohlhabenden Pferdezüchters, verliebt, stürzt ihn dies bald mitten in eine Odyssee, an deren Ende er die wahre Bedeutung von Verantwortung, Liebe und Rache kennen lernen wird …
Das ist endlich der Film, mit dem ich verstehe, was einsilbige Kritiker unter Der Film ist so amerikanisch verstehen. Hier erleben wir einen amerikanischen Mann, der seinen beiden Ur-Ängsten begegnet: Frauen. Und das Ausland.
Die Geschichte spielt 1949 in Texas. Da sind die John Wayne-artigen Zeiten des Westens längst vorbei. Betonierte Straßen durchziehen das Land, stinkende Autos haben die Kutsche abgelöst, Amerika hat den Zweiten Weltkrieg mit schweren Panzern und Flugzeugen gewonnen. Und Frauen können einfach so das Erbe der Familie an einen Ölkonzern verscherbeln, weil sie rechtmäßige Erbinnen sind; wo hätte es das unter John Wayne oder James Stewart gegeben?
Der Film beginnt in Texas, wo John Grady Cole, gespielt von einem aufrechten Matt Damon (Der talentierte Mr. Ripley – 1999; Good Will Hunting – 1997), auf der Farm seines Ur-Ur-Ur-Ur-Großvaters aufwächst und keinen anderen Traum hat, als dieses Land weiter zu bestellen und immer weiter. Weil aber seine Mutter – eine Frau – die einzige Tochter des Großvaters und Farmbesitzers ist, erbt sie die Farm, und weil deren Ehe mit Johns Vater in die Brüche ging und weil sie ohnehin lieber Schauspielerin werden möchte, verkauft sie das aus Johns Sicht wertvolle Familiengut an einen Ölkonzern, der das Dreifache des Werts zu zahlen bereit ist. Der Film lässt offen, warum die Ehe von Johns Eltern in die Brüche ging; in einer kurzen Szene erleben wir seinen Vater, der als Trinker ohne Illusionen geendet ist, aber es klingt an, dass er den Ambitionen und Wünschen seiner Frau (der Erbin der Ranch) nicht genügt hat: „eingezäunt, verramscht und nieder gewirtschaftet“.
Von der Mutter aus der Heimat vertrieben, bleibt dem jungen John nichts anderes übrig, als sein Glück in der Ferne zu suchen, im Ausland: „Es ist schwer, mit anzusehen, wie die Menschen, zu denen du gehörst, vor deinen Augen verfallen. Und wenn das Land auch weg ist, gibt's glaube ich nichts mehr, auf dem man stehen, oder für das man einstehen kann.“
In diesem Ausland, Mexiko, platzen dann auch noch die letzten Selbstverständlichkeiten des Cowboys. Die in vielen Erzählungen kolportierte Weil ich Amerikaner bin-Attitüde führt hier schnurstracks ins Zuchthaus oder vor die einsame Kugel hinterm Wüstenstrauch. John und sein Kindheitsfreund Lacey, gespielt vom einstigen E.T.-Kumpel Henry Thomas (Legenden der Leidenschaft – 1994) geraten in ein korruptes Land, in dem Recht und Gesetz eine Frage des Landbesitzes sind. Und gerade, als John sich dort eine Perspektive eröffnet hat, weil er sich mit Pferden auskennt, verliebt er sich in die Tochter des Großgrundbesitzers, der Penélope Cruz (Woman On Top – 2000) eine – für den männlichen Zuschauer wichtig – unwiderstehliche Aura gibt. Wieder also kommt eine Frau ins Spiel. Und folglich landet John so richtig im Dreck. Da landet er, weil er seiner ur-amerikanischen Haltung folgt: Wir lassen niemals unsere Freunde im Stich. Der junge Ausreißer, den die beiden Freunde unterwegs nicht mehr los werden, dessen Vater nicht aus dem Krieg drüben heimgekehrt ist und dessen Stiefvater ein prügelndes Arschloch ist, erweist sich als naiver Sturkopf, der seine Siebensachen nicht beisammen halten kann und deshalb schon bald als Pferdedieb gejagt wird.
Und so kommen sie also in Teufels Küche, als Vertriebene in einem fremden Land mit fremden Sitten, aber schönen Töchtern einflussreicher Landbesitzer. Billy Bob Thornton, Kinogängern bekannt zum Beispiel in der Rolle des knarzigen NASA-Chefs aus Armageddon und den Klatschlesern bekannt als Ehemann von Angelina "Lara Croft" Jolie, erzählt hier als Regisseur mit der Romanverfilmung "All the pretty horses" von einem Mann, der erwachsen werden muss, und um das zu können, muss er hinaus ins feindliche Leben, wo er sich, sein Leben, sein Recht und sein Gesetz kennen lernen muss, das sich täglich mit dem Gesetz der anderen messen muss. Dabei kommt er über die Klischees der Marlboro-Werbung kaum hinaus.
Thornton bedient (amerikanische) Männerphantasien auf dem Rücken edler Pferde, die er in warmem Ocker mit Gegenlicht und Violinlastigem Score untermalt. Dabei vernachlässigt er seine Geschichte, die darin endet, dass der gute John Grady Cole nach Ben Hur-artigen Entsagungen nach vielen Jahren auf die heimische Scholle heimkehrt mit drei den Zuschauern bekannten Pferden, aber ohne die (gefährliche) Frau.