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Plakatmotiv: Der Schwarze Falke (1956)

Ein dramatischer Western
in prachtvoller Kulisse

Titel Der schwarze Falke
(The Searchers)
Drehbuch Frank S. Nugent
nach dem gleichnamigen Roman von Alan Le May
Regie John Ford, USA 1956
Darsteller

John Wayne, Jeffrey Hunter, Vera Miles, Ward Bond, Natalie Wood, John Qualen, Olive Carey, Henry Brandon, Ken Curtis, Harry Carey Jr., Antonio Moreno, Hank Worden, Beulah Archuletta, Walter Coy, Dorothy Jordan u.a.

Genre Western
Filmlänge 119 Minuten
Deutschlandstart
5. Oktober 1956
Inhalt

Ethan Edwards hat im Sezessionskrieg für die Südstaaten gekämpft. Dann verschwand er. Drei Jahre nach Kriegsende taucht er im Haus seines Bruders Aaron und dessen Frau Martha auf. Wo er war, sagt er nicht. Es fragt auch niemand.

Den drei Kindern der Familie wendet er sich liebevoll zu; seinen Säbel schenkt er seinem Neffen Ben, seinen mexikanischen Orden vermacht er der kleinen Debbie. Zur Familie gehören außerdem Lucy und Martin Pawley, der mit seinem Achtel Cherokee-Blut für Ethan „fast schon wie ein Halbblut“ aussieht. Die Männer fallen auf einen Trick der Indianer herein, vermeintlichen Viehdieben nachspüren zu müssen, so dass sie weit entfernt von der Ranch sind, als diese von Comanchen unter Führung von Häuptling Schwarzer Falke überfallen und niedergebrannt, das Elternpaar und ihr Sohn Ben getötet und die beiden Töchter der Familie, Lucy und die kleine Debbie, verschleppt werden.

Ethan hat schwer daran zu tragen, dass er seinen Verwandten, insbesondere der von ihm geliebten Schwägerin, nicht beistehen konnte. Ihm geht es nun nur noch um Rache. Zusammen mit Martin und dem Nachbarssohn Brad Jorgensen, dem Verlobten von Lucy, begibt er sich auf die Suche nach den beiden Mädchen. In einem Tal entdeckt Ethan, dass sich vier Krieger vom Haupttrupp getrennt haben. Er folgt allein ihren Spuren und kehrt vollkommen verstört und ohne Jacke zurück. Der Grund dafür wird etwas später offenbar, als Brad glaubt, seine geliebte Lucy im Indianerlager entdeckt zu haben. Er beharrt darauf, sie in ihrem „blauen Kleid“ gesehen zu haben. „Du hast Lucy nicht gesehen. Das war ein Comanche, der Lucys Kleid anhatte. Ich habe Lucy in der Schlucht gefunden. Ich habe sie in meinen Rock gewickelt und mit meinen eigenen Händen begraben.“ Als Brad daraufhin Genaueres wissen will, reagiert Ethan hoch emotional: „Willst Du eine Zeichnung? Frag’ mich nie wieder, was mit ihr geschehen ist!“ Brad verliert daraufhin den Verstand und läuft in den Tod.

Die Suchenden verlieren immer wieder die Spur des immer weiter ziehenden Comanchen-Stammes, doch nach fünf Jahren gelingt es ihnen schließlich, die mittlerweile bei den Indianern herangewachsene Debbie ausfindig zu machen. Ethan, der für den Stamm der Comanchen nur Hass empfindet, glaubt, dass Debbie endgültig zur Comanchin geworden ist, und will sie in einem Augenblick, als sie sie jenseits des Indianerlagers antreffen, erschießen …

Plakatmotiv: Der Schwarze Falke (1956)

Was zu sagen wäre

Amerika in der Zwischenzeit: Die schmerzhafte Schlacht ist geschlagen, die Schlacht um Lebensraum ist noch in vollem Gange. Die Wunden aus dem Sezessionskrieg, 1961 bis 1865, als sich Bruder und Bruder in den nicht Vereinigten Staaten an die Kehle gingen, sind noch nicht vernarbt, als Ethan 1868 heimkehrt zur Familie seines Bruders Aaron. Es bleibt offen, was der Mann mit Vergangenheit in den zurückliegenden Jahren getan hat – nach Ansicht des Captains der Texas Rangers könnten „viele Steckbriefe auf ihn passen“. John Ford macht John Wayne, Star vieler seiner Filme, damit zur großen Leerstelle seines Epos, zum Fleisch gewordenen Verlust persönlicher Integrität; so wie Ethan ist es damals vielen Männern ergangen, denen nach jenem Krieg ein entwurzeltes Dasein ohne Familie blieb – „Ich habe einen Eid auf die Regierung der Südstaaten geleistet.“, sagt Ethan stolz, als der Ranger-Captain ihn für die Suche nach den Mädchen vereifdigen will. John Wayne als Kriegsverlierer – ohne sich als Verlierer zu fühlen.

Dieser Mann hat nichts mehr zu verlieren und John Ford ist nicht daran gelegen, dass er die Sympathien der Zuschauer gewinnt. Dieser Ethan Edwards bleibt den ganzen Film über ein Zombie, ein lebender Toter, der Kindern Säbel und Orden schenkt – Erinnerungen an einen verlorenen Krieg – und dann eine jahrelange Odyssee startet, um einer Gruppe Comanchen die beiden Mädchen wieder abzunehmen – ein hoffnungsloses Unterfangen, das nur einer eingeht, der sonst im Leben nichts mehr hat. Dabei gebärdet er sich als Rassist und als Sadist. Als der Suchtrupp einen unter einem Felsen beigesetzten Comanchen findet, schießt Wayne ihm beide Augen aus dem Kopf –  „Ohne Augen muss er ewig zwischen den Winden wandern, kann nicht in die Ewigen Jagdgründe einziehen!“ Ja: Der Held ist ein Arschloch. Aber er ist eben auch John Wayne (Der See-Fuchs – 1955; Rio Grande – 1950; In letzter Sekunde – 1949; Der Teufelshauptmann – 1949; Red River – 1948; Die Freibeuterin – 1942; Ringo – 1939; Westwärts! – 1935). Das macht dieses Arschloch für uns im vergleichsweise sicheren, liberalen 21. Jahrhundert so faszinierend. Im historischen Zusammenhang muss man wohl an dieser Stelle festhalten: Der amerikanische Durchschnittsbürger von 1868 war - und wenn er aus dem Süden stammte, erst recht - ein engstirniger, rassistisch eingestellter Reaktionär. Wayne spielt diesen Typen mit blitzendem Furor im Auge und kalter Selbstverständlichkeit: „Kaum zu glauben, dass es Weiße sind“, sagt einer, als sie auf aus Indianer-Hand befreite Landsleute treffen. „Das sind keine Weißen mehr. Das sind Commanchen!“ ist Edwards knappe Antwort. Wen die Comanchen mal am Wickel hatten, ist für die zivilisierte Welt verloren, soll das heißen.

Knapp zwei Stunden braucht Ford, um die fünf Jahre dauernde Odyssee zu erzählen, verkürzt die erzählte Zeit durch rasche Wetterwechsel zwischen Schneelandschaft und trockener Prairie, durch Briefe, von denen es dann heißt, es sei der erste nach zwei Jahren oder einfach im Dialog: „Glaubst Du, dass der Schwarze Falke uns töten will?“ „Das muss er wohl. Wir haben ihn seit fünf Jahren herausgefordert.“ Dabei hat Ford auch Spannungsaufbau à la Hitchcock im Köcher. Als die Ranger zu Beginn des Films noch nach vermeindlich gestohlenem Vieh suchen, stoßen sie auf ein von einem Comanchen-Speer durchbortes Rind. Weil dem Rind kein Fleisch weggeschnitten wurde, ist Ethan schnell klar, dass die Indianer das Rind als nicht aus Hunger-Gründen getötet haben, sondern, um die Ranger von den heimischen Farmen wegzulocken, von denen sie nun wohl eine überfallen werden. Weil die Farm von ethans Bruder weiter entfernt liegt, galoppieren die anderen zunächst zur zweiten farm, während Ethan nichts tun kann, weil sein Pferd erst eine Pause braucht. Dann schneidet Ford zu Aarons Familie, die den Abendbrottisch deckt. Aaron hört verräterische laute, holt sein Gewehr, geht nach draußen, um vielleicht „noch ein paar Vögel“ zu schießen. Während der Zuschauer längst weiß, was passieren wird, kommen die Personen auf der Leinwand erst langsam dahinter. Das ist Nailbiting inszeniert; gekrönt mit dem Bild, wo die kleine Debbie sich am Grabstein ihrer Großmutter versteckt, dann ängstlich aufblickt und von einem Menschenschatten verdeckt wird. Der Häuptling der Comanchen, Scar (dt. Schwarzer Falke) ist da. Schnitt Ethan reitet auf die Ranch zu und sieht Rauch und Flammen. Was die Indianer mit der Familie angestellt haben, wird nicht gezeigt. Die Perspektive aber ist klar: Aus Sicht der Siedler sind die Indianer nicht die Vertriebenen, sondern die aggressiven Wilden: „Ein Mensch reitet ein Pferd, bis es zusammenbricht. Dann geht er zu Fuß weiter. Dann kommt ein Comanche vorbei, nimmt das Pferd, reitet noch 20 Meilen auf ihm. Dann frisst er's auf!“, sagt Ethan.

Ford behandelt ein klassisches Thema: Die Unsicherheit der Siedler im offenen Land, die sich gegen Räuber, Killer und Indianer sowie gegen eine ungewisse Zukunft stemmen müssen: „Es ist nun mal so: Wir sind in Texas! Hier hängt jedes Menschenleben an einem Faden. So ist es dieses Jahr und so wird es vielleicht noch in 100 Jahren sein. Aber ich glaube nicht, dass es immer so sein wird. Es wird eines Tages ein schönes, friedliches Land sein. Vielleicht braucht es unsere Opfer, um sich selbst zu finden.“ So war der Pioniergeist, den hier Mrs. Jorgensen zusammenfasst. Niemand war damals sicher, ob das Land, das er da beackert, Ertrag bringen wird, oder ob sich im Umkreis weitere Siedler niederlassen werden, eine Stadt gründen. In dieser Welt waren die Rollen klar verteilt: Die Männer jagen und schützen. Die Frauen halten Haus und Hof zusammen – und waren dabei, jedenfalls in John Fords Western keine wimmernden Heimchen. Im Gegenteil, Ford hat immer wieder starke Frauen in seinen Geschichten platziert, die ihren Männern deren Platz schon zuweisen; und immer frischen Kaffee auf dem Ofen haben. Hier spielt Vera Miles so eine Frau (Der falsche Mann – 1956). Als Laurie Jorgensen wartet sie seit Jahren darauf, dass ihr Martin Pawley endlich einen Antrag macht; und so weibchenhaft das aus unserer heutigen Perspektive klingt: Auch hier brauchen wir den Blick im historischen Zusammenhang – und Vera Miles legt derLaurie eine toughe Leidenschaft um, dass niemand fürchten braucht, diese Frau könne sich im harten frontier land nicht durchsetzen.

Ford packt diese epochale Unsicherheit und die sich anschließende epische Suche in die Weiten des Monument Valley, für Ford in vielen seiner Filme visueller Ersatz für Texas, wo seine Geschichten eigentlich spielen (Rio Grande – 1950; Der Teufelshauptmann – 1949; Faustrecht der Prärie – 1946; Ringo – 1939). Das Monument Valley mit seinen markanten Tafelbergen liegt im Grenzgebiet von Utah im Norden und Arizona im Süden und bietet eine großartige, für die breite Technicolor-Leinwand wie geschaffene Kulisse für große Bilder. Landwirtschaftlich hingegen ist die Gegend kaum zu nutzen. So sieht sie in Fords Filmen auch deutlich aus. Es ist also kaum wahrscheinlich, dass sich Siedler ausgerechnet dort eine Farm aufbauen würden – mit demselben Realitätsanspruch könnte man freilich monieren, dass John Wayne immer trifft und seine Gegner stets danebenschießen, also was soll's? Fürs Western-Kino gibt es wenige Schauplätze, die schöner sind als das Monument Valley. Heute wird die Region auch „John-Ford-Country“ genannt und „John Ford's Point“ heißt ein Felsvorsprung, den Ford häufig als Kamerastandpunkt genutzt hat.

Dass wir jetzt umkehren, will gar nichts heißen. Wir geben nicht auf. Wenn sie lebt, ist sie in Sicherheit; wenigstens vorläufig. Sie behalten sie und sie wächst auf, wie eine Indianerin. Bis sie alt genug ist, um …“ „Aber, glaubst Du, dass es noch eine Möglichkeit gibt, sie zu finden?“ „Der Indianer jagt einer Sache nach, bis er glaubt, dass er genug gejagt hat. Dann hört er auf. Genauso macht er's auf der Flucht. Ich glaube, er wird es nie begreifen. Dass es Menschen mit Ausdauer gibt. Darum werden wir sie schließlich finden, ich verspreche es Dir. Wir finden sie! Das ist so sicher, wie das Amen in der Kirche!“ Es ist ein dramatischer Film, der seine Zeit überdauert hat, weil er einen schmerzlichen Verlust befürchten lässt: Debbie ist nun eine Comanche. Die junge Natalie Wood, die mit ihren 18 Jahren gerade noch so als 14-Jährige durchgeht (siehe: Realitätsanspruch), eine ehemals weiße Tochter, bleibt der weißen … der Herrenrasse entrissen – vielleicht dauerhaft? Wie vielen Siedlern sind so ihre Kinder abhanden gekommen. In diesen Momenten holt uns Ford ganz nah an sein Drama.

Mehrmals sogar kommen seine Figuren zu uns in den dunklen Kinosaal. Immer wieder filmt Ford die Weite des Landes durch die verangende Perspektive einer offenen Tür oder durch einen Felsvorsprung, was den visuellen Effekt hat, dass die Leinwand zu zwei Dritteln ganz dunkel ist (wie der Kinosaal) und in der Mitte – durch die Tür, durch den Felsen – strahlend sonnig die Prairie zu sehen ist, aus der Menschen hineintreten – in Dunkle, in die Sicherheit des Hauses, die Sicherheit des Kinos, zu uns. Nur John Wayne nicht. Im Schlussbild hat Ethan alle überlebenden Familienmitglieder sicher zu Hause abgesetzt, die kamera steht wieder im Haus und schaut durch die Tür, alle kommen herein, nur Ethan bleibt draußen noch einen Moment lang stehen. Dann dreht er sich von der Kamera weg und geht – irgendwohin, nur nicht in die Arme der Familie, die er sich nach Hollywoods Moralmaßstäben nicht verdient hat. „A man will search his heart and soul …“ Der Originaltitel „The Searchers“ umfasst viel mehr als die offensichtliche Suche nach den entführten Mädchen – sie umfasst die Suche einer Nation nach ihrem Zentrum, die Suche des Menschen nach Familie und Heimat – in der Ethan keinen Platz hat. Ähnlich wie Moses, der Gott zweifelte und deswegen starb, bevor das Gelobte Land erreicht war, hat sich Ethan versündigt an den Idealen dieser Gesellschaft, nimmt sein Schicksal an, dreht sich um und geht weg – während alle anderen, die Familie, die Geretteten, die Liebenden hineinkommen zu uns ins Dunkel des Kinosaals.

Wertung: 8 von 8 D-Mark
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