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Plakatmotiv: Good Will Hunting – Der gute Will Hunting (1997)

Robin Williams spielt wie immer
Damon & Affleck sind Entdeckungen

Titel Good Will Hunting – Der gute Will Hunting
(Good Will Hunting)
Drehbuch Matt Damon & Ben Affleck
Regie Gus van Saint, USA 1997
Darsteller

Matt Damon, Robin Williams, Ben Affleck, Stellan Skarsgård, Minnie Driver, Casey Affleck, Cole Hauser, John Mighton, Rachel Majorowski, Colleen McCauley, Matt Mercier, Ralph St. George, Rob Lynds, Dan Washington, Alison Folland u.a.

Genre Drama
Filmlänge 126 Minuten
Deutschlandstart
19. Februar 1998
Inhalt

Der 20-jährige Will Hunting bewohnt in einer heruntergekommenen Gegend in South Boston eine nur spärlich möblierte Wohnung und verbringt seine Freizeit mit seinen Freunden Chuckie, Billy und Morgan mit Baseballspielen und anschließenden Trinkgelagen in Bars. Zudem prügelt er sich gerne. Er kann bereits einige Vorstrafen vorweisen, die von Körperverletzung bis zum Autodiebstahl reichen. Sein Geld verdient er mit diversen Hilfsarbeiter-Tätigkeiten. Derzeit arbeitet er als Reinigungskraft an dem renommierten Massachusetts Institute of Technology in Cambridge, wo er die Flure wischt. Als er dort komplizierte, für Studenten gedachte, an eine Tafel geschriebene mathematische Aufgaben mühelos löst, entdeckt Mathematik-Professor Gerald Lambeau das bislang unbekannte mathematische Genie in ihm.

Nachdem Will zum wiederholten Male eine Prügelei angezettelt hat, kommt er vor Gericht und wird aufgrund seines Vorstrafenregisters zu einer Gefängnisstrafe verurteilt. Professor Lambeau trifft mit dem Richter die Vereinbarung, Will unter Beobachtung von Lambeau aus dem Gefängnis zu entlassen, sofern er sich an zwei Bedingungen hält: Er muss sich einmal pro Woche mit dem Professor treffen und sich in therapeutische Behandlung begeben. Als Will bereits den fünften Therapeuten dazu gebracht hat, die Zusammenarbeit mit ihm aufzugeben, sieht Lambeau die letzte Chance in dem Psychologen Sean Maguire vom Bunker Hill Community College in Charlestown. Maguire, den er noch aus seiner Studienzeit kennt, stammt aus dem gleichen Arbeiterviertel von Boston wie Will. Er findet nach und nach Zugang zu Will und bringt ihn dazu, sich Herausforderungen zu stellen, statt ihnen auszuweichen. Sean spricht die Sprache, die Will versteht. Er gibt Dinge aus seinem Leben preis, offenbart sich immer auch ein Stück weit selbst, verhält sich zunehmend als väterlicher Freund. Beide tauchen in ihre Lebensgeschichten ein, geben ihre Verwundungen zu erkennen. Will, als Waise vom Stiefvater misshandelt. Sean, Witwer, dessen Frau an Krebs starb.

In einer Bar trifft Will die Studentin Skylar, die ihm ihre Telefonnummer gibt. Es kommt zu einem Treffen und die beiden verlieben sich ineinander.

Lambeau hat vor, Will möglichst bald eine lukrative Stellung in Forschung oder Industrie zu vermitteln, die seinen Fähigkeiten entspricht. Will ist jedoch nicht bereit, das vertraute Hilfsarbeiterleben mit seinem Kumpel Chuckie gegen ein bürgerliches Dasein einzutauschen. Professor Lambeau kann das nicht verstehen, der Kontakt zwischen den beiden bricht ab. Auch von Skylar trennt Will sich wieder mit der Behauptung, er liebe sie nicht. Tatsächlich hat er auch hier nur Angst davor, eine endgültige Entscheidung zu treffen …

Was zu sagen wäre

Es ist wohl Jean-Yves Escoffier, der diesen Film über den Grad des ohnehin besonderen heraushebt. Der Director of Photography unterstützt die Erzählung mit einer Farbgebung, die es uns im Kinosessel einfach macht, uns einzufinden. Ich rede nicht von einer abstrakten Kunstfertigkeit. Es sind nur zwei drei Szenen, in denen aufblitzt, was Kameraleute für engagierte Regisseure und Drehbuchautoren tun können. Einmal sitzt Will Hunting, der auf irgendeine Weise super gescheit erscheint – fotografisches Gedächtnis? – in einem Vorstellungsgespräch bei einem Personal-Entscheider der National Security Agency, was sowas ist, wie eine vielmals geheimnisvollere CIA. Zunächst erlebten wir das Gespräch aus Wills Perspektive: Ein Mann mit Halbglatze und klugen Karrieresätzen sitzt vor einem Panoramafenster und referiert. Im Gegenlicht des großen Fensters können wir den Mann kaum erkennen. Es ist eine kalte, abweisende Situation innerhalb einer für den ungelernten Arbeiter Will Hunting aber unglaublichen Zukunftsperspektive: Für ihn interessieren sich die Besten der Besten. Dann setzt Will Hunting zu einem Monolog an, in welchem er erklärt, warum ihn der Job bei der NSA einen Scheiß interessiert. Da sitzt er gar nicht mehr in dem NSA-Bewerbungsstuhl, sondern im gelben Sessel bei Sean Maguire, dem Psychiater, mit dem Will sich einmal in der Woche, Auflage des Gerichts, treffen muss. Dass er nicht mehr bei der NSA sitzt, fällt zunächst gar nicht auf, weil Escoffiers Kamera so nah an sein Gesicht heran gefahren ist. Aber die Farbgebung ist anders. Nicht mehr kalt und blau vor dem NSA-Panoramafenster, sondern warm, gelb, orange, grün wie die Farben in einem afrikanischen Kriegsgebiet, über das Will hier gerade spricht.

Dem Film liegt ein intelligentes Drehbuch zugrunde, das aber genau so gut als einer dieser Filme hätte enden können, die man auch nicht gesehen haben muss. Robin Williams ist ja irgendwie auch kein Grund mehr, um unbedingt ins Kino zu gehen; hat man von ihm nicht alles gesehen und zuverlässig geweint (Flubber – 1997; "Harry außer sich" – 1997; Jack – 1996; The Birdcage – Ein Paradies für schrille Vögel – 1996; Jumanji – 1995; Neun Monate – 1995; Mrs. Doubtfire – 1993; Toys – 1992; Hook – 1991; König der Fischer – 1991; Schatten der Vergangenheit – 1991; Zeit des Erwachens – 1990; Cadillac Man – 1990; Der Club der toten Dichter – 1989; Good Morning, Vietnam – 1987; Garp und wie er die Welt sah – 1982; "Popeye – Der Seemann mit dem harten Schlag" – 1980)? Jean-Yves Escoffier gibt der Welt dieses Psychiaters ein heimeliges Zuhause. Und Robin Williams gibt dieser Figur in diesem von Muskel-Schlägern dominierten Drama einen Vater. Denn obwohl der Film im Kreise der Studenten des Massachusetts Institute of Technology (MIT) in Cambridge spielt, der renommiertesten Universität für alle Naturwissenschaftler, haben wir es hier mit einem Coming-of-Age-Film zu tun, der im allgemeinen mit Teenagern besetzt wird.

Will Hunting ist 20 Jahre alt, hinkt aber seiner Entwicklung hinterher. Er hat eine unglückliche Geschichte in falschen Pflegefamilien hinter sich, in der grausame Pflegeväter eine Hauptrolle spielten und andere Personen, die wir uns lieber nicht so genau vorstellen wollen, aber er kann in einer Studentenkneipe einen klug daher redenden Harvard-Studenten auf drei Zentimeter reduzieren, weil Will alles, was er je gelesen hat, behält und dem Studenten dessen auf Status und elitäre Ausbildung eingebildeten Chefauftritt gründlich vermiest: „Wolltest Du uns das gesamte Buch vortragen, oder hast Du auch eine eigene Meinung? Ist das von Dir irgend so eine Masche? Ich meine, Du kommst hier abends in eine Bar, lernst vorher irgendeinen obskuren Text auswendig und gibst damit mächtig an? Nur, um irgendwelche Frauen aufzureißen und meinen Freund lächerlich zu machen. Das Tragische bei Typen wie Dir ist, dass Du in fünfzig Jahren anfängst, eigene Gedanken zu entwickeln. Und dann wirst Du plötzlich feststellen, dass im Leben mindestens zwei Sachen sicher sind. Erstens, dass man sowas nicht macht. Und zweitens, dass Du 150 Riesen für eine Scheiß Ausbildung in den Sand gesetzt hast, die Du kostenlos aus jeder Leihbücherei bekommen kannst.“ Dieser Auftritt bringt Will Hunting die Telefonnummer der von diesem Auftritt sehr beeindruckten Studentin Skylar ein. Aber wie wir feststellen werden, ist der gute Will weitaus weniger beeindruckend, als seine an diesem MIT mit seinen fantastischen Naturwissenschaftlern herausragenden Mathefähigkeiten vermuten lassen. Er kann nämlich nicht abstrahieren. Er behält alles, was er gelesen hat. Aber er glaubt eben auch, weil er ja quasi alles weiß, dass er bei Problemen niemals die Schuld bei anderen suchen darf. Er weiß, dass das Leben scheiße ist. Steht ja in den Büchern. Was soll er sich also damit befassen?

Die für Will entscheidenden Figuren werden Skylar, die Studentin, Chuckie, sein bester Kumpel. Und eben Sean Maguire, der Psychiater, der zusammenhängt mit Prof. Gerald Lambeau, einem Mathematikprofessor und Mathematikgenie, der in Will Hunting einen Intellekt erkennt, wie ihn maximal Albert Einstein besessen hat und der ihn deshalb unbedingt in eine akademische Laufbahn bugsieren möchte, von der Will aber gar nichts hält. Es sind alle Elemente des Coming-of-Age vorhanden, die im Kino eigentlich bei Figuren stattfinden, die fünf, sechs Jahre jünger sind.

Gerald Lambeau will den jungen Mann in die allseits anerkannte Arbeitswelt als Genie vermitteln, sieht darin dessen große Chance, sich als Albert Einstein des 21. Jahrhunderts zu verewigen. Damit kann und will der ungelernte Will nichts anfangen. Die Kumpels verlassen, mit denen es beim abendlichen Bier oder bei den gemeinsamen Schlägereien so viel zu lachen gibt? Warum? Es ist dann Best Buddy Chuckie, der Will den Kopf zurechtrückt, dem Robin Williams' Psychiater Sean erst beigebracht hat, dass er sich tatsächlich von links nach rechts, von unten nach oben bewegen kann: „Du bist es doch nicht Dir schuldig, Du Arschloch. Wenn, dann mir! Ich wache morgen früh auf und bin 50. Und schufte immer noch hier. Das geht in Ordnung so, glaub mir. Aber Du. Du hast 'n Lottoschein mit sechs Richtigen in der Tasche und bist zu feige, ihn einzulösen. Das ist Schwachsinn. Unsereins wäre glücklich, wenn er das hätte, was Du hast. Und ich weiß, dass es allen Wichsern hier so geht. Eine Beleidigung wäre es, wenn Du in 20 Jahren immer noch hier wärst. Du verplemperst doch bloß Deine Zeit, wenn Du hier bleibst. (…) Jeden Tag komme ich zu Dir und hole Dich mit meiner Karre ab. Wir fahren dann irgendwohin ein paar Bier trinken, quatschen ein bisschen und das ist echt gut so! Aber willst Du wissen, was das Schönste ist? Das sind die zwölf Sekunden, die ich laufen muss von meinem Auto bis zu Deiner Tür. Dann stelle ich mir vor: Ich klopfe draußen an und keine Sau macht mir auf. Kein Lebewohl. Kein Machs gut. Gar nichts! Weil Du weg bist. Ich verstehe ja nicht viel. Aber das verstehe ich ganz gut.“ Da hat Will gerade eine mögliche Zukunft mit Skylar weg geschmissen, weil das ja eh nicht funktionieren kann – er aus South Boston, dem Arme-Leute-Viertel und sie, die Erbin eines Vermögens, die ans College im kalifornischen Berkley wechselt. Und da hat ihm Psychiater Sean gerade offenbart, dass zwar das Wissen zwischen Buchdeckeln eingebunden ist, von wo man es dann auswendig memorieren kann, das Leben aber mit diesem Wissen nicht immer oder gleich gar nichts zu tun hat. Leben müsse man schon selbst. Auf die Gefahr hin, dass es kein Netz gibt. Aber die Erfahrung, sagt der Witwer Sean, sei unvergleichlich. Und deshalb bricht auch er nochmal auf und alle Brücken hinter sich ab, der Psychiater und Witwer Sean, weil er anders herum über seinen Patienten Will zurück ins aktive Leben abseits trockener Vorlesungen gefunden hat.

Hier verabschiedet sich das Drehbuch vom klassischen Coming-of-Age. Hier macht nicht nur das (spät pubertierende) Kind eine Entwicklung durch, sondern auch seine beiden "Väter", die für es genaue Vorstellungen haben, im Laufe der Geschichte aber feststellen, dass sie in dem Jungen vor allem ihre verpassten Lebensträume nachzuholen versuchen. "Good Will Hunting" funktioniert nicht nur wegen seines klugen Director of Photography. Es funktioniert auch wegen eines klugen Drehbuchs. Jean-Yves Escoffier bringt es nur zum Leuchten.

Wertung: 5 von 6 €uro
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