Er war eine schillernde Persönlichkeit und schrieb vor 40 Jahren einen mit dem Pulitzerpreis gekrönten Roman. Seitdem hat niemand mehr etwas von William Forrester gehört. Und so soll es nach seinem Willen auch bleiben. Forrester will die letzten Jahre seines Lebens in Isolation verbringen.
Bis der 16jährige Afro-Amerikaner Jamal Wallace, der sich auf dem Basketballfeld als genauso talentiert erweist wie im Klassenzimmer, eines Tages über die Türschwelle der exzentrischen, alternden Literaturlegende tritt und unerwartet Forresters längst vergessene Träume neu entfacht.
Wallace und Forrester freunden sich an. Der Schriftsteller hilft dem Schüler, sein literarisches Talent zu entwickeln. Jamal schreibt übungshalber Texte, indem er den Titel und ersten Absatz von Texten Forresters übernimmt. Einen solchen Text reicht Jamal bei einem Schreibwettbewerb der Schule ein. Dabei stellt sich heraus, dass Forresters Originaltext bereits vor Jahrzehnten veröffentlicht worden ist, und Wallace wird von dem neidischen Professor Crawford des Plagiats bezichtigt.
Einzig die Erlaubnis des Originalautors könnte ihn vor einer Suspendierung retten, aber dafür müsste er sein Versprechen brechen, niemandem von Forrester zu erzählen …
Das Spiel unter dem Korb. Es besteht aus Tarnen und Täuschen und Tricksen, daraus, dem Gegner eine Linksdrehung anzudeuten, dann aber rechts herum zu spielen und den Gegner dadurch ins Leere laufen zu lassen. Darum geht es in diesem Film, um die angetäuschte Drehung, mit der Spieler zum Ziel kommt. Natürlich geht es nicht um das Basketballspiel. Es geht um das Spiel des Lebens, für dass Du neben Drehungen Vertrauen in die Leute brauchst, die Dich umgeben. Ein junger Mann aus der Bronx hat Qualitäten, die er nicht ausspielen kann, weil er ein Schwarzer ist, von dem alle erwarten, dass er vielleicht ein passabler Basketballer wird – weil das Schwarze nun mal tun – aber niemals ein Intellektueller – wie es die Weißen dann werden; und damit steinreich.
Es ist ein komisches System mit den Stipendien an US-amerikanischen Elite-Unis. Gefördert werden sollen die Besten, egal aus welcher Ecke des Landes sie kommen. Da sind sie ganz überparteilich: Die Herkunft spielt keine Rolle. Aber es ist dann natürlich doch in den allermeisten Fällen so, dass die Mädels und Jungs aus den, sagen wir: abgehängten Ecken des Landes dann gesponsert werden, wenn sie gute Spieler, Tänzerinnen sind. Während die Kinder aus den gepamperten Ecken des Landes auch wegen des Inhalts in ihren Köpfen gefördert werden – oder wegen des Bankkontos ihres Dads. Das hat zur Folge, dass das System der Eliten sich zwangsläufig in einer Form von Inzucht tot läuft.
Jamal zum Beispiel ist ein passabler Basketballspieler aus der Bronx, interessant für die hochmögende New Yorker Mailor-Schule. Interessant deshalb, weil ein guter Spieler das Team besser macht, das Team die Schule erfolgreich strahlen lässt und dieser Erfolg die vermögenden Sponsoren anlockt, die womöglich Geld in die Schule spenden. Wenn dann Jamal in drei, vier Jahren ausgepowert ist, na dann verschwindet er halt von der Schule. Irgendein sportlich talentierter Nachwuchs findet sich immer, während man in den wuchtigen Klassenräumen mit den Stuckdecken den Nachwuchs der Alten und Reichen heranbildet, auf dass diese Anwälte, Unternehmer, Präsidenten werden, denen einer wie Jamal die Limousine chauffiert.
Jamal aber ist nun einer, der eigentlich gar nicht spielen will. Jamal will schreiben. Aber das kann er in seiner Hood niemandem sagen, weil sie ihn dort sonst fals Pussycat verhöhnen würden. Und an der Schule sind sie an seinem geistigen Talent nicht wirklich interessiert. „Ist das das Leistungsniveau, mit dem ich zu rechnen habe?", fragt Professor Crawford, nachdem er einen Text Jamals gelesen hat. „Wenn dem nämlich so ist, wird es mich entscheidend darin beeinflussen, ob ich Sie als Schüler behandele, oder als jemanden, der hier ist, um, wie soll ich mich ausdrücken, andere Ziele zu verfolgen?“ Womit er meint: Wenn Du hier für die Basketball-Punkte gefördert wirst, muss ich mich als Literatur-Lehrer nicht weiter um Dich kümmern. F. Murray Abraham in einer Variation seiner mordneidischen Salieri-Rolle aus Amadeus – „Bitter enttäuschte Lehrer können entweder sehr effektiv sein, oder sehr gefährlich!“, heißt es über ihn im Film. Er hat die angetäuschte Körperdrehung nicht geschafft, wollte den großen Roman des 21. Jahrhunderts schreiben; es reichte aber nur zu einem Leben als enttäuschter Lehrer. Abraham (Muppets aus dem All – 1999; Star Trek: Der Aufstand – 1998; Mimic – Angriff der Killerinsekten – 1997; Geliebte Aphrodite – 1995; Last Action Hero – 1993; Loaded Weapon 1 – 1993; Fegefeuer der Eitelkeiten – 1990; Der Name der Rose – 1986; Scarface – 1983; Die Unbestechlichen – 1976; Taxi Driver – 1975; Serpico – 1973) spielt ihn neidzerfressen gegen jeden, der mehr Talent hat. So einer wie Jamal. Oder William Forrester, das gefeierte Autorengenie.
Aber der hat von seinem Erfolg, „den amerikanischen Roman des 21. Jahrhunderts geschrieben“ zu haben, gar nichts. Jedenfalls nichts als Frustrationen. Er hat das Gefühl, niemand höre ihm zu. deshalb hat er sich vor Jahren in seine Wohnung in der Bronx eingeschlossen, lässt sich alles, was er zum Leben braucht, liefern und will bloß in ruhe gelassen werden. Ein Autor, der längst nicht mehr gelesen, sondern interpretiert wird. Sean Connery (Verlockende Falle – 1999; Leben und Lieben in L.A. – 1998; Mit Schirm, Charme und Melone – 1998; The Rock – 1996; Der 1. Ritter – 1995; Die Wiege der Sonne – 1993; Das Russland-Haus – 1990; Jagd auf Roter Oktober – 1990; Family Business – 1989; Indiana Jones und der letzte Kreuzzug – 1989; Die Unbestechlichen – 1987; Camelot – Der Fluch des Goldenen Schwertes – 1984; Flammen am Horizont – 1982; Outland – 1981; Robin und Marian – 1976; Der Mann, der König sein wollte – 1975; Die Uhr läuft ab – 1975; Mord im Orient-Express – 1974; Zardoz – 1974; James Bond 007 – Diamantenfieber – 1971; Marnie – 1964; Die Strohpuppe – 1964; James Bond 007 jagt Dr. No – 1962) spielt ihn als alternden Griesgram, der in dem Jungen etwas entdeckt, was er glaubt, in sich verloren zu haben: „Einmal habe ich beschlossen: Ein Buch ist genug!“
Beide alten Männer, Connery und Abraham, sind nahe Verwandte der beiden Professoren aus Good Will Hunting, in dem "Forrester"-Regisseur Gus Van Sant eine ganz ähnliche Geschichte erzählt wie hier. Beide Alten sehen in Jamal, dem Jungen, ihre alten Träume. Aber hier will der eine ihn zum Blühen bringen, der andere ihn zerstören. Zwischen diesen Polen muss Jamal seinen Weg finden. Das ist das Drama in diesem Film. Dass Gus Van Sant, um es zu erzählen, mehr als zwei Stunden braucht, ist umständlich, denn die Basics, aus denen das Drama entsteht, hat er schnell gelegt. Und dann könnte es ja eigentlich losgehen. Tut es aber nicht. Es braucht allein 40 Minuten, bis Jamal einen Fuß in der Tür der Elite-Schule hat, also Kontakt zu einer höheren (weißen) Tochter aufgenommen hat.
Anna Paquin (Almost Famous – 2000; X-Men – 2000; Amistad – 1997; Das Piano – 1993) hat diese Mischung aus zynischer Arroganz der höheren Töchter und deren Neugier auf den Fremden: „Mailor war ursprünglich eine reine Jungenschule. Und da hat mein Vater das getan, was jeder in seiner Position tun würde. Er hat sich ins Direktorium wählen lassen und die Vorschriften geändert. Und das wissen auch alle Schüler.“ Während Rob Brown als heimlich talentiertes Großhirn Jamal Wallace mit dem Ausdruck des Ich-gehöre-nicht-hierher auftritt und viel zu lange auf die Hilfe der Anderen wartet: „Schwer ist es, irgendwo aufzuwachsen, wo nicht mal die Bullen hin wollen, nachdem es dunkel ist. Schwer ist es, dass Dir nichts passieren kann, weil die Typen, vor denen Du Angst haben musst, checken, dass bei Dir nichts zu holen ist.“ „Dann ist es gut, dass Du hier bist?“ „Ja. Aber die Leute hier glauben auch, dass bei mir nichts zu holen ist.“).
"Finding Forrester" gehört dem Genre des Coming-of-Age an. Der Rahmen der hohen Literatur animiert Drehbuchautor Mike Rich zu schönen Dialogen, gesprochen in schöner Kulisse von guten Schauspielern.