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Plakatmotiv: Almost Famous – Fast Berühmt (2000)

Almost Famous träumt
zerplatzte Träume

Titel Almost Famous – Fast Berühmt
(Almost Famous)
Drehbuch Cameron Crowe
Regie Cameron Crowe, USA 2000
Darsteller

Patrick Fugit, Billy Crudup, Kate Hudson, Frances McDormand, Philip Seymour Hoffman, Jason Lee, Patrick Fugit, Zooey Deschanel, Michael Angarano, Anna Paquin, Fairuza Balk, Noah Taylor, John Fedevic, Liz Stauber, Jimmy Fallon u.a.

Genre Drama, Musik
Filmlänge 122 Minuten
Deutschlandstart
3. Mai 2001
Inhalt

William, 15 Jahre alt, ist leidenschaftlicher Musikliebhaber. Anfang der 70er Jahre bietet sich ihm überraschend die Chance, als Reporter für das renommierte Rolling Stone Magazin über die US-Tournee der Newcomer-Band Stillwater zu schreiben. Noch ehe William so recht weiß, wie ihm geschieht, sitzt er neben seinen Idolen im Tour-Bus und wird Zeuge des Mythos Rock'n Roll.

Es entsteht eine besondere Beziehung zwischen William, dem ebenso egomanischen wie charismatischen Lead-Gitarristen Russell Hammond und der musenhaften Penny Lane. Und statt wenige Tage begleitet William die Band schließlich über mehrere Wochen. Während William am abenteuerlichen und chaotischen Leben der Musiker teilnimmt, wartet die Redaktion der Zeitschrift "Rolling Stone" ungeduldig auf Williams erste Arbeitsproben. Doch immer wenn William versucht, die Musiker zu interviewen, kommt etwas dazwischen. Und dann nerven auch noch die ständigen Telefonanrufe seiner resoluten Mutter, die sich große Sorgen macht und William mit ihrer Überfürsorglichkeit blamiert.

Als William es doch noch schafft, seine Eindrücke auf Papier zu bringen, will der "Rolling Stone" die Story auf die Titelseite bringen. Doch dann dementieren die Bandmitglieder alle Statements, und William steht als Betrüger da …

Was zu sagen wäre

Die Verfilmung des Gefühls, dass früher alles besser war, und wenn schon nicht besser, dann doch irgendwie, na ja, ehrlicher, rauer, nicht so organisiert. Ein Film über eine Kunstform, zu der ich nie durchgedrungen bin. Musik ist für mich immer ein Nebenbeimedium geblieben, mit Leuten wie Mick Jagger, David Bowie oder Marianne Faithful verbindet mich nichts. Ich liebte diese Musik in den 70ern – Genesis, Pink Floyd, Deep Purple – aber die Macher dahinter waren mir einerlei. Ich mochte nur den Sound. Dass die Songs auch Inhalte hatten, ging mir nicht ein, dass "Tommy" von The Who eine Geschichte über eine grässliche Jugend in England ist, dass "The Wall" von Pink Floyd von zerplatzten Träumen und einem kaputten Gesellschaftssystem handelt, wurde mir erst bewusst, als ich die aus diesen Rockopern entstandenen Filme gesehen habe. Mein Medium für das Erzählen ist immer schon der Film.

Und nun also "Almost Famous" von Russell Crowe, einem der interessanteren Regisseure, die sich in den 90ern einen Namen gemacht haben (Jerry Maguire: Spiel des Lebens – 1996; "Singles – Gemeinsam einsam" – 1992; "Teen Lover" – 1989). Es geht um Rockmusik in den 70er Jahren und um Leben und Sein einer Rockband. Und nichts von dem, was ich sehe, ist mir fremd. Crowe erzählt – ein bisschen angelehnt an seine eigene Geschichte – von einem Teenager mit nervtötend moralischer Mutter (die sogar Weihnachten schon im September mit der Familie feiern lässt, damit der Kommerz, der um das offizielle Fest entsteht, nicht in die Köpfe ihrer Kinder eindringen kann), der Musik liebt und gerne über sie schreibt und es so in die Mitte seiner Idole schafft. Es mischen sich Elemente aus Roadmovie, Coming-of-Age, Künstlerdrama und Musical zu einem stimmigen Ganzen, das von einem wunderbaren Cast umrahmt wird.

Da ist der 18-jährige Patrick Fugit, der ein wenig Fernseherfahrung von der "Killerameisen greifen an"-Art hat. Er spielt den scheuen, zielstrebigen, verliebten William und wir glauben ihm jeden Gesichtszug, glauben, dass er am Ende erwachsener ist, als die Musiker. Seine moralische Mutter spielt Frances McDormand, die ihren vielen ikonischen Figuren (Die WonderBoys – 2000; Zwielicht – 1996; Fargo – Blutiger Schnee – 1996; Rangoon – 1995; Short Cuts – 1993; Barton Fink – 1991; Miller's Crossing – 1990; Darkman – 1990; Mississippi Burning – 1988; Arizona Junior – 1987; Blood Simple – 1984) hier eine weitere hinzufügt. Ihr Beben zwischen strengem Verbieten, aber die Kinder flügge werden lassen, ist herzerbebend – und wenn es sein muss, faucht sie die Drogen konsumierenden, immer fröhlich verantwortungslosen Musiker zusammen, dass denen Gesang und Laissez faire vergeht. Plakatmotiv (US): Almost Famous (2000) Billy Crudup, (Alle sagen: I love You – 1996) spielt den charismatischen Gitarristen Russell der trittsicher zwischen Cool und unbedingt-cool-sein-wollen balanciert. Schließlich ist da das Groupie Penny Lane, ein junges Mädchen, das den Begriff Groupie ablehnt, sich lieber als Band Aid bezeichnet, glaubt, mit ihrer Anwesenheit den Künstlern Inspiration zu geben, doch hauptsächlich in deren Betten landet und im größten Liebeskummer zur finalen Tablettenpackung greift. Kate Hudson spielt sie hinreißend (Dr. T and the Women – 2000; "Alles über Adam" – 2000; "Eine Nacht in New York" – 1999). Fröhlich, keck und voller falscher Träume von einem sonnigen Leben, wenn diese Band-Aid-Sache ihr natürliches Ende findet.

Während der minderjährige William versucht, wie ein Volljähriger zu wirken und ernsthafte Texte zu schreiben, verliebt er sich in das fröhliches Groupie, während wir den Rock & Roll in jener Zeit erleben, als er von findigen Marketingleuten zunehmend auf ihre kommerzielle Verwertbarkeit hin zurechtgebogen wird. Auch Stillwater, die fiktive Band im Mittelpunkt des Films ist unschlüssig, ob sie Kunst machen, die Welt aus den Angeln heben will; oder doch auch viel Kohle mit minutiös durchorganisierten internationalen Konzerttourneen und Coverstories auf den wichtigen Magazinen in aller Welt haben will. Oder direkt gefragt: Wie ehrlich soll man als Künstler sein? Soll man wirklich sein Herz auf die Bühne legen? Oder nicht doch besser kalkulierte Strophen, die sich gut vermarkten lassen, weil sie den Geschmack der meisten treffen? Wie soll man noch über ehrliche Gefühle singen, wenn hinter der Bühne Schnaps und Mädchen in rauen Mengen warten? Leadsänger Jeff blickt eifersüchtig auf Leadgitarrist Russell, der sich zum Star der Band mausert, wo doch Jeff glaubt, er als Sänger baue erst den Kontakt zum Publikum auf.

Nichts von dem, was ich sehe, ist mir fremd. 1973, als der Film spielt, war ich 12 Jahre alt, liebte das Kino und macht, ähnlich wie William, zu jedem Film Notizen über Inhalt, Qualität und mein Bauchgefühl. Auch die Kunstform Film war zu jener Zeit in die Fänge findiger Marketingleute geraten, die immer mehr vom immer gleichen Erfolgsrezept produzierten, was zu immer durchschnittlicheren Filmen führte. Bis sich eine Riege junger Regisseure mit neuen Ideen aufmachte und das Kino umkrempelte, Stichwort New Hollywood. Ich kenne also doch irgendwie das, was sich da auf der Leinwand als Musikbusiness vor mir abspielt, habe im Laufe der Zeit dann, so wie der 15-jährige William im Film die Musiker, Regisseure und Schauspieler getroffen, manchmal mit Fließbandinterviews, manchmal zu längeren Gesprächen; es wurde selten mal persönlich, aber einen tiefen Blick hinter die Fassade des Filmgeschäfts gaben mir diese Treffen allemal. Deswegen kommt mir das Schicksal des Jungen im Film sehr nah und deshalb stört es mich auch nicht, dass der realistisch erzählte Film im Finale zu einem Märchen mutiert, in dem sich alles auf wundersame Weise fügt. So wollen wir es doch haben im Kino. Und erzählt die Rockmusik nicht auch ein ums andere Mal von großer Romantik, heißen Gefühlen und zerplatzten Träumen? Cameron Crowe webt beide Medien elegant ineinander.

Wertung: 11 von 11 D-Mark
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