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Plakatmotiv: Der Name der Rose (1986)

Eine faszinierende Mördersuche mit
einem falsch besetzten Sean Connery

Titel Der Name der Rose
Drehbuch Andrew Birkin & Gérard Brach & Howard Franklin & Alain Godard
nach dem gleichnamigen Roman von Umberto Eco
Regie Jean-Jacques Annaud, BRD, It., Fr. 1986
Darsteller

Sean Connery, F. Murray Abraham, Christian Slater, Elya Baskin, Feodor Chaliapin, Jr., William Hickey, Michael Lonsdale, Ron Perlman, Volker Prechtel, Helmut Qualtinger, Valentina Vargas, Michael Habeck, Urs Althaus, Leopoldo Trieste, Franco Valobra, Vernon Dobtcheff u.a.

Genre Crime, Drama
Filmlänge 130 Minuten
Deutschlandstart
16. Oktober 1986
Inhalt

1327, Italien: Die finstere Epoche des Mittelalters neigt sich allmählich dem Ende zu. Glaubensdispute und Machtkämpfe sind die Folge. Nachdem es zwischen dem Franziskanerorden und dem Vatikan zu einem erbitterten Streit gekommen ist, reist der englische Franziskanerpater William von Baskerville mit seinem Adlatus, dem blutjungen Novizen Adson, in die Ligurischen Alpen. Dort soll er bei einem Treffen der gegnerischen Fraktionen in einer abgelegenen Benediktinerabtei den Vermittler spielen.

Allerdings wird die bevorstehende Konferenz vom mysteriösen Todesfall eines Benediktinerbruders überschattet. Während der für seinen Scharfsinn berühmte William den Verlauf des Falls gedanklich nachvollzieht, kommt es im Kloster zu einer ganzen Serie von unheimlichen Mordfällen. Ein Übersetzer wird in einem Kessel voller Schweineblut aufgefunden, die Leiche eines Bibliotheksgehilfen findet man in einer gefüllten Badewanne.

Für die verängstigten Mönche besteht kaum ein Zweifel, dass es sich bei den Ereignissen um die ersten Zeichen der Apokalypse handelt. William hingegen ahnt, dass nicht Gottes Zorn hinter den bizarren Morden steckt, sondern ein diabolischer Täter aus Fleisch und Blut. Dennoch rufen die Ereignisse die päpstliche Inquisition auf den Plan.

Der Großinquisitor Bernardo Gui, ein Erzfeind des fortschrittlichen Querdenkers William, sieht in der Abtei den Teufel am Werk. Schnell macht er mehrere Schuldige aus, darunter ein schönes, wildes Mädchen, in das der junge Adson sich verliebt hat. Während Gui durch Folter und Hexenverbrennungen das Böse bannen will, forschen William und Adson unermüdlich weiter – und kommen dem dunklen Geheimnis des Klosters Stück für Stück näher …

Was zu sagen wäre

Ein abgelegenes Wohnhaus auf dem Land. Mann stirbt unter rätselhaften Umständen. Zufällig ist ein Mann mit detektivischem Spürsinn vor Ort. Er übernimmt die Ermittlungen. Da gibt es weitere Todesfälle, Mordfälle. Der Plot klingt, als wäre es einer der vielen Agatha-Christie-Romane. Auch Edgar Wallace übte sich gerne darin. Sean Connery spielt die Rolle der detektivischen Spürnase. Eine nachvollziehbare Besetzung für einen Krimi. Aber hier handelt es sich nicht um einen bloßen Krimi. Hier handelt es sich um den ersten Roman von Umberto Eco, der die Vorlage für diesen Film ist. Die Krimihandlung ist eingebettet in ein größeres Ganzes.

Die Kirche kämpft mit drakonischen Strafen um ihre Macht

1327, das Jahr, in dem der Film spielt, sind im finsteren Mittelalter die ersten Leuchten der Erkenntnis entzündet worden, das Zeitalter der Aufklärung lässt zwar noch 400 Jahre auf sich warten, aber das sich verändernde Welt- und Menschenbild rüttelt an den bestehenden Machtverhältnissen, macht auch vor der Religion nicht mehr halt. Die katholische Kirche reagiert darauf mit der unnachgiebigen Strenge der Inquisition. Plakatmotiv (UK): The name of the Rose (1986) Vor diesem Hintergrund kommt der Franziskaner Pater William von Baskerville in eine Abtei der Benediktiner im Apennin, wo William an einem theologischen Disput teilnehmen soll. Die Mönche dort sind verängstigt, ein Mitbruder ist in den Tod gestürzt an einer Stelle, an der er nicht hätte stürzen können. Kurz darauf geschieht werden weitere Brüder tot in bizarren Settings aufgefunden – einer in einem Trog voll Blut, der andere ertrunken in der Badewanne, übersäht mit Lindenblütenblättern. Dem angereisten William ist rasch klar, dass hier nicht, wie die Mönche glauben, der Teufel seine Hand im Spiel hat. Die Todesfälle müssen mit Büchern zusammenhängen; die Abtei ist für ihre weiträumige Bibliothek berühmt.

Bücher zu jener Zeit waren Einzelstücke, jedes handgeschrieben, verziert mit teuren Farben für aufwändige Ornamente. Also nicht jedermann zugänglich, schon gar nicht dem gemeinen Volk, das ohnehin kaumiesen konnte. Bücher zu jener Zeit waren für den Klerus gleichzeitig wichtig und gefährlich. Schon damals transportierten Bücher Wissen. William von Baskerville bekommt jedesmal leuchtende Augen, wenn er eines der Bücher in die Hand nimmt. Nur, dass er sie zunächst eben nicht in die Hand bekommt. In der Abtei dürfen nur der oberste Bibliothekar und sein Assistent die Bücherei betreten – was einigermaßen verwunderlich ist in einem Kloster, das für seine Sammlung gefeiert wird. Während William unter den misstrauischen Blicken der anderen Mönche seine Untersuchungen fortsetzt, trifft eine Gesandtschaft des Papstes Johannes XXII. in der Abtei ein, um mit den führenden Köpfen des Franziskanerordens brisante theologische Fragen des Für und Wider der Vita apostolica, der Armut der Kirche, zu diskutieren und damit gleichzeitig Machtpositionen zwischen dem Apostolischen Stuhl, einigen Mönchsorden und dem Kaiser des Heiligen Römischen Reiches abzustecken. Zu jener Zeit kämpft die Kirche mit drakonischen Maßnahmen um ihren Machterhalt. Selbst das Lachen der Menschen ist ihr suspekt, denn wer lacht, lebt nicht in Furcht. Und wer sich nicht fürchtet, benötigt den Glauben, also die Kirche nicht. 1327 ist die Zeit des Avignonesischen Papsttums – die Kirche hat an Einfluss eingebüßt, der Universalanspruch des Papstes wurde offen in Frage gestellt, Frankreich hat weltpolitisch an Einfluss gewonnen und so wechselt der Sitz des Papstes 1309 nach Avignon und bleibt dort bis Ende der 1370er Jahre. Während also die Kirche um die Auslegung der Bibel streitet – „Nirgendwo steht geschrieben, dass Jesus einen Geldbeutel hatte.“ – versucht William herauszufinden, warum die Abtei ihre Bücher versteckt, beziehungsweise ein ganz bestimmtes Buch. Steht es im Gegensatz zur offiziellen Lehre?

Jean-Jacques Annaud jongliert mit mehreren Handlungsebenen

Erzählt wird die Geschichte von einem alten Mann, Adson von Melk, der in jungen Jahren als Novize mit William Baskerville reiste und die Geschehnisse in der Abtei hautnah erlebte, so hautnah gar, dass er dort in einer Küche von einer jungen Bewohnerin aus dem nahegelegenen Dorf verführt wird. Warum das Mädchen ihn verführt, wird nicht erklärt, auch Edson ist bald nicht mehr Herr seiner Sinne, hat sich Hals über Kopf verliebt und gerät in eine Glaubenskrise.

Das sind also die ganze Menge Handlungsebenen, mit denen Jean-Jacques Annaud hier jongliert und manchmal lässt er uns ratlos im Kinosessel zurück. Warum genau William von Baskerville eigentlich in die Abtei kommt, wird nicht erklärt, man kann es sich halbwegs zusammenreimen, aber weil er auch noch eine tragische Vergangenheit mit sich herumschleppt, die irgendwann für das Drama wichtig wird, weil auch sie Folge des lodernden Kirchenstreits ist, konzentriert sich Annaud lieber auf diese. Es bleibt spannend, selbst in retardierenden Momenten. Denn auf einer weiteren Handlungsebene erzählt Annaud in den Bildern seines Films vom Leben und den Menschen in jener Zeit.

Sean Connery ist eine Fehlbesetzung

Ein großer Teil der rund 47 Millionen D-Mark, die der Film insgesamt gekostet hat, ist in die penible Konstruktion historisch korrekter Bauten und Gewänder geflossen. Wir sehen keine Mittelalterkulisse, in der eine Kriminalhandlung spielt, wie wir sie Sonntags im Tatort sehen. Jean-Jacques Annaud lässt uns die damaligen Umstände, die ultimative Macht der Kirche und die Folterkeller der Inquisition, das Leben im Dreck unter Hühnerstangen, von denen herab die Menschen buchstäblich beschissen werden, intensiv spüren. Für uns im Kinosessel ist das genauso Neuland wie für den verirrten Novizen, dem wir daher klaglos durch die Geschichte folgen.

Sean Connery als William ist eine überraschende Besetzung, die, je länger der Film dauert, immer weniger stimmt. Nahezu die gesamte Schar an handelnden Figuren, Mönche, Faktoten, Dorfbewohner – alle sehen aus, als hätten deren Darsteller jeden Morgen drei Stunden in der Maske gesessen oder wären wegen körperlicher Auffälligkeiten, etwa übergroße Nase, Narben, schiefe Zähne, gerastet worden; alle sind bleich, gehen gebückt, oder, weil sie im Dreck leben, sind schlammverkrustet. Nur William von Baskerville steht in der Blüte seines Lebens und trägt dieses schelmische Sean-Connery-Lächeln im braungebrannten Gesicht. Dieser William kommt aus gutem Hause, ist gebildet und war einst ein mächtiger Mann in der Kirche, aber heute reitet er auf einem Esel zur Abtei und isst, was alle essen. Plakatmotiv: Der Name der Rose (1986) Auch der Großinquisitor und die päpstlichen Gesandten wirken wohlgenährt und gebildet. Aber die reisen in Kutschen durchs Land und essen keine Abfälle. Connery macht sich den William von Baskerville zu eigen und spielt ihn souverän, aber überraschungsarm. Sein Spiel verstärkt den Eindruck, der seit ein paar Filmen bei ihm durchschimmert: Der Star kümmert sich nicht um Regieanweisungen und Drehbücher (Highlander – 1986; Camelot – Der Fluch des Goldenen Schwertes – 1984; James Bond 007 – Sag niemals nie – 1983; Flammen am Horizont – 1982; Time Bandits – 1981; Outland – Planet der Verdammten – 1981; "Meteor" – 1979; "Der erste große Eisenbahnraub" – 1978; Die Brücke von Arnheim – 1977; Robin und Marian – 1976; Der Mann, der König sein wollte – 1975; Der Wind und der Löwe" – 1975; Die Uhr läuft ab – 1975; Mord im Orient-Express – 1974; Zardoz – 1974; "Sein Leben in meiner Gewalt" – 1973; James Bond 007 – Diamantenfieber – 1971; Marnie – 1964; Die Strohpuppe – 1964; James Bond 007 jagt Dr. No – 1962). Er macht sein Ding. Er weiß, dass sein Name auf dem Plakat immer noch zieht und die Leute ihn sehen wollen. Die Produzenten brauchen ihn mehr, als er sie. Alles in diesem Film wirkt – soweit wir das im Kinosessel wirklich beurteilen können, wie authentisches Mittelalter. Nur der Hauptdarsteller nicht.

Ein "Palimpsest"

Im Vorspann steht neben den Drehbuchautoren nicht mehr nach einem Roman von …. Es heißt „Ein Palimpsest von Umberto Eco "Der Name der Rose"“. Das ist eine freundliche Umschreibung für Das Buch selbst lässt sich nicht verfilmen, hat aber Kinopotenzial. Erstmals hatte Eco selbst von einem "Palimpsest" gesprochen, als er den Film als „eigenständige und akzeptable Interpretation meines Werkes ohne einen Anspruch einer getreuen Wiedergabe der Buchinhalte“ bezeichnete. Ein "Palimpsest" ist ein beschriebenes Blatt Papier, Papyrus oder Pergament, das durch Schaben oder Waschen gereinigt und danach neu beschrieben wurde. Auch Umberto Ecos vielschichtige Buchvorlage, die neben der Kriminalhandlung Ausflüge in die Literaturgeschichte, die Philosophie und das Kirchenrecht anbietet, wurde ordentlich geschabt und dann für die Leinwand neu geschrieben. Das ist gut gelungen. Der Film bietet Augenfutter, eine bissige Auseinandersetzung mit der Kirche und eine unterhaltsame, bisweilen gruselige Mörderjagd.

Wertung: 8 von 10 D-Mark
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