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Plakatmotiv: Dünkirchen, 2. Juni 1940 (1964)

Ein großer Krieg, der
woanders geführt wird

Titel Dünkirchen, 2. Juni 1940
(Week-end à Zuydcoote)
Drehbuch François Boyer
nach einem Roman von Robert Merle
Regie Henri Verneuil, Frankreich, Italien 1964
Darsteller

Jean-Paul Belmondo, Catherine Spaak, Georges Géret, Jean-Pierre Marielle, Pierre Mondy, Marie Dubois, Christian Barbier, François Guérin, Kenneth Haigh, Ronald Howard, Jean-Paul Roussillon, Albert Rémy, Nigel Stock, Pierre Vernier, Michel Barbey, Robert Bazil, Marie-France Boyer u.a.

Genre Drama, Krieg
Filmlänge 119 Minuten
Deutschlandstart
19. März 1965
Inhalt

Dünkirchen, 1. und 2. Juni 1940. Sergeant Julien Maillat gehört zu einer Gruppe versprengter französischer Soldaten, die am Strand von Dünkirchen zusammen mit den Männern des britischen Expeditionskorps darauf warten, über den Kanal nach England gebracht zu werden. Die deutsche Luftwaffe fliegt ständig Einsätze, die viele Opfer kosten.

Die Briten evakuieren zunächst nur ihre Leute; als es Maillat mit Hilfe eines verständnisvollen britischen Offiziers schafft, an Bord des Schiffes zu kommen, wird der Dampfer von deutschen Bomben getroffen. Maillat gelingt es, sich an Land zu retten. Von dort wagt er sich zurück in die Stadt, die bereits unter deutschem Artilleriebeschuss liegt und auch aus der Luft bombardiert wird. Dort trifft er die junge Jeanne wieder, die sich einredet, ihr Elternhaus werde das Kriegsinferno überstehen, wenn sie dort aushält.

Maillat rettet sie vor zwei Kameraden, die in das Haus eingedrungen sind und sie vergewaltigen wollen. Ihm bleibt nichts anderes übrig, als die beiden zu erschießen. Nicht nur das belastet ihn fortan; auch der Gedanke, dass er die junge Frau danach allein zurückgelassen hat, ist ihm unerträglich …

Was zu sagen wäre

Der Krieg ist ein dämliches Geschäft. Man schießt sich gegenseitig tot und am Ende marschiert man in ein zerbombtes Land ein. Beispiel: der Kessel von Dünkirchen, 1940. Von Süden rücken die Deutschen auf den ehedem als Urlaubsstrand gepriesenen Strand vor, kreisen die Region ein, und im Norden ist nur noch das Mehr, über das es 40 Kilometer bis nach England sind. Wir erleben umherirrende Soldaten, hehlende Soldaten, kreuz und quer über den Strand marschierende Einheiten, herumsitzende Soldaten, kurz: Wir erleben wartende Soldaten. Warten auf den Feind. Oder auf die Engländer.

Während die Hauptfigur, ein nicht näher beleuchteter Sergeant Julien Maillat, dem Abspann entgegen wartet, wird er zwei französische Soldaten und eine Ratte töten, keine feindlichen Soldaten. „Dafür sind Kriege doch da, dass man tötet“, sagt er und nimmt noch einen Schluck Whisky. An ihm ist nichts heldenhaftes, wie wir es von Soldaten aus dem US-Kino kennen, wann immer es sich in den Krieg begibt. Maillat versucht unablässig, auf ein Schiff nach England zu kommen, aber die Engländer lassen nur Engländer an Bord. Der Krieg findet derweil woanders statt. Bis auf die Sturzkampfbomber, die den Strand regelmäßig in Kugelhagel und Bomben eindecken, erfährt man den eigentlichen Frontverlauf nur aus dem Radio; deutsche Soldaten aus Fleisch und Blut tauchen nicht auf, Franzosen und Engländer haben auch ohne sie genug Potenzial sich gegenseitig die Butter vom Brot zu nehmen.

Auf dem Regiestuhl inszeniert Henri Verneuil (Der Präsident – 1961) den Gemütszustand der beinahe eroberten Franzosen an einzelnen Charakteren. Da ist der Kamerad, der Julien Maillat, der offenbar über passable Deutschkenntnisse verfügt, überreden will, in sein Geschäft einzusteigen. Der Mann sammelt schon allerlei Sachen des täglichen Bedarfs, die er, nachdem die Deutschen die Oberhand erlangt haben werden, verticken will, vom Schwarzmarkt in den deutschen Brotkorb. Plakatmotiv (UK): Weekend at Dunkirk (1964) Bei Verneuil ist der Franzose kein heldenhafter Widerstandskämpfer, der den Feind bis zum letzten Blutstropfen bekämpft, sondern ein bauernschlauer Hehler. Andere französische Soldaten vergewaltigen französische Frauen, die ohne männlichen Beistand im Kriegsgebiet ausharren; wenn schon Untergang, dann aber wenigstens mit einer Frau. Dazwischen dirigieren englische Offiziere von Schreibtischen aus ihren Abzug aus Frankreich, der sich, weil er 400.000 englische Soldaten umfasst, jede Menge französische Soldaten aber nicht, kompliziert gestaltet. Auch ein britischer Soldat hat Schwierigkeiten, an Bord zu kommen, weil er, frisch verliebt, eben erst eine Französin geheiratet hat – aber französische Frauen sind an Bord schon gleich doppelt unerwünscht. Ein Soldat, der im Zivilleben Geistlicher ist, missioniert auch angesichts ständig steigender Totenzahlen noch seine zunehmend genervten Kameraden. Und einer freut sich einfach, dass seine zwischenzeitlich verschollene Einheit ihm das schwere Maschinengewehr aufgebrummt hat, mit dem er nun wenigstens eine Stuka vom Himmel holen kann. Der Krieg ist ein sehr zähes Geschäft.

Mittendrin lebt Jeanne, junge Frau, die in ihrem hübschen Elternhäuschen in Bray-Dunes mit ihrer älteren Schwester ausharrt. Jeanne ist blond und jung und ihre ältere Schwester ist irgendwann dann doch lieber vor den aufkommenden Deutschen ins sechs Kilometer entfernte Hinterland geflohen. Und Jeanne scheint auch vom Krieg traumatisiert zu sein, anders ist ihr naives Auftreten, ihr unbedingter Glaube daran, dass ihrem Häuschen schon nichts geschehen werde und ihr kindlicher Eifer, den schnoddrigen Sergeanten Maillat, den sie seit fünf Minuten kennt, als Ehemann zu gewinnen, nicht zu erklären. Und dem an diesem, wie der Filmtitel verheißt, "Wochenende in Zuydcoote“ (die Gemeinde im Département Nord, zu der Dünkirchen gehört) dauernd zwischen den Strandabschnitten hin- und her irrende Sergeant der französischen Armee hat es die junge Jeanne auch sofort angetan. Man versteht nicht, warum. Vielleicht ist sie überhaupt nur in diesem Film, damit Jean-Paul Belmondo, immerhin ein werdender Star des französischen Kinos (s.u.), nicht vollkommen unbeweibt über den Strandabschnitt stolpern muss. Bei vergleichbaren Filmen aus US-Produktion, wie Der längste Tag (1962), gibt es auf dem Schlachtfeld erst gar keine sexuell irritierenden Frauen, es sei denn, sie sind wie in Die Kanonen von Navarone (1961) Verräterinnen.

Krieg bedeutet, sich im Kreis zu drehen und zu warten. Maillat – und mit ihm natürlich wir Zuschauer – schafft mehrere Runden zu immer wieder denselben Punkten, während er nicht voran kommt. Ein sinnloses Auf-denTod-warten, bei dem Nichtigkeiten wie auf dem Schwarzmarkt gefundenes Brot zur Existenzfrage stilisiert wird. Niemand erobert hier irgendwas. Niemand gewinnt Macht.

Und Verlieren? Ja, viele Menschen verlieren in diesem Film ihr Leben. Aber keiner im Kampf um sein Hab und Gut. Sondern, weil irgendwo anders Krieg geführt wird.

Wertung: 2 von 7 D-Mark
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