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Plakatmotiv: Die tollen Abenteuer des Monsieur L. (1965)

Ein Film wie eine Jahrmarkt-Attraktion:
Aufregend, aber überhaupt nicht spannend

Titel Die tollen Abenteuer des Monsieur L.
(Les tribulations d'un Chinois en Chine)
Drehbuch Daniel Boulanger
nach dem Roman "Die Leiden eines Chinesen in China" von Jules Verne.
Regie Philippe de Broca, Frankreich, Italien 1965
Genre Abenteuer, Komödie
Filmlänge 104 Minuten
Deutschlandstart
25. Dezember 1965
Inhalt

Eigentlich hat Arthur Lempereur alles was man sich wünschen kann. Er ist vital, jung und Milliardär. Trotzdem hat er schon mehrere Suizidversuche hinter sich. Bei seinem aktuellsten rettet ihm Mr. Goh das Leben, Philanthrop, Lehrer und guter Freund Arthurs.

Es kommt zu einem ungewöhnlichen Deal, denn der Tunichgut schließt eine hohe Lebensversicherung ab und soll daraufhin sterben. Kurz darauf trachten ihm dann auch unbekannte Männer nach dem Leben. Doch als er dann die schöne Alexandrine trifft, erfährt er das, was er lange nicht mehr hatte – die berauschenden Momente des Lebens.

Nun sind ihm zwar eine Menge Killer auf den Fersen, aber jetzt will der reiche junge Mann nicht mehr sterben. Es beginnt also eine wilde Jagd, bei der Arthur versucht am Leben zu bleiben, um sein neugewonnenes Glück mit Alexandrine genießen zu können …

Was zu sagen wäre

Als Arthur Alexandrine nach wilden Abenteuern in Nepal endlich in Hongkong wiedersieht, begrüßt die Ihn mit „Oh Adrien …“, worauf er sie irritiert korrigiert. Die Verwechslung ist begründet, denn der Film, in dem ich sitze, könnte auch "Abenteuer in Rio 2" heißen. Plakatmotiv: Das Rauhbein (1965) Hinter der Kamera sind dieselben Leute beteiligt wie bei Abenteuer in Rio (1964) und vor der Kamera steht Jean-Paul Belmondo, der in Rio Adrien hieß, als junger Mann, der in exotischer Kulisse um sein Leben läuft, springt und kämpft. Weil der Rio-Film aus der Idee, einen Tim-und-Struppi-Film zu drehen, entstanden war und Abenteuer in Rio in der Tat aussieht wie ein Tim-und-Struppi-Film ohne Tim und Struppi, erinnert nun auch "Die tollen Abenteuer …" an den jungen Reporter mit Hund aus der Feder von Hergé. Es tauchen in Butler Leon und trotteligen Versicherungsdetektiven sogar die aus den Hergé-Geschichten bekannten Butler Nestor und die Pinkerton-Detektive Schulze und Schultze auf.

Philippe de Broca wollte es noch wilder haben als in Abenteuer in Rio. Das geht aber nur noch, wenn er die ruhigen Elemente seines Rio-Films, in denen die Charaktere Raum zur Entfaltung bekommen, zusammenstreicht zugunsten von mehr Action. Daraus wird ein Lehrbeispiel für die Drehbuch-Universitäten. Im Rio-Film hatten wir es mit einem Mann zu tun, der alles tut, um seine Freundin aus einer Gefahr zu retten, die es ihm dann mit Zickigkeiten und dauernden Streitereien dankt. Da saßen wir im Kinosessel und haben Stellung bezogen – automatisch; haben also mitgefiebert. In "Die tollen Abenteuer …" gibt es keine Stellung, die wir beziehen können.

Wir lernen einen Mann im weißen Dinnerjackett kennen, der sich umbringen möchte. Er wird gespielt von Jean-Paul Belmondo, daher sympathisieren wir automatisch mit ihm. Wir erfahren, er ist Milliardär, ist verlobt mit der Tochter einer auf die Milliarden schielenden Frau. Und er hat einen loyalen Butler. Dank seines Reichtums hat er nie gelernt, was es heißt, glücklich oder unglücklich zu sein. Wohlhabend und antriebslos lebt er in den Tag hinein. Schon Adrien in Abenteuer in Rio war keine groß erklärte Figur, aber selbst die hatte mehr Facetten, als jetzt Arthur, der Milliardär. Dem geht sein auf Rosen gebettetes Leben derart auf die Nerven, dass er Killer anheuern lässt, die diesem ein Ende bereiten sollen, weil er nach dem zehnten missglückten Suizid einsehen muss, dass er selbst das nicht hinbekommt.

Ein Milliardär, der sein Leben lahm findet. In der literarischen Vorlage von Jules Verne ergibt der Todeswunsch insofern Sinn, als der aus dem Glauben erwächst, dass der Milliardär Kin-Fo all sein Geld verloren hat und deshalb nun nicht mehr seine Geliebte Lé-U heiraten kann. Im Film will sich der genervte Milliardär schon töten, bevor er erfährt, dass sein Vermögen weg ist. Für den Durchschnittsverdiener im Kinosessel ist das eher nicht einleuchtend. Zumal das Topos des verlorenen Vermögens zwar eingebaut ist, während des ganzen Films aber keine Rolle spielt. Angeblich hat er sich verspekuliert, alle Kohle ist weg, aber er reist dennoch durch halb Asien und hat immer genug Geld in der Tasche. Plakatmotiv (Fr.): Les tribulations d'un Chinois en Chine (1965) Man soll bei Abenteuerfilmen – oder im Kino generell – nicht zu sehr auf Realität pochen, wenn es doch um Unterhaltung Bigger Than Life geht. Aber in sich schlüssig sollten die Geschichten auf der Leinwand schon sein. Durch den Milliardenverlust ändert sich für Arthur genau nichts.

Der Ex-Milliardär schließt dann eine Lebensversicherung ab über zwei Millionen Dollar. Wenn er vor Jahreswechsel Ende des Monats stirbt, bekommen Lehrer Goh und seine Verlobte jeweils eine Million Dollar ausgezahlt. Mr. Goh soll nun Killer anheuern, die Arthur binnen Jahresfrist aus dem Leben scheiden lassen. Kaum aber hat der Lebensunlustige die Police unterschrieben, hat er dauernd ehrliche Angst um sein Leben. Zweiter Punkt im Drehbuch-Seminar: Da ist also nicht nur ein Milliardär, der aus nicht nachvollziehbaren Gründen sterben möchte. Er hat gleichzeitig auch immer Angst zu sterben. Das passt erst wieder, als er Alexandrine kennenlernt, Tänzerin in einem Nachtclub, gespielt von Ursula Andress ("Vier für Texas" – 1963; James Bond 007 jagt Dr. No – 1962). In die verliebt Arthur sich Hals über Kopf, und jetzt muss er dringend Mr. Goh finden, um den Kontrakt mit den Killern rückgängig zu machen. Aber der ist verschwunden. In ein Kloster im Himalaya, heißt es und prompt machen sich Arthur und Butler Leon zu Fuß auf, Mr. Goh im Himalaya zu finden. Für Philippe de Broca Gelegenheit, unsere Helden in ein wenig flugtaugliches Propellerflugzeug zu setzen, das es kaum über die Bergspitzen schafft; über eine klapprige Hängebrücke zu treiben, die prompt reißt und den Figuren ein Überleben nur durch Sicherheitsnadeln ermöglicht; dem Tod auf dem Scheiterhaufen durch einen Ballon zu ermöglichen, an dessen Anker sie quer durch Kathmandu geschleift werden; und die verschneiten Hänge des Himalaya hinabzurutschen und zu überleben in wenig mehr als einem Straßenanzug.

Das ist großes Kintopp. Das aber überhaupt nicht fesselt. Das ist wie auf der Kirmes (wo auch das Kino einst seinen Anfang nahm), wo ich mich in die Achterbahn setze und weiß, dass es mich durchschütteln wird, ich aber lebend wieder aus der Nummer raus komme. Mitfiebern mit dem Milliardär und seinem Butler tue ich nie. Im letzten Drittel, Arthur hat seinen Lebenswillen längst wiedergefunden, versteckt er sich mit Alexandrine im knappen Bikini auf einer Insel, wo sie dann von den Horden eines Triadenbosses gejagt werden, die in den letzten Gültigkeits-Stunden der Versicherungspolice noch die zwei Millionen Dollar Prämie schießen wollen. Das sorgt für ein paar weitere bunte Actionsequenzen und unterhaltsame Flugzeugstunts (neben 90 romantischen Sekunden am Strand) und im Schlussbild hat jeder Pott seinen Deckel oder jeder Junge sein Mädchen und die Milliarden, oh Wunder, sind auch gar nicht weg.

Wertung: 3 von 7 D-Mark
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