Sein Geburtsname ist unbekannt. Der Name in seinem Pass ist eine Erfindung. In den Kreisen, in denen er agiert, nennt man ihn Der Greifer, die einen respektvoll, die anderen verärgert. Der Greifer ist ein ehemaliger Großwildjäger, der von der Polizei bei komplizierten und oft nicht ganz legalen Einsätzen angefordert wird. Sein aktueller Auftrag ist es, getarnt als Geschäftsmann, einen korrupten Polizeichef zur Strecke zu bringen.
Währenddessen macht sein Gegenspieler, genannt "Die Bestie", seinem Namen alle Ehre und raubt Banken und Juweliere aus und tötet nach gelungenem Coup seine wechselnden Komplizen und alle anderen potenziellen Zeugen. Einer dieser kleinkriminellen Komplizen ist Costa Valdez, der "der Bestie" aber mit viel Glück entkommen kann. Er wird inhaftiert, weigert sich jedoch, bei der Polizei eine Aussage zu dem Überfall zu machen.
So wird der Greifer als Inhaftierter in das Gefängnis geschleust, um den jungen Costa auszuhorchen. Dieser fasst auch bald Vertrauen zum Greifer und fängt an zu plaudern …
Die Welt in diesem Film ist nass und kalt. Immer regnet es, der Boden ist durchgeweicht, die Männer, die auftreten – Frauen spielen in diesem Film keine Rolle – sind Betrüger, Mörder, Räuber, kalt kalkulierende Beamte und Jean-Paul Belmondo in der Rolle eines Mannes, der gerne Menschen jagt – „das verschlagenste, böseste Tier von allen“. In dieser Welt spielen Menschen wie wir keine Rolle, es sei denn als Opfer eines Überfalls.
Nach dem fröhlichen Mummenschanz in Der Unverbesserliche ist nun wieder der harte Belmondo dran, der, der keinen Humor kennt und gleich schießt – und der leider in der deutschen Synchronisation mittlerweile von Rainer Brandt zu einem besseren Sprücheklopfer gestutzt wird.
Philippe Labro gibt seinem Kühlschrankfilm noch einen Polizeiapparat hinzu, der im Graubereich zwischen Legal und Illegal agiert. Ist jetzt eine Belmondo-Figur die Rettung für das darbende Polizeigeschäft Frankreichs? Oder ist die übergroße Persona Belmondo für den normalen Polizeialltag in einem Film einfach nicht mehr vermittelbar? Tatsache ist: Wo Belmondo drauf steht, sind Action und die große Wumme drin. Auf den Plakaten steht sein Name so groß wie der Titel des Films. Das hat zur Folge, dass ich nicht mehr in einen französischen Polizeifilm gehe, sondern in einen Belmondo-Film, bei dem man, ähnlich wie bei einem James Bond-Film, nicht alles so auf die Goldwaage legen sollte.
Das Spielfeld ist, im Gegensatz zu der Jäger-Gejagter-Dramaturgie, komplex: Im Mittelpunkt steht die Figur des ominösen Greifers, der Spaß an der Jagd auf Verbrecher hat und im Umfeld eines überforderten Polizeiapparats agiert. Seine aktuellen Gegenspieler sind ein Drogen- und Gefängnisausbrecher-Ring sowie der Diamanten- und Bankräuber, den die Presse "Die Bestie" getauft hat. Dann gibt es noch einen korrupten Polizeichef, dessen Kreise aber nur eingeführt werden, um die Arbeitsweise des Greifers deutlich zu machen – smart, überlegt, macht keine Fehler. In dieser Welt helfen keine Gesetze mehr. In dieser Welt helfen nur Figuren, die sich über Gesetze hinweg setzen.
Deswegen inszeniert Regisseur Labro noch eine Art Vater-Sohn-Beziehung, damit der Zuschauer in dieser irrealen, kalten Welt wenigstens einen kleinen emotionalen Anker findet: Der Greifer nimmt einen jungen Mann unter seine Fittiche, den die Bestie aus – drehbuchtechnisch gesehen – konstruiertem Grund nicht getötet hat, und versucht, ihn auf den rechten Pfad der Tugend zu bringen. Diese Konstellation folgt dem Drehbuchseminar, zweites Semester: Ein Held braucht einen Sidekick, so wie Batman einen Robin braucht. In einem Film, in dem jeder ein unberechenbares Arschloch ist, fiebert keiner mit. Das ist einerseits ein bisschen durchschaubar nach all den Kriegsfilmen in den letzten Jahren, in denen der junge Soldat, der den Traum von seinem Mädchen auf der Farm mit vielen Kindern träumt, verlässlich von einer Granate zerfetzt wird. Anderseits aber ist so ein Charakter als Identifikationsfigur für den Mann im Kinosessel sehr hilfreich.
Frankreichs Kino geht seit langem einen eigenen Weg abseits der Konkurrenz aus Kalifornien. Aber die Lehren aus dem Kino dort bauen die Franzosen gerne in ihre Thriller ein.
Jean-Paul Belmondo im Kino

- À pied, à cheval et en voiture (1957)
- Sonntagsfreunde (1958)
- Sei schön und halt den Mund (1958)
- Die sich selbst betrügen (1958)
- Leben und lieben lassen (1958)
- Ein Engel auf Erden (1959)
- Schritte ohne Spur (1959)
- Ausser Atem (1960)
- Der Panther wird gehetzt (1960)
- Stunden voller Zärtlichkeit (1960)
- Die Französin und die Liebe (1960)
- Die Nacht vor dem Gelübde (1960)
- … und dennoch leben sie (1960)
- Das Haus in der Via Roma (1961)
- Eine Frau ist eine Frau (1961)
- Eva und der Priester (1961)
- Galante Liebesgeschichten (1961)
- Sie nannten ihn Rocca (1961)
- Mit meinen Augen (1961)
- Riviera-Story (1961)
- Cartouche, der Bandit (1962)
- Ein Affe im Winter (1962)
- Der Teufel mit der weißen Weste (1962)
- Verrückte Seefahrt (1963)
- Bonbons mit Pfeffer (1963)
- Heißes Pflaster (1963)
- Die Millionen eines Gehetzten (1963)
- Abenteuer in Rio (1964)
- 100.000 Dollar in der Sonne (1964)
- Der Boss hat sich was ausgedacht (1964)
- Jagd auf Männer (1964)
- Dünkirchen 2. Juni 1940 (1964)
- An einem heißen Sommermorgen (1965)
- Elf Uhr nachts – Pierrot le Fou (1965)
- Die tollen Abenteuer des Monsieur L. (1965)
- Geliebter Schuft (1966)
- Brennt Paris? (1966)
- Der Dieb von Paris (1967)
- Casino Royale (1967)
- Ho! (1968)
- Das Superhirn (1969)
- Das Geheimnis der falschen Braut (1969)
- Dieu a choisi Paris (1969)
- Der Mann, der mir gefällt (1969)
- Borsalino (1970)
- Musketier mit Hieb und Stich (1971)
- Der Coup (1971)
- Der Halunke (1972)
- Der Mann aus Marseille (1972)
- Der Erbe (1973)
- Le Magnifique (1973)
- Stavisky (1974)
- Angst über der Stadt (1975)
- Der Unverbesserliche (1975)
- Der Greifer (1976)
- Der Körper meines Feindes (1976)
- Ein irrer Typ (1977)
- Der Windhund (1979)
- Der Puppenspieler (1980)
- Der Profi (1981)
- Das As der Asse (1982)
- Der Außenseiter (1983)
- Die Glorreichen (1984)
- Fröhliche Ostern (1984)
- Der Boss (1985)
- Der Profi 2 (1987)
- Der Löwe (1988)
- Der Unbekannte (1992)
- 101 Nacht - Die Träume des M. Cinema (1995)
- Les misérables (1995)
- Désiré (1995)
- Alle meine Väter (1998)
- Peut-être (1999)
- Les acteurs (2000)
- Amazone (2000)
- Ein Mann und sein Hund (2008)