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Plakatmotiv: Der Greifer (1976)

Eine Welt der Gesetzlosen, ein
Held und ein naiver Schüler

Titel Der Greifer
(L'alpagueur)
Drehbuch Philippe Labro & Jacques Lanzmann
Regie Philippe Labro, Frankreich 1976
Darsteller

Jean-Paul Belmondo, Bruno Cremer, Jean Négroni,Patrick Fierry, Jean-Pierre Jorris, Victor Garrivier, Claude Brosset, Marcel Imhoff, Maurice Auzel, Muriel Belmondo, Roger Benamou, Jean-Luc Boutté, Patrice Chapelain-Midy, Michèle Delacroix, Jacques Destoop u.a.

Genre Action, Crime, Thriller
Filmlänge 110 Minuten
Deutschlandstart
2. April 1976
Inhalt

Sein Geburtsname ist unbekannt. Der Name in seinem Pass ist eine Erfindung. In den Kreisen, in denen er agiert, nennt man ihn Der Greifer, die einen respektvoll, die anderen verärgert. Der Greifer ist ein ehemaliger Großwildjäger, der von der Polizei bei komplizierten und oft nicht ganz legalen Einsätzen angefordert wird. Sein aktueller Auftrag ist es, getarnt als Geschäftsmann, einen korrupten Polizeichef zur Strecke zu bringen.

Währenddessen macht sein Gegenspieler, genannt "Die Bestie", seinem Namen alle Ehre und raubt Banken und Juweliere aus und tötet nach gelungenem Coup seine wechselnden Komplizen und alle anderen potenziellen Zeugen. Einer dieser kleinkriminellen Komplizen ist Costa Valdez, der "der Bestie" aber mit viel Glück entkommen kann. Er wird inhaftiert, weigert sich jedoch, bei der Polizei eine Aussage zu dem Überfall zu machen.

So wird der Greifer als Inhaftierter in das Gefängnis geschleust, um den jungen Costa auszuhorchen. Dieser fasst auch bald Vertrauen zum Greifer und fängt an zu plaudern …

Was zu sagen wäre

Die Welt in diesem Film ist nass und kalt. Immer regnet es, der Boden ist durchgeweicht, die Männer, die auftreten – Frauen spielen in diesem Film keine Rolle – sind Betrüger, Mörder, Räuber, kalt kalkulierende Beamte und Jean-Paul Belmondo in der Rolle eines Mannes, der gerne Menschen jagt – „das verschlagenste, böseste Tier von allen“. In dieser Welt spielen Menschen wie wir keine Rolle, es sei denn als Opfer eines Überfalls.

Nach dem fröhlichen Mummenschanz in Der Unverbesserliche ist nun wieder der harte Belmondo dran, der, der keinen Humor kennt und gleich schießt – und der leider in der deutschen Synchronisation mittlerweile von Rainer Brandt zu einem besseren Sprücheklopfer gestutzt wird.

Philippe Labro gibt seinem Kühlschrankfilm noch einen Polizeiapparat hinzu, der im Graubereich zwischen Legal und Illegal agiert. Ist jetzt eine Belmondo-Figur die Rettung für das darbende Polizeigeschäft Frankreichs? Oder ist die übergroße Persona Belmondo für den normalen Polizeialltag in einem Film einfach nicht mehr vermittelbar? Tatsache ist: Wo Belmondo drauf steht, sind Action und die große Wumme drin. Auf den Plakaten steht sein Name so groß wie der Titel des Films. Das hat zur Folge, dass ich nicht mehr in einen französischen Polizeifilm gehe, sondern in einen Belmondo-Film, bei dem man, ähnlich wie bei einem James Bond-Film, nicht alles so auf die Goldwaage legen sollte.

Das Spielfeld ist, im Gegensatz zu der Jäger-Gejagter-Dramaturgie, komplex: Im Mittelpunkt steht die Figur des ominösen Greifers, der Spaß an der Jagd auf Verbrecher hat und im Umfeld eines überforderten Polizeiapparats agiert. Seine aktuellen Gegenspieler sind ein Drogen- und Gefängnisausbrecher-Ring sowie der Diamanten- und Bankräuber, den die Presse "Die Bestie" getauft hat. Dann gibt es noch einen korrupten Polizeichef, dessen Kreise aber nur eingeführt werden, um die Arbeitsweise des Greifers deutlich zu machen – smart, überlegt, macht keine Fehler. In dieser Welt helfen keine Gesetze mehr. In dieser Welt helfen nur Figuren, die sich über Gesetze hinweg setzen.

Deswegen inszeniert Regisseur Labro noch eine Art Vater-Sohn-Beziehung, damit der Zuschauer in dieser irrealen, kalten Welt wenigstens einen kleinen emotionalen Anker findet: Der Greifer nimmt einen jungen Mann unter seine Fittiche, den die Bestie aus – drehbuchtechnisch gesehen – konstruiertem Grund nicht getötet hat, und versucht, ihn auf den rechten Pfad der Tugend zu bringen. Diese Konstellation folgt dem Drehbuchseminar, zweites Semester: Ein Held braucht einen Sidekick, so wie Batman einen Robin braucht. In einem Film, in dem jeder ein unberechenbares Arschloch ist, fiebert keiner mit. Das ist einerseits ein bisschen durchschaubar nach all den Kriegsfilmen in den letzten Jahren, in denen der junge Soldat, der den Traum von seinem Mädchen auf der Farm mit vielen Kindern träumt, verlässlich von einer Granate zerfetzt wird. Anderseits aber ist so ein Charakter als Identifikationsfigur für den Mann im Kinosessel sehr hilfreich.

Frankreichs Kino geht seit langem einen eigenen Weg abseits der Konkurrenz aus Kalifornien. Aber die Lehren aus dem Kino dort bauen die Franzosen gerne in ihre Thriller ein.

Wertung: 7 von 9 D-Mark
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