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Plakatmotiv: Stavisky (1974)

Verschachtelt erzählte Geschichte eines
Hochstaplers, der einen Staat stürzte

Titel Stavisky
(Stavisky)
Drehbuch Jorge Semprún
Regie Alain Resnais, Frankreich, Italien 1974
Darsteller

Jean-Paul Belmondo, Charles Boyer, François Périer, Anny Duperey, Michael Lonsdale, Roberto Bisacco, Claude Rich, Pierre Vernier, Marcel Cuvelier, Van Doude, Jacques Spiesser, Michel Beaune, Maurice Jacquemont, Silvia Badescu, Jacques Eyser, Fernand Guiot, Daniel Lecourtois, Gérard Depardieu u.a.

Genre Biografie, Crime, Drama
Filmlänge 120 Minuten
Deutschlandstart
12. Januar 1975 (TV-Premiere)
Inhalt

Eigentümer eines Theaters und eines Rennstalls, Finanzberater, Gesellschafter eines Pressekonzerns, Glücksspieler und Gründer einer Bank für Großbauten und internationalen Zahlungsverkehr: Serge Alexandre Stavisky ist ein vielbeschäftigter Mann, der im Luxus lebt.
Gleichzeitig macht Stavisky millionenschwere Verluste und hat eine Vielzahl an Klagen am Hals. Schlimmer noch: Inspektor Bonny vom Referat für Wirtschaftskriminalität ist auf ihn angesetzt, denn die Umstände, unter denen Stavisky zu seinen Reichtümern gekommen ist, sind zumindest dubios. Kommt Stavisky aus seiner misslichen Lage wieder heraus?

Was zu sagen wäre

Basierend auf wahren Begebenheiten erzählt Alain Resnais die Geschichte des ukrainisch-französischen Hochstaplers und Betrügers Alexandre Stavisky, der in den 1930er Jahren mit seinen Geschäften und Betrügereien die französische Staatsführung in Bedrängnis brachte. Plakatmotiv (It.): Stavisky (1974) Die Stavisky-Äffare geriet zu einem Skandal, wie ihn Paris noch nicht gesehen hatte und der nicht nur zwei Minister zum Rücktritt zwang, sondern fast in einen Bürgerkrieg mündete.

Die Schwierigkeit, die dieser verschachtelte Film mit sich führt, ist, dass wir von all dem gerade Genannten nichts erzählt bekommen. Lesen wir uns dieses Hintergrundwissen vorher nicht an oder haben es vielleicht in der Schule erfahren, kommen wir einigermaßen verrätselt aus dem Kino. Vielleicht ist der Film deshalb bei uns gar nicht erst ins Kino gekommen; die deutsche Uraufführung fand im Fernsehen statt.

Resnais erzählt in kühler Ästhetik und strenger Stilisierung seiner Figuren. In seinen Film steigt er mit der Einreise Leo Trotzkis nach Südfrankreich ein, russischer Revolutionär und Kommunist, dem die französische Regierung 1932 Asyl gewährte. Der Kommunist hat mit der Stavisky-Geschichte nichts zu tun, deutet aber an, dass das Land zu jener Zeit von einer republikanischen, der radikal-sozialistischen Partei regiert wurde.

Während der Film dann vor allem im schwelgerischen Luxus eleganter Hotels, rassiger Limousinen und Maßanzügen in Nadelstreifen mit Nelke im Knopfloch badet, in deren Umgebung die Hauptfigur, die mal Sascha, mal Alexandre, mal Stavisky genannt, aber auf jeden Fall von Jean-Paul Belmondo gespielt wird, kehrt er im letzten Drittel immer mal zu Trotzkis Asyl zurück und lässt seine Anhänger die Ereignisse nach Staviskys Tod kommentieren, die auf das große politische Beben hinweisen.

Der Film lässt uns lange im Dunkeln darüber, was eigentlich los ist. Belmondo spielt die Hauptrolle. Den kennen wir als lässigen Macher, schweigsamen Rächer, als Hoppla-jetzt-komm-ich-Rabauken. Resnais führt ihn als charmanten Geschäftsmann im Nadelstreifen ein, der seinem Freund, Baron Raoul, von seinen nächsten Schachzügen erzählt, während er eine Lady am Nachbartisch ins Auge fasst, die er offenbar zu verführen gedenkt. Auf diese Weise nie das wirtschaftliche Geschehen (Bankgeschäfte, Vertragsverhandlungen) selbst zeigend, hält der Film seine Zuschauer auf Distanz. Wir hören von gelaufenen und kommenden Geschäften. Wir sehen sie nicht. Plakatmotiv: Stavisky (1974) Dass der Mann, den Belmondo spielt, ein Hochstapler ist, stellt sich erst mit der Zeit heraus, wenn mehrfach zunächst scheinbar unzusammenhängende Aussagen von Menschen in die Kamera gesprochen werden, die sich dann als Zeugen vor einem Untersuchungsausschuss entpuppen. Der Film, der erzählerisch keine Fahrt aufnimmt, spielt auf mehreren Zeitebenen, zwischen denen Resnais munter wechselt, ohne sie wenigstens ein bisschen kenntlich zu machen. Da ist die Jetzt-Zeit, die die letzten Monate im Leben des Monsieur Alexandre Stavisky begleitet. Da ist der zukünftige Untersuchungsausschuss, in dem Aussagen getroffen werden, die dann in Bilder übertragen in der Jetzt–Zeit, aber auch in der Zeit vor der Jetzt–Zeit spielen. Es ist leicht für den Zuschauer, sich zu verlieren.

"Stavisky" ist ein Schwanengesang auf einen Lebensstil, auf eine Epoche, die ihr eigenes Ende festlich inszeniert. Jean-Paul Belmondo spielt einen Mann aus kleinen Verhältnissen mit familiären Wurzeln in der Ukraine, der um Anerkennung fleht und sich die mit viel ergaunertem Geld erkauft. Woher er sein Grundkapital hat, lässt der Film offen, weiteres holt er sich von Investoren, die unbedingt glauben wollen, dass dieser charmante Kerl mit den guten Umgangsformen ihr Geld schon vermehren wird. Stattdessen verspielt er das Geld: „Du musst Geld verschwenden, um Geld zu bekommen!“ ist seine Philosophie und das hat offenbar lange funktioniert. Alexandre schmiert die Polizei, die Politik und alle machen ihren Schnitt und irgendwann darf der Betrug nicht mehr auffliegen, weil zu viele Mächtige verwickelt sind und darüber die Republik bersten könnte. Hinter den Kulissen versuchen politisch linke wie rechte Kräfte, den Skandal der jeweils anderen Seite zuzuschieben, da ist der eben noch strahlende Stavisky längst nur noch ein Spielball im Sturm.

Manches erleben wir im Film, vieles wird nur erzählt, manches müssen wir erahnen oder im Geschichtsbuch nachlesen.

Wertung: 4 von 8 D-Mark
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