Frankreich, im 18. Jahrhundert. Louis-Dominique Bourguignon arbeitet für Malichot, den Anführer einer Räuberbande. Weil er aber mit dessen ethischen Grundsätzen nicht einverstanden ist, bildet er eine eigene Bande.
Unter dem Namen Cartouche beraubt er von nun an den Adel, um das Geld an die Armen zu verteilen. Durch seine Taten gewinnt er zahlreiche Sympathisanten, macht sich aber auch Feinde: Malichot und die Polizei wollen ihm an den Kragen.
Cartouche gelingt es immer wieder, sich aus ihren Fängen zu befreien – doch schließlich wird ihm die Liebe zu einer Frau zum Verhängnis. …
Wenn Cartouche es will, dann läuten alle Glocken von Paris. Der Mann ist, was man heute einen "Großgangster" nennen würde, der größte Bandenchef von Paris. Und ein Charmeur, dem die Ziele ausgegangen sind. Eben noch hat er sich die Männer des skrupellosen Malichot unterworfen und erklärt, künftig nur noch die Reichen zu bestehlen, weil man nun auch selbst in Seide schlafen wolle, da ist das auch schon passiert. Ganz Paris feiert den Mann. Ganz Paris? Nein, die Reichen, die der Mann unablässig ärgert, natürlich nicht. Der Polizeipräfekt ist düpiert über die Frechheit des Diebes, findet aber freilich keinen Weg, gegen ihn vorzugehen.
Cartouche, der eigentlich Dominique heißt, ist eine Art Robin Hood im Frankreich am Vorabend der Revolution. Noch regiert Louis XVI. im fernen Versailles, in Paris hat Polizeipräfekt Gaston de Ferrussac das sadistische Sagen. Hinrichtungen geraten unter seiner Knute zum Volksfest. Cartouche nimmt den Reichen und gibt … nein, nicht den Armen, sondern seinen Leuten. Wer nicht zu seiner Bande gehört, also Kaufleute, Schmiede, Küfner und andere Handwerker, freut sich, dass die Reichen eins übergebraten bekommen.
Bald sind die Diebe satt. Sie haben genug angehäuft, um sich aufs Land zurückzuziehen und eine Familie zu gründen. Aber Cartouche, der mit der reizenden Zigeunerin Venus das Bett teilt, kann nicht aufhören. Aus dem Helden, der das Volk unterhält und die Seinen ernährt, wird ein Getriebener seines Herzens; denn er hat sich in die Frau des Polizeipräfekten verliebt. Die Gründe dafür bleiben unklar. Vielleicht verehrt er ihre stolze Eleganz, ihre aristokratische, arrogante Haltung. Vielleicht reizt ihn ihre Unnahbarkeit. Man erfährt es nicht. <Nachtrag1998>Auf dem Tiefpunkt führt die Verehrung der Lady zu einer unangenehmen Aufführung männlicher Macht, wenn Cartouche seine Männer auffordert, den Damen eines Stifts ein wenig Freude zu bereiten; er lässt ihnen nur wenige Minuten, es geschieht nichts Endgültiges. Aber der herrische Sexismus dieser Szene macht schlechten Geschmack im Mund.</Nachtrag1998> Seine Venus, der Claudia Cardinale den Charme eines Mädchens von nebenan leiht (Rocco und seine Brüder – 1960), reicht ihm jedenfalls nicht. Die Liebe – oder die Faszination – für diese Frau treibt den Film, der bisher eine lockere, flott inszenierte Komödie mit Prügeleien und Degenduellen war, in dem das französische Militär zu einer Kolonie von Deppen verkommt, in ein großes Drama, in dessen Finale der ernüchterte Cartouche mit seinen Mannen in den Rachefeldzug zieht „und dann werde ich dort enden, wo ich enden muss.“ „Du meinst … beim Henker?“ „Ja. Hoffentlich geht's schnell!“ Philippe de Broca feiert nicht das Rabaukentum, dass Regeln bricht und Gesetze missachtet. Er feiert das freie Leben, für das man kämpfen muss. Für das man dann aber auch bezahlen muss. Hier mendelt sich der Titelheld zur Metapher für die französischen Revolutionäre, die in den Kampf gegen den König zogen, obsiegten und einen hohen Preis dafür bezahlten.
Was dem US-Kino sein Western, sind dem französischen Kino die Revolutionsjahre vor, während und nach 1789. Immer wieder tauchen hier Musketiere und andere Beschützer des Königs auf, auch fröhliche Halunken, wie es sie auch im US-Western gibt. Die Filme sind mal mehr, mal gar nicht an historischen Figuren entlang erzählt. In "Cartouche" hat der König keinen Namen, wir können mutmaßen, dass es sich um Louis XVI. handelt, weil die bunten Uniformen in den Straßen passen; für die Geschichte selbst spielt es keine Rolle. Vordergründig erleben wir einen fröhlichen Abenteuerfilm mit Augenzwinkern. Zwischen den Zeilen erzählt uns Philippe de Broca das Drama der französischen Revolutionäre, die angriffen, übernahmen, köpften. Und dann nicht recht wussten, was sie anfangen sollten mit ihrer neu gewonnenen Herrschaft.
So reiten auch Cartouche und seine Mannen im Finale nicht in den Sonnenuntergang, sondern in die dunkle Nacht.
Jean-Paul Belmondo im Kino
Jean-Paul Belmondo (* 9. April 1933 in Neuilly-sur-Seine; † 6. September 2021 in Paris) war ein französischer Film– und Theaterschauspieler. Er wurde ab den späten 1950er Jahren zunächst als Darsteller innerhalb der Nouvelle Vague bekannt. Ab Mitte der 1960er Jahre war er zwei Jahrzehnte lang als Komödiant und agiler Held actionbetonter Filme einer der erfolgreichsten Stars des europäischen Kinos.
- À pied, à cheval et en voiture (1957)
- Sonntagsfreunde (1958)
- Sei schön und halt den Mund (1958)
- Die sich selbst betrügen (1958)
- Leben und lieben lassen (1958)
- Ein Engel auf Erden (1959)
- Schritte ohne Spur (1959)
- Ausser Atem (1960)
- Der Panther wird gehetzt (1960)
- Stunden voller Zärtlichkeit (1960)
- Die Französin und die Liebe (1960)
- Die Nacht vor dem Gelübde (1960)
- … und dennoch leben sie (1960)
- Das Haus in der Via Roma (1961)
- Eine Frau ist eine Frau (1961)
- Eva und der Priester (1961)
- Galante Liebesgeschichten (1961)
- Sie nannten ihn Rocca (1961)
- Mit meinen Augen (1961)
- Riviera-Story (1961)
- Cartouche, der Bandit (1962)
- Ein Affe im Winter (1962)
- Der Teufel mit der weißen Weste (1962)
- Verrückte Seefahrt (1963)
- Bonbons mit Pfeffer (1963)
- Heißes Pflaster (1963)
- Die Millionen eines Gehetzten (1963)
- Abenteuer in Rio (1964)
- 100.000 Dollar in der Sonne (1964)
- Der Boss hat sich was ausgedacht (1964)
- Jagd auf Männer (1964)
- Dünkirchen 2. Juni 1940 (1964)
- An einem heißen Sommermorgen (1965)
- Elf Uhr nachts – Pierrot le Fou (1965)
- Die tollen Abenteuer des Monsieur L. (1965)
- Geliebter Schuft (1966)
- Brennt Paris? (1966)
- Der Dieb von Paris (1967)
- Casino Royale (1967)
- Ho! (1968)
- Das Superhirn (1969)
- Das Geheimnis der falschen Braut (1969)
- Dieu a choisi Paris (1969)
- Der Mann, der mir gefällt (1969)
- Borsalino (1970)
- Musketier mit Hieb und Stich (1971)
- Der Coup (1971)
- Der Halunke (1972)
- Der Mann aus Marseille (1972)
- Der Erbe (1973)
- Le Magnifique (1973)
- Stavisky (1974)
- Angst über der Stadt (1975)
- Der Unverbesserliche (1975)
- Der Greifer (1976)
- Der Körper meines Feindes (1976)
- Ein irrer Typ (1977)
- Der Windhund (1979)
- Der Puppenspieler (1980)
- Der Profi (1981)
- Das As der Asse (1982)
- Der Außenseiter (1983)
- Die Glorreichen (1984)
- Fröhliche Ostern (1984)
- Der Boss (1985)
- Der Profi 2 (1987)
- Der Löwe (1988)
- Der Unbekannte (1992)
- 101 Nacht - Die Träume des M. Cinema (1995)
- Les Misérables (1995)
- Désiré (1995)
- Alle meine Väter (1998)
- Peut-être (1999)
- Les acteurs (2000)
- Amazone (2000)
- Ein Mann und sein Hund (2008)