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DVD-Cover: Godzilla, Mothra and King Ghidorah (2001)
Eine erfrischende Belebung
eines alten Monstermythos
Titel Godzilla, Mothra and King Ghidorah – Giant Monsters All-Out-Attack
(Gojira, Mosura, Kingu Gidorâ: Daikaijû sôkôgeki)
Drehbuch Keiichi Hasegawa + Shûsuke Kaneko + Masahiro Yokotani
Regie Shûsuke Kaneko, Japan 2001
Darsteller

Chiharu Niiyama, Ryûdô Uzaki, Masahiro Kobayashi, Shirô Sano, Takashi Nishina, Kaho Minami, Shin'ya Ohwada, Kunio Murai, Hiroyuki Watanabe, Shingo Katsurayama, Toshikazu Fukawa, Masahiko Tsugawa, Hideyo Amamoto, Nobuaki Kakuda, Takafumi Matsuo u.a.

Genre Monsterfilm
Filmlänge 105 Minuten
Website Godzilla-Wiki
Inhalt

Lange Zeit herrschte Frieden in Japan und es wurde ruhig um die legendären Godzilla-Angriffe auf Tokio. Es gab dann immer wieder mal Geschichten, dass irgendwo ein Ungeheuer gesichtet wurde, aber die erwiesen sich als gut gelogene Story. Aber als ein Atom-U-Boot der amerikanischen Marine nahe dem Stützpunkt auf Guam vermisst wird, schickt Japan, das mit dem Friedensvertrag von 1945 ein Bündnis mit den USA hat, zwei Mini-U-Boote zu den Koordinaten, an dem das vermisste U-Boot zuletzt geortet wurde. Diese werden plötzlich von einer schweren Strömung erfasst, wobei eines der U-Boote gegen einen Felsen geschleudert und dadurch zerstört wird. Das zweite U-Boot hat Sichtkontakt zu hellblau leuchtenden Rückenzacken.

Zur gleichen Zeit dreht eine Filmcrew des Mysterysenders BS Digital Q um die Reporterin Yuri Tachibana in der Nähe von Myōkō in der Präfektur Niigata einen Bericht über eine Legende von Riesenmonstern. Das Team ist auf die schnelle Schlagzeile und ein paar konstruierte Monstererscheinungen aus – ein bisschen Quote kann ja nicht schaden – und bekommt mehr, als ihm lieb ist. Nach einem schweren Erdbeben, das mit seltsamen, vermutlich tierischen Lauten einher geht, steht plötzlich ein alter Mann am Waldranmd, der beim zweiten Blick verschwunden ist. Am selben Abend werden ein paar Kilometer weiter im Otagiri-Tunnel eine Gruppe Motorrad-Rowdys verschüttet; ein Augenzeuge schwört, er habe riesige Zähne gesehen – die Zähne von Godzilla. Auch am Ikeda-See in der Präfektur Kagoshima verursachen Studenten Chaos und zerstören Mosaike. Als sie gerade einen wehrlosen Hund im See ertränken wollen, werden sie von einer Riesenraupe getötet und in ein Kokon gesponnen.

Plakatmotiv: Godzilla, Mothra and King Ghidorah (2001)Yuri entschließt sich weiter zu diesem Thema zu recherchieren, zumal sich das Epizentrum der Erdbeben bewegt. In einem Buch des Professors Issayama hat sie von drei heiligen Schutztieren der Yamato gelesen und stellt einen Zusammenhang her mit den Vorfällen in Niigata. Mit dem Wissenschaftsjournalisten Takeda reist sie nach Motosu, wo Professor  Issayama wegen Ruhestörung im Gefängnis sitzt. In der Stadt ist er sehr bekannt, da er immer wieder die Rückkehr Godzillas prophezeite. Yuri erkennt in ihm den alten Mann, den sie unmittelbar nach dem Beben in Myōkō am Waldrand gesehen hat. Seine Godzilla-Warnung wiederholt er auch vor Yuri und betont: Die Waffen der japanischen Armee seien kein Mittel gegen den Riesensaurier, da der von den zornigen Gedanken der vergessenen Soldaten angetrieben werde, die im Zweiten Weltkrieg gefallen sind. Issayama schickt die Reporter in den Fuji-Urwald, wo der Tausendjährige Drachenkönig Ghidorah schläft. Dort angekommen beleuchten sie die Legende der heiligen Schutztiere der Yamato, Ghidorah, Baragon und Mothra.

Die Armee tritt vor die Presse und kündigt die Alarmbereitschaft der japanischen Truppen an. Yuri und Takeda haben derweil ihre Recherchen über die heiligen Schutztiere an ihren Vater übergeben, den Marineadmiral Taizō, der aber Zweifel an der Theorie behält. Bald bewahrheiten sich die Berichte, denn das Monster, dass diese Beben auslöste, Baragon, ist in Gotemba aufgetaucht und scheint den Professor befreien zu wollen. Im Hafen von Yaizu taucht Godzilla auf. Er zerstört die Stadt völlig. Der Verteidigungsarmee fällt auf, dass sich die Wege von Godzilla und Baragon kreuzen und sie in Hakone aufeinandertreffen werden.

Godzilla bewegt sich Richtung Tokio. Yuri kann ihren Sender davon überzeugen, eine Liveschaltung zu ihr herzustellen, damit sie weiter über den Riesensaurier berichten kann. Die Luftwaffe versucht derweil Godzilla mit Bomben zu töten, was jedoch auch erfolglos ist. In der Zwischenzeit erwachen Ghidorah und Mothra aus ihren andauernden Schlaf …

Was zu sagen wäre

Dieses ist ein Film der vertauschten Rollen. Das Militär steht im Mittelpunkt, wo sonst immer die Wissenschaft das Sagen hatte. King Ghidorah hat die Seiten gewechselt und ist jetzt einer von den Guten. Godzilla, der in seiner 47-jährigen Kinogeschichte mal zu den Einen, mal zu den Anderen zählte, zählt hier zu den Anderen – er ist der Oberschurke. Der Regisseur kommt eigentlich aus der Konkurrenz-Ecke – Shûsuke Kaneko hat mit der Trilogie um den Guardian of the Universe gerade die Riesenschildkröte Gamera zu neuem Erfolg geführt. Um es vorweg zu sagen: Mit dem Klassiker unter den japanischen Monstern gelingt ihm das auch.

Tricktechnisch bleibtb er der alten Toho-Linie treu: Auch in diesem 24. Godzillafilm (Roland Emmerichs Digital-Version nicht mitgezählt) steckt ein Mensch im Godzilla-Outfit und rempelt durch Plastikstädte, die freilich heute sehr viel realistischer aussehen als noch in den poppigen 70er Jahren. <Nachtrag2013>Einige dieser Miniaturstädte hat Quentin Tarantino später für Kill Bill, Vol.1 verwendet.</Nachtrag2013> Die fliegende Motte Mothra und der fliegende King Ghidorah allerdings sind in dem Jahr, in dem Steven Spielberg den zweiten Aufguss seiner Jurassic-Saurier auf die Leinwand bringt, in dem sehr realistisch anmitende Flugechsen Menschen attackieren, eine visuelle Herausforderung für den Zuschauer. Die Flugbewegungen der beiden sind eckig und am retouchierten Faden hängend, dass wir das nur als ab-so-lu-ten Willen des Studios betrachten können: Sie wollen es nicht besser, die Godzillacharaktere bleiben äußerlich aus Kunststoff. Entweder, wir akzeptieren das, oder wir schalten ab.

Wenn wir nicht abschalten, erleben wir eine Godzillageschichte, die wie keine andere in die Mythologie Japans eintaucht, in „die Legende von den heiligen Schuttztiere“, die einst das „Land Yamato“ beschützte. Im Film hat dieses Land keinen näheren geografischen Bezug, in der Historie ist Yamato nicht nur eine der fünf inneren Provinzen Japans. Es gilt seit Mitte des ersten jahrtausends als das japanische Kernland, aus dem auch die Familie des heutigen japanischen Tennō stammt. Im Film wurde dieses gebiet von den heiligen Schutztieren beschützt; so geht die Legende. Die heute keiner mehr kennt.

Artwork: Godzilla, Mothra and King Ghidorah (2001)Weil die Menschen alles vergessen haben. Sie verdrängen nur zu gern.“, sagt der mysteriöse Professor Issayama. „Ich habe den Eindruck, dass die lange Friedenszeit die Menschen Godzilla hat vergessen lassen“, sagt Admiral Taizô Tachibana. Es ist dies die einzige Überschneidung von Wissenschaft und Militär, die in den Godzillafilmen stets eine große Rolle gespielt hat. Beide, Wissenschaft und Militär, leiden gleichermaßen unter dem Phlegma ihrer Landsleute, die nach Unterhaltung und Zerstreuung schreien statt Maßnahmen gegen eine Bedrohung von gefühlt Vorgestern zu finanzieren.

Die Wissenschaft hat mehr verloren als das Militär. Bisher galt das Primat des Weißen Kittels in den Godzillafilmen. Egal wie brachial Uniformierte ihre Waffen einsetzten, es gab immer einen Wissenschaftler, der das Ganze kommandierend unter Kontrolle behielt. In Shûsuke Kanekos Godzillafilm taucht der Wissenschaftler nur noch in Person des alten Professors auf, der sich ins Mythische geflüchtet hat. Das Militär, die tapferen Soldaten, „die im Kampf um ihr Land ihr Leben ließen“ stehen gleich zu Beginn im Mittelpunkt des Geschehens, jene tapferen Soldaten, die einst Godzilla vernichtet haben.

Da stutzt der Zuschauer kurz: War es nicht anders? Und da erfährt er in dieser 2001-Version der beliebten Monstersaga: „Vor 50 Jahren wurde Godzilla mit toxischen Chemikalien getötet. Er ist mit den Wissenschaftlern, die das Zeug entwickelt hatten, im Meer versunken. Heute weiß niemand mehr, was für Chemikalien das waren. Unsere herkömmlichen Waffen haben keine Wirkung gezeigt. Mit anderen Worten: Die Armee war zu nichts nütze. Wenn das rausgekommen wäre, hätte man sie Armee in Frage gestellt. Um die Existenz der Armee nicht zu gefährden, hatte man dem Verteidigungsministerium auferlegt, Stillschweigen über die Sache zu bewahren. Absolute Geheimhaltung.“ Was in dem Film eben noch wie eine verklemmte, hurrapatriotische Militärparty aussah, entpuppt sich plötzlich als Verschwörungstheorie einiger Ewiggestriger. Das hat Reiz.

Nicht, dass das US-amerikanische Paranoiakino nicht schon in den 1970er Jahren weiter war im Verschwörungsdschungel. Aber wir reden hier über einen Film, in dem Gummimonster die Tricktechnik des Kinos der 1950er Jahre hochhalten. Da müssen wir relativieren: Meine Liebe zu japanischen Monsterfilmen funktioniert nur, wenn ich akzeptiere, das die sich außerhalb des kommerziellen Kinokanons bewegen – nämlich im Kosmos meines Teenager-Ichs aus den frühen 1970er Jahren. In meinem Kinouniversum spielen die japanischen Monster in einer eigenen, nur für sie zugänglichen Liga, in der Special Effects und Storytelling, wie Spielberg, Lucas, Cameron und das moderne Kino sie verstehen, nicht zählen.

Wieder spielt eine Frau die dramaturgische Hauptrolle, eine, die sich gegen männliche Widerstände durchsetzt, die sich nicht unterkriegen lässt, nur weil man ihr als Frau nichts zutraut. Yuri ist eine taffe Reporterin, die sich wenig um die ethischen Grundsätze ihres Berufs schert, sondern ihre Geschichte so dreht, dass möglichst viele Zuschauer einschalten. Dieser journalistische Ethos wird im Film nicht hinterfragt, gilt als allgemein gültig. Für die Kerle gibt es den strammen Admiral, der gleichzeitig Yuris Vater ist und zum Helden der Geschichte avanciert, der dem (wissenschaftlich) kastrierten japanischen Militär am Ende seine Würde zurückgeben wird.

Im Mittelpunkt japanischer Monsterfilme stehen die Monster und ihre Kämpfe. Im vorliegenden Fall: große Nummern! Baragons Kampf mit Godzilla besicht vor allem durch sehr schöne Panaromabilder und dramatisch geschnittenen Actionsequenzen. Das Ungeheur selbst, das seinen ersten Auftritt in „Frankenstein – Der Schrecken mit dem Affengesicht“ hatte und dann noch einen kurzen in Frankenstein und die Monster aus dem All, bleibt Geschmackssache. Angesichts solcher Kracherfiguren wie Godzilla, Ghidorah, Anguila oder Mothra wirkt Baragon wie die notwendige Beigabe für die Kleinen im Publikum. Aber die Prügeleien der Monster machen dennoch durchweg Spaß. Shûsuke Kaneko gelingt etwas, was die bisherigen Filme meist fahrlässig ignorierten: Meist trampeln Monster durch Städte und Wissenschaftler gucken erschüttert ins Fernglas – der zuschauer muss sich schon denken: Das wird teuer, was die Monster da umsäbeln; aber was kst schon teuer, was Gummimonster umsäbeln?

Kaneko wiederholt hier einen Trick, den er in Gamera – Revenge of Iris angewandt hat: Er macht Menschen statt Häusern zum direkten Opfer des Monsters. Mehrmals während seine Monster ihrer Zerstörungslust frönen, schneidet auf eine einzelne Charaktere – mal eine Patientin im Krankenhaus, mal sensationslüsterne Reporter im Hubschrauber, mal Touristen, die sich vor Monsterkulisse fotografieren lassen – die eine Minute Storyline und Nahaufnahmen bekommen und dann getötet werden durch das Monster. Das ist so plump wie effektiv.

Wertung: 5 von 6 €uro
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