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DVD-Cover: Gamera – Frankensteins Monster aus dem Eis (1965)
Ein neues Monster ist in der
Stadt. Und es mag Kinder!
Titel Gamera – Frankensteins Monster aus dem Eis
(Daikaijû Gamera)
Drehbuch Niisan Takahashi
Regie Noriaki Yuasa, Japan 1965
Darsteller

Eiji Funakoshi, Harumi Kiritachi, Junichirô Yamashiko, Yoshiro Uchida, Michiko Sugata, Yoshirô Kitahara, Jun Hamamura, Kenji Ôyama, Munehiko Takada, Yoshio Yoshida, Jun Osanai, Daihachi Kita, Kazuo Mori, Kôji Fujiyama, Osamu Ôkawa u.a.

Genre Monsterfilm
Filmlänge 78 Minuten
Deutschlandstart
18. November 2011 (DVD-Premiere)
Website Godzilla-Wiki
Inhalt

In einer eisigen nordamerikanischen Region wird ein Bomber unbekannter Herkunft von einem amerikanischen Kampfjet abgeschossen. Der Bomber stürzt ab und eine Atombombe, die er mit sich trug, explodiert. Das Resultat ist das Erwachen eines gigantischen, prähistorischen, schildkrötenartigen Monsters namens Gamera.

Gamera zerstört den amerikanischen Jet mit seinen Feuerbällen und flüchtet sich ins Meer. Das Monster schwimmt nach Japan und taucht vor der Sagami-Bucht auf, zerstört die Stadt Fujisawa und zieht sich dann wieder ins Meer zurück.

DVD-Cover: Gamera – Frankensteins Monster aus dem Eis (1965)Wissenschaftler und Regierungsvertreter veranstalten eine Konferenz, bei der diskutiert wird, ob man Gamera nicht lieber töten sollte. Währenddessen zerstört Gamera ein Forschungsschiff und dessen Besatzung, er schwimmt dann weiter bis Tokio. Dort wird er mehrmals bombardiert und schützt sich mit seinem Panzer. Am Ende wird Gamera in einer Kapsel gefangen und ins All geschossen.

Was zu sagen wäre
Ein durch nukleares Feuer gewecktes Urzeitmonster bricht aus dem ewigen Eis und wütet durch unsere Großstädte. Die Menschheit ist rat- und machtlos. In dramatischem Schwarz-Weiß erzählt Noriaki Yuasa eine Geschichte, die uns im Wesentlichen bekannt vorkommt. Elf Jahre zuvor hatte, ebenfalls in Schwarz-Weiß, Godzilla die Bühne betreten, auch ein Urzeitmonster mit nuklearer Genese.

Diesmal heißt das Ungeheuer Gamera und da ist der Name die Beschreibung: Kame bedeutet im Japanischen Schildkröte und die Endung –ra deutet eine Verniedliung des Begriffs an, also etwa kleines Schildkrötchen. Zwar ist diese Schildkröte riesig, aber sie ist eine – eigentlich – nette Schildkröte. Im Mittelpunkt dieses Films agiert ein kleiner Junge, Toshio. Der ist ein großer Schildkrötenfan. So sehr, dass er darüber alles andere vergisst – Freunde hat er keine, Hobbys auch nicht und weil ihn auch die Schule nur mäßig begeistert, muss er auf Geheiß seines Vaters seine kleine Schildkröte eines Tages dem Meer überlassen. Aber er kennt sich aus mit den Tieren und so erklärt er später den Entscheidern – Professoren, Doktoren, Generäle – was es mit Gamera, der gerade ein ganzes Kraftwerk zerlegt und dessen brennende Energie eingeatmet hat, auf sich hat: „Gamera hat niemanden außer uns. Er ist gar nicht so böse. Ich weiß, er ist eine liebe Schildkröte. Gamera ist allein und auf der Suche nach Freunden. Und er hat auch ganz dollen Hunger, müssen Sie wissen.“ Und Gameras Leibspeise ist nun mal Energie.

Bei Dr. Hidaka, dem führenden Zoologen des Landes, tritt der Junge da offene Türen ein. Er ist die Personifizierung des ewigen Spagats der Wissenschaft – einerseits fasziniert von dieser wissenschaftlichen Sensation Gamera, andererseits bestrebt, das Ungeheuer, das den Menschen schadet, zu vernichten. Manche Menschen kümmert die drohende Vernichtung übrigens gar nicht. In einem Jazzkeller tanzen besellt die jungen Großstadtbewohner. Sie ignorieren den Befehl, in die Luftschutzbunker zu fliehen, weil gamera gerade an Land kommt. „Wir lassen uns das Tanzen nicht verbieten!“ Ist das noch der Tanz auf dem Vulkan oder schon ein Hauch von der aufkommenden 68er-Revolte?

Es ist überhaupt eine sehr freie Gesellschaft, die der Film uns zeigt, auch in höchsten militärischen Kreisen. Selbst in hochsensiblen Alarmsituationen stehen zwischen Militärs und Wissenschaftlern und Panzern und Soldaten ein paar Zivilisten – hübsch lächelnde Frauen etwa, oder Toshio, der Schildkrötenkenner –, die sich das alles mit ansehen dürfen, ja, die sogar gleichberechtigtes Mitspracherecht haben. Es herrscht das Primat der Wissenschaft. Erst darf Dr. Hidaka mit seinen Theorien zur Bekämpfung Gameras scheitern und dann erst darf das Militär entscheiden, Atombomben einzusetzen. Aber, warnt der ergraute Professor Murase, Atomwaffen werden nicht helfen: „Keine unserer Waffen kann ihm etwas anhaben.“ „Ja, Herr Professor. Aber was sollen wir sonst tun?“ fragt der ratlose General – wenn wir schon nichts tun können, dann schmeißen wir wenigstens eine Atombombe. Dieser Einfall ist im nuklear gebeutelten Japan schon eine Nummer.

„Daikaijû Gamera“ stammt aus dem Jahr 1965 (eine deutsch synchronisierte Fassung kam er erst 2011 auf DVD heraus). Damals hatte Konkurrent Godzilla gerade seinen bunten Weg in die Kinderzimmer angetreten; immer noch groß, böse und niederschmetternd, aber auch schon Spielball bunter Außerirdischer, die er erledigen muss und dabei nebenbei die Welt rettet. „Daikaijû Gamera“ setzt da einen Kontrapunkt. Er will gleich in die Kinderzimmer. Auch die Botschaften sind hier einfacher: Mit dem Schlussgong, als die Gefahr gebannt ist, wird uns noch die hoffnungsfrohe Botschaft zuteil: „Nur in einer Welt, in der es keine Unterschiede gibt, kann so etwas gelingen!

Zwar ist auch Gamera ein Monster aus dem Schoß des Kalten Krieges, hervorgebracht durch die Detonation einer sowjetischen Atombombe, aber er ist auch Bestandteil einer alten Mythologie: Gamera stammt von einem arktischen Kontinent, der früher von Riesenschildkröten bevölkert war. Und er rettet in einer seiner ersten Aktionen gleich den kleinen Toshio, der von dem Leuchtturm stürzt, den Gamera gerade umgehauen hat, und rettet ihm wie selbstverständlich das Leben. Als deutscher Erstgucker 2011 wissen wir, dass bald zwischen Gamera und Godzilla, den Daei Studios und den Toho-Studios, der Kampf um die Lufthoheit im Kinderzimmer ausbrach. Toho konterte auf „Daikaijû Gamera“ bald mit Godzillas Sohn und anderen Infantilitäten.

Dabei ist Gamera keine tricktechnisch ernsthafte Konkurrenz für Tohos Godzilla. Zwar stoilpert auch dort ein Mann im Gummikostüm durch Plastikpanzer, aber die Daei-Studios setzen noch viel detlicher auf Plastik und Billig. Die Schauspieler agieren zwischen billigen Computerkulissen und Modellbausätzen; wirklich alles ist Modellbau: das ewige Eis, Eisbrecher, Iglus, Kampfbomber, einfach alles. Vielleicht haben die Studios deshalb das Schwarz-Weiß-Format gewählt, damit die Plastikmodelle nicht so sehr auffallen. Das hat eine Kinoauswertung in Deutschland womöglich verhindert: Wer hätte sich noch was Schwarzweißes mit Plastikmonstern ansehen wollen, wo es doch solche auch in Farbe gab. Andere, farbige, Gamerafilme – Gamera gegen Barugon (1966), Gamera gegen Gaos (1967), Gamera gegen Jiggar (1970) – schafften es, wenn auch mit ein paar Jahren Verspätung, sehr wohl auf deutsche Leinwände.

Wertung: 6 von 8 D-Mark
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