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DVD-Cover: Gamera gegen Viras – Frankensteins Weltraummonster greift an (1968)
Die Infantilisierung
eines Kult-Monsters
Titel Gamera gegen Viras – Frankensteins Weltraummonster greift an
(Gamera tai uchu kaijû Bairasu)
Drehbuch Niisan Takahashi
Regie Noriaki Yuasa, Japan 1968
Darsteller

Kôjirô Hongô, Tôru Takatsuka, Carl Craig, Michiko Yaegaki, Mari Atsumi, Junko Yashiro, Peter Williams, Kôji Fujiyama, Yoshirô Kitahara, Munehiko Takada, Mary Morris, Chikara Hashimoto, Kenji Gô, Akira Natsuki, Ken Nakahara u.a.

Genre Monsterfilm
Filmlänge 75 Minuten
Deutschlandstart
9. November 2012 (DVD-Premiere)
Website Godzilla-Wiki
Inhalt

Aliens wollen die Erde für sich erobern und haben erkannt, dass Gamera für Sie eine große Gefahr darstellt, da sie bereits eines ihrer Raumschiffe zerstört hat. Dank modernster Technologie können Sie Gameras Schwachpunkte analysieren und sie mit einem hypnotisierenden Gerät für sich gewinnen.

Plakatmotiv (Jap.): Gamera gegen Viras – Frankensteins Weltraummonster greift an (1968)Nachdem Gamera für sie Tokio angegriffen hat, wendet sie sich aber gegen die Aliens und zerstört ihr Raumschiff.

Daraufhin lassen die letzten überlebenden Aliens Viras, mit dem sie sich zu einem riesigen Monster vereinen, auf Gamera los. Eine Schlacht der Giganten beginnt …

Was zu sagen wäre

Was die Kollegen aus dem Godzilastudio Toho können, können die Kollegen aus Gameras Heimatstudio Daiei schon lange: Auftritt einer Alienrasse, die die Erde erobern möchte und sich dafür der Riesenschildkröte bedient. Gamera allerdings wendet sich an ein deutlich jüngeres Publikum. Nachdem er in seinem ersten, noch schwarz-weißen Abenteuerfilm, ein Kind rettete, waren die Zuschriften von Kindern offenbar gewaltig – so hat es Regisseur Noriaki Yuasa in einem Interview erklärt. Und so habe man sich entschieden, diesen Weg weiter auszubauen: Die Gamera-Serie wendet sich nun klar den Kindern zu, das Produktionsdesign ist eindeutig, nun: günstig eingekauft. Das Raumschiff der Außeridischen sieht aus, wie ein paar zusammengesteckte Hummeln. Knapp 15 Minuten dieses nur 75 Minuten langen Films ist mit Material aus den vorangegangenen drei Filmen aufgefüllt, auch der Dammbruch aus „Gamera gegen Barugon“ (1966) ist eins zu eins mit eingebaut.

Gleich zu Beginn schon entern zwei halbwüchsige Pfadfinder die neuste Erfindung des meeresbiologischen Instutes, ein Mini-U-Boot und tauschen mal eben die Batteriepole um – Vorwärts ist Rückwärts, Nach Links lenkt nach Rechts. Und als dann der Chef des Instituts mit dem leitenden Pfadfinder am Meeresgrund deshalb beinah Bruch macht, lässt der Direktor ausgerechnet zwei Kinder – eben jene Halbwüchsigen – an Bord, um allein eine Probefahrt zu unternehmen. Die Jungs – ein Japaner und ein Amerikaner – können auch wie selbstverständlich mit Gamera kommunizeren. Das hat den Charme von Astrid Lindgrens Bullerbü-Geschichten. Auch hier spielt das Essen eine enorme Rolle: Die Kinderhelden können von Außerirdischen entführt werden und in größter Gefahr schweben; das hindert sie aber nicht festzustellen: „Ich könnte was zwischen die Zähne vertragen. Das Abendessen haben wir inzwischen verpasst.

DVD-Cover (US): Destroy all Planets – Gamera gegen Viras (1968)Der Film wurde in Deutschland erst 2012 auf DVD veröffentlicht, 44 Jahre nach seiner japanischen Kinopremiere. Die war 1968, das Jahr, in dem Münchner Bavaria-Studios die TZV-Serie „Raumpatrouille“ produzierten und Stanley Kubrick seinen wegweisenden Science-Fiction-Film 2001 – Odyssee im Weltraum; in dieser Bandbreite wurde damals Fantasy-Geschichten verfilmt. Vieles von dem, was uns in der SFX-Technik heute grenzdebil vorkommt, war damals durchaus noch gang und gäbe – selbst die deutlich sichtbaren Bindfäden, an denen Gamera wie eine Puppe der Augsburger Puppenkiste durchs Meerwasser gezogen wird, waren damals noch keine automatischen Schenkelklopfer.

Die Gamerafilme, die es in deutsche Kinos schafften (Gamera gegen Gaos und Gamera gegen Jiggar), habe ich im Alter von 11, 12 Jahren gesehen. Damals war ich begeistert von den aufregenden Abenteuern – es gibt jede Menge Monsteraction und es gibt (damals) Altersgenossen, die auf Monstern reiten: „Gamera steht total unter ihrer Kontrolle. Das heißt, er muss alles tun, was sie verlangen. Vielleicht haben die ja was Schreckliches vor“.

Um die komplexe Alientechnik von Fangstrahlen und Gamera-Kontrollstrahl umzukehren, genügt es den Pfadfinderjungs, zwei überdimensionierte Legosteine umzustecken.Währenddessen beschließt die Weltgemeinschaft vor der UNO, sich lieber zu ergeben, als das Leben der beiden Jungen zu opfern: „Schwesterherz, sag es allen: Wir wollen auf keinen Fall, dass die Welt sich unseretwegen ergibt.“ „Mama! Papa! Es muss sein. Die Zukunft der Erde steht auf dem Spiel!

Dieses Schreckliche kommt in Form einer Mischung aus Octopus und geplatzter Chilischote mit leuchtenden Augenauf die Erde. Es ist Viras, das Weltraummonster. Der hieraus resultierende „Kampf der Giganten“ befüllt die letzten zehn Minuten des Films und ihm wohnt ein naiver Charme inne, der das Bizarre dieses Handgemenges als reinen Dadaismus entlarvt – vielleicht auch als Gagaismus.

Aber die Genese der Gamera-Serie zeigt deutlich: Die Daiei-Studios sind mit einem Godzilla-Klon gestartet, peilen aber nach nur drei halbwegs harten Abenteuern nun Kinder als Zielgruppe an. Am Rande ist dieser Film ein gewaltiger Werbefilm für die Pfadfinder.

Wertung: 3 von 8 D-Mark
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