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Plakatmotiv: Gamera gegen Gaos – Frankensteins Kampf der Ungeheuer (1967)
Eine Monsterschlacht als
Film für die ganze Familie
Titel Gamera gegen Gaos – Frankensteins Kampf der Ungeheuer
(Daikaijû kûchûsen: Gamera tai Gyaosu)
Drehbuch Niisan Takahashi
Regie Noriaki Yuasa, Japan 1967
Darsteller

Kôjirô Hongô, Kichijirô Ueda, Reiko Kasahara, Naoyuki Abe, Tarô Marui, Yukitarô Hotaru, Yoshirô Kitahara, Akira Natsuki, Kenji Ôyama, Fujio Murakami, Kôichi Itô, Teppei Endô, Shin Minatsu, Teruo Aragaki, Yukie Kagawa u.a.

Genre Monsterfilm
Filmlänge 86 Minuten
Deutschlandstart
15. Oktober 1971
Website Godzilla-Wiki
Inhalt

Aufgrund einer erhöhten Vulkanaktivität in der Fuji-Vulkankette wird die fliegende Schildkröte Gamera angelockt und ein weiteres Monster befreit. Dabei handelt es sich um eine vampirartige Riesenfledermaus mit dem Namen Gaos, die Gamera unschädlich macht und anschließend auf einen Raubzug in die Ansiedlungen aufbricht und Blutopfer sucht.

Nachdem Gamera regeneriert ist, nimmt sie den Kampf mit Gaos auf und reißt ihr ein Bein aus, als diese vor der aufsteigenden Sonne flieht. Das Bein wächst allerdings wieder nach.

Plakatmotiv (Jap.): Gamera gegen Gaos – Frankensteins Kampf der Ungeheuer (1967)Auch der Versuch, Gaos mit einer riesigen, blutgefüllten Scheibe auf ein Hotel zu locken und dort bis Sonnenaufgang festzuhalten, läuft schief. Und ein Fernsehreporter stellt fest: „Das Untier Gaos zu vernichten, scheint wirklich mit menschlichen Kräften unmöglich zu sein. Die Wissenschaft hat kapitulieren müssen und die Menscheheit steht nun vor einem Rätsel!“ …

Was zu sagen wäre

Eine blutgierige Vampirfledermaus, die das Tageslicht scheut, weil sie darin auf Norm-Größe schrumpft, als monströser Gegner. Das ist einigermaßen skurril, anderewrseits aber auch sehr Gamera. Die Filme, die die Riesenschildkröte im Titel tragen, sind weniger beinharte Monsterfilme, als eher Erbauungsfilme für die Kleinen mit einem sozialen Seitenblick.

„Daikaijû kûchûsen: Gamera tai Gyaosu“ markiert den Wechsel: weg vom humorlosen Monstergbrüll zwischen Plastikspielzeug (Billigproduktionen waren die Gamerafilme immer – und sahen auch schambefreit so aus) hin zum Kinderfilm – „Der Junge hat mich auf eine Idee gebracht!“, lobt etwa Japans leitender Zoologe im Krisenstab, umgeben von alten, autoritären Männern. Im Mittelpunkt des Films steht nicht etwa die Riesenschildkröte. Im Mittelpunkt steht ein dicklicher Jungen, Eiichi Kanamura, der den Erwachsenen immer eine Nasenlänge voraus ist, der als einziger beobachtet, dass Gaos „nur nachts rauskommt. Nur nachts.“ Er gibt Gamera die entscheidenden strategischen Tipps für den Kampf gegen Gaos („Du musst ihn von hinten angreifen. Von hinten!“; was Gamera dann auch prompt tut, mit Erfolg).

Da ist der Monsterfilm eher ein Film über eine unmögliche, aber innige Freundschaft. Andere Freunde hat der dickliche Junge nicht und mit seiner älteren Schwester, die ihn  mütterlich umsorgt, kann er nicht spielen. „Wenn doch Gamera jetzt bloß hier wäre. Vielleicht liegt er jetzt ganz tief unten auf dem Meeresboden, weil er sich verletzt hat“, fürchtet sich Eiichi  nach der Ultraschallwellen-Attacke Gaos'. „Gamera! Du muss ganz schnell gesund werden. Hörst Du, Gamera? Gamera! Gamera!! Du musst wieder gesund werden, Gamera!!!“. Etwas ähnliches gab es schon im ersten Gamerafilm, aber noch nicht so aufdringlich wie hier.

In der ersten Sitzung der Militär- und Regierungsspitze nach Auftauchen des neuen Monsters wird der dicke Junge zum Kronzeugen im Kreise der wichtigen Herren: „Der böse Gaos hat so eine Art Strahl losgeschossen und Gamera hat sich gar nicht dagegen wehren können.“ „Hör mal zu, mein Junge. Warum nennst Du das andere Tier Gaos?“ „Ich habe es so getauft, weil seine Stimme so klingt.“ „Dr. Aoki. Sie als Zoologe, können Sie uns vielleicht sagen, was für ein Tier …“ „Es ist Gaos!“, ruft der Junge. „Ein Reptil oder ein Vogel, was meinen Sie, Doktor?“ „Das ist schwer zu sagen. Niemand hat ein ähnliches Tier bisher gesehen. Ich muss gestehen, ich stehe selbst vor einem Rätsel.

Die Billigproduktion ist ein Horrorfilm für Kinder, der in einer vertiablen Splatterszene gipfelt: Gamera beißt Gaos ins Bein, weil er ihn daran hindern will, vor Sonnenaufgang zu fliehen. Gaos reißt sich los, verliert dabei einen halben Fuß, welcher später in einer unheimlichen Szene wieder nachwächst. <Nachtrag2012>Das ist geschrieben aus der Sicht des Teenager, der ich war, als ich den Film Anfang der 1970er Jahre zum ersten mal im Kölner Weißhauskino sah und die Nachwachs-Szene als „unheimlich“ notiert habe. Dabei sind die Monsterkämpfe von bemerkenswerter Schlichtheit (die mich als 12-Jährigen aber nicht gestört haben), wie sie die Godzillafilme immer vermeiden konnten.</Nachtrag2012>Ich möchte nochmal feststellen, dass wir uns in Hypothesen bewegen.“ Es soll alles wissenschaftlich plausibel sein.

In den Godzillafilmen sind die Monster einziges Thema, die Menschen sind dramaturgisches Beiwerk. In den Gamerafilmen haben die Menschen Probleme, und dann tauchen auch noch Monster auf. Die Gamerafilme sind sozialer, gesellschaftlich relevanter. „Gamera ist besser als Gaos. Auch viel stärker“, sagt Eiichi. „Wenn Gamera da wäre, hätten die Männer Angst vor ihm und wären nicht so gemein zu Großvater (gemeint sind die Bauern, die gemein sind zum Bürgermeister, dem sie verfehlte Geschäftsstrategien vorwerfen).“

Gamerafilme sind Familienfilme fürs Publikum, aber auch für ihre Macher. Etliche Schauspieler tauchen immer wieder auf, in unterschiedlichen Rollen. Kôjirô Hongô etwa, der den Vorarbeiter Shiro Tsutsumi spielt, spielte in Gamera gegen Barugon den Wissenschaftler Keisuke Hirata. Hier ist er auch derjenige, der dem Zuschauer klar macht, dass die Monster zwar Monster sind – und somit einen eher schlechten Ruf haben – aber in ihrem Inneren eben doch normale Tiere, die ihren animalischen Instinken folgen, über die man sie auch in die Irre führen kann. Barugon konnte über den Diamanten ins Meer gelockt werden. Gamera damals mit Feuer(Nahrung) in die Rakete. „Er ist ein Tier, das seinen Instinkten folgt. Wie jede andere!<Nachtrag2012>Aus heutiger Sicht ist dieser Film einem Erstgucker, egal welchen Alters, schwer vermittelbar. Ich finde ihn sehr charmant, auch weil er ein Hauptaugenmerk auf die Erwachsenengeschichte legt, vielleicht als Anreiz für die Eltern, die mit ins Kino müssen.</Nachtrag2012>

Hier reißt der Film ein ökologisch brisanten, gesellschaftlich umstrittenes Thema an: Landraub für die Modernisierung der mobilen Gesellschaft. Es geht um Bauern, die sich weigern, ihr Land aufzugeben und die von Medien und Konzernen kritisert und als den Fortschritt bremsend kritisiert werden. Sumiko Kanamura, die Schwester des dicklichen Jungen sagt: „Ich finde, dass sich unsere Leute falsch verhalten. Eine Straße würde für uns auf jeden Fall einen Fortschritt bedeuten.“ „Du hast ja recht. Aber unsere Männer sehen das anders. Die können sich einfach von ihrem Besitz nicht trennen.“ Die Männer diskutieren derweil, wie sie durch Protestaktionen den Preis für ihr Land in die Höhe treiben können. Sie beugen sich schließlich dem Primat der Moderne, die hier in Form gelungener Gaos-Bekämpfung daher kommt. „Und wie können wir Gamera zu Hilfe rufen?“ „Wir müssen nur einen Waldbrand legen! Kannst Du mir wirklich glauben. Nur so können wir Gamera zu uns holen. Wollen wir wetten? Wir können auch nicht länger zusehen, wie Gaos alles zerstört. Deshalb brauchen wir Gamera!“ In der Übersetzung ins Reale ist der Sieg über Gaos der Sieg des Fortschrittsgedanken. Dem müssen sich auch die einfachen Bauern fügen.

Wertung: 6 von 8 D-Mark
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