Plakatmotiv: F1 – Der Film (2025)

Großartiges Popcornkino

Titel F1
(F1: The Movie)
Drehbuch Ehren Kruger
Regie Joseph Kosinski, USA 2025
Darsteller

Brad Pitt, Damson Idris, Javier Bardem, Kerry Condon, Tobias Menzies, Kim Bodnia, Sarah Niles, Will Merrick, Joseph Balderrama, Abdul Salis, Callie Cooke, Samson Kayo, Simon Kunz, Liz Kingsman, Simone Ashley, Ramona Von Pusch, Barney Smith, Poppy Smith u.a.

Genre Action, Drama
Filmlänge 155 Minuten
Deutschlandstart
26. Juni 2025
Website warnerbros.de/filme/f1
Inhalt

In den 1990er Jahren galt Sonny Hayes noch als die nächste große Nummer im Rennsport und der höchsten Klasse, der Formel 1. Doch auch als Rennfahrer legt man seinen Körper in die Waagschale und muss letztlich mit dem Schlimmsten rechnen. Für Sonny Hayes bedeutet das das Ende seiner Karriere als Formel-1-Profi nach einem folgenschweren Unfall auf der Rennstrecke.

Fortan dümpelt er in niedrigeren Rennklassen herum und hält sich drei Jahrzehnte nach seinem schicksalsträchtigen Unfall noch als Gelegenheitsrennfahrer über Wasser und versucht dabei, von seinem alten Formel-1-Ruf zu zehren. Sein damaliger Teamkollege Ruben Cervantes weiß das. Der ist mittlerweile Chef des Teams APXGP, das scheinbar hoffnungs- und punktlos am untersten Ende der Formel-1-Tabelle verweilt.

Weil Cervantes damit also fast nichts mehr zu verlieren hat, will er Hayes zurück in die Königsklasse holen und ihn zusammen mit dem Rookie Noah genannten Joshua Pearce einen Rettungsanker für den Rennstall formen lassen …

Was zu sagen wäre

Schön, lauter Filmprofis bei der Arbeit zuzusehen. Wenn auch das Drehbuch, wie die Süddeutsche Zeitung kürzlich ahnte, von einem Ziegelstein erstellt worden sein könnte.

Wir haben es hier mit Sommerblockbusterkino im besten Sinne zu tun, nach dazu mit einem Film, der nicht Sequel, Prequel oder irgendein Universe befüllendes Stück ist – wiewohl natürlich die Rennklasse der Formel 1 eine der langlebigsten Serien darstellt. Nur bislang nicht im Kino. Erst jetzt befruchten sich diese beiden Marketingmaschinen – Hollywood und höchste Rennsportklasse – gegenseitig. Direkt vor den Film hat der Verleih Werbespots für Luxusuhren, Reifenhersteller, aggressive Mähroboter und andere Männersehnsüchte geschaltet. Denn die Formel 1 gehört nicht mehr dem als "Impresario" apostrophierten Briten Bernie Ecclestone, der Sylvester Stallone noch indigniert die Tür wies, als der mit seinem Rennfahrerfilm Driven (2001) um die Rechte nachfragte. Jetzt sitzt das US-amerikanische Medienunternehmen Liberty Media im Chefsessel der Formel 1. Und das setzt offenbar auf Schillernder, Schneller, Schneidiger – schließlich hat der Rennzirkus mittlerweile an zwei US-Stationen Zapfsäulen stehen: Austin in Texas und die glitzernde Spielermetropole Las Vegas.

Da waren die Verhandlungen schnell in Gang, zumal Produzent Jerry Bruckheimer Lewis Hamilton als Co-Produzent an seiner Seite hat, erfolgreichster Formel-1-Rennfahrer der Geschichte und im Renngeschäft ein guter Türöffner. Nun laufen dauernd Max Verstappen, Hamilton, Charles Leclerc, Carlos Sainz und andere Größen des Rennsports durchs Bild, Mercedes-Manager Toto Wolf darf versuchen, Rookie Joshua Pearce abzuwerben und Ferrari, Mercedes sowie die Sponsoren freuen sich über viel Präsenz ihrer Logos auf der Leinwand.

Es geht bei diesen neun Rennen, um die der Film sein Drama inszeniert, nie darum, wer schneller fährt, besser Kurven schneidet, effektiver Reifen wechselt. In Jerry Bruckheimers Formel-1-Zirkus geht es nur darum, mit welchem charmanten oder schmutzigen oder gerade-noch-so-legalem Trick man sich ins Ziel rettet. Entsprechend häufig krachen hier Boliden mit Hochgeschwindigkeit in die Fangzäune oder fliegen explodierend über die Böschung. Für die filmtechnische Seite hat Bruckheimer neben seiner eigenen Expertise als Großproduzent (Top Gun: Maverick – 2022; Fluch der Karibik – 2003; Pearl Harbor – 2001; Der Staatsfeind Nr. 1 – 1998; Armageddon – 1998; Con Air – 1997; The Rock – 1996; Bad Boys – 1995; Tage des Donners – 1990; Top Gun – 1986; Beverly Hills Cop – 1984; Flashdance – 1983; Der Einzelgänger – 1980; Ein Mann für gewisse Stunden – 1980) einfach wieder die Leute gesammelt, mit denen er bei Top Gun: Maverick schon gearbeitet hat. Regie, Drehbuch, Kamera, Schnitt, Filmmusik: alles in bewährten Händen; damit bekommt man für einen Formel-1-Film mit spektakulären Renn- und Crashszenen und Brad Pitt viel Geld. Die Produktionskosten sollen sich um die 300-Millionen-Dollar-Marke drehen. Weltweit eingespielt hat der Film nach vier Wochen allerdings erst 393 Millionen Dollar.

Das Filmteam hat in der Rennsaison 2023 und 2024 als eine Art elftes Team am Zirkus teilgenommen, mit mehr als 20 Kameras bei Rennen gedreht und mehrere tausend Stunden Filmmaterial zusammenbekommen – Kameras an, auf und über der Rennstrecke, in den Cockpits, im Hubschrauber, Hans Zimmer holt seine aus seinen früheren Welterfolgen übrig gebliebenen Score-Partituren aus der Schublade und sortiert sie neu, das Drehbuch bietet die richten One-Liner für den kurzen Zwischenschnitt, Brad Pitt bietet den sekundengenau getimten, kernigen Blick in die Kamera – der Film ist ein Meisterwerk in Bild- und Tonschnitt, großartiges Popcornkino, das zweieinhalb Stunden lang Spaß macht, auch, weil es selten von der Bremse geht. Das zusammengehalten wird von einer Geschichte, in der jedes Mosaiksteinchen an der richtigen Stelle sitzt, in der man immer schon weiß, was passieren wird. Das ist die Grundregel im perfekten Popcornkino: Bloß keine bösen Überraschungen!

Die Figuren sind keine Menschen, die jenseits der Leinwand lebensfähig wären, sie sind Figuren. Die jeweils für Eigenschaften stehen.

Brad Pitts Figur hat die Eigenschaft des lässigen Mannes, der alle Erfahrungen schon gemacht hat, der nichts mehr beweisen muss, hier ein ehemaliger Formel-1-Fahrer, der zurückgeholt wird, um einem lahmen Team und einem jungen Kollegen das Siegen beizubringen. Wenn er Rennen gewinnt, verschmäht er den Pokal. Aber den Bonus nimmt er gerne. „Es geht nicht um Geld!“, sagt er mehrmals und kann auf die Frage „Worum geht es denn dann?“ nie antworten. Für Brad Pitt ist das eine Rolle wie auf Urlaub, für Quentin Tarantino hat er sie zuletzt in Once upon a time in Hollywood gespielt, statt Rennfahrer war er da Stuntman. Die Rolle des lässigen Kerls zieht sich durch seine Karriere (Babylon – Rausch der Ekstase – 2022; Bullet Train – 2022; The Lost City – Das Geheimnis der verlorenen Stadt – 2022; Ad Astra – Zu den Sternen – 2019; Once Upon a Time in Hollywood – 2019; Deadpool 2 – 2018; The Big Short – 2015; Herz aus Stahl – 2014; The Counselor – 2013; 12 Years a Slave – 2013; World War Z – 2013; Die Kunst zu gewinnen – Moneyball – 2011; Inglourious Basterds – 2009; Der seltsame Fall des Benjamin Button – 2008; Burn After Reading – 2008; Ocean's 13 – 2007; "Babel" – 2006; Mr. & Mrs. Smith – 2005; Ocean's Twelve – 2004; Troja – 2004; Geständnisse – Confessions of a Dangerous Mind – 2002; Ocean's Eleven – 2001; Mexican – 2001; Snatch – Schweine und Diamanten – 2000; Fight Club – 1999; Rendezvous mit Joe Black – 1998; "Sieben Jahre in Tibet" – 1997; Vertrauter Feind – 1997; Sleepers – 1996; 12 Monkeys – 1995; Sieben – 1995; Legenden der Leidenschaft – 1994; "Interview mit einem Vampir" – 1994; True Romance – 1993; Kalifornia –1993; Aus der Mitte entspringt ein Fluss – 1992; "Cool World" – 1992; Thelma & Louise – 1991). Sein Sonny Hayes träumt bei allem Stoizismus von seinem ersten Sieg in einem Formel-1-Rennen, versteht sich aber übergeordnet als Teamplayer, der dem jungen Rookie auf die Sprünge helfen will und dazu nutzt er alle Tricks, die er in seiner langen Erfahrung bei allen Entbehrungen gesammelt hat. Wenn er also seinen Boliden schrotten muss, um über die Wettkampfregeln – Safety-Car auf der Strecke – seinem Rookiepartner Vorteile zu schaffen und Punkte zu ermöglichen, macht er das. Plakatmotiv: F1 – Der Film (2025) Pitt tritt als Naturbursche an gegen die technisch hochgezüchtete Rennmaschinerie mit ihren digitalen Prozessen, in denen Menschen nur noch Regler schieben, und zeigt ihnen mal kurz, was wirkliche Siegermentalität bedeutet. Großer Spaß!

Den Teamchef des Rennstalls spielt, und das ist für formelhafte Produktionen wie das Popcornkino die halbe Miete, Javier Bardem (Dune: Part II – 2024; Arielle, die Meerjungfrau – 2023; Dune: Part I– 2024; Mother!– 2017; Pirates of the Caribbean: Salazars Rache – 2017; The Gunman – 2015; The Counselor – 2013; James Bond – Skyfall – 2012; Vicky Cristina Barcelona – 2008; No Country for Old Men – 2007; Collateral – 2004; Perdita Durango – 1997). Bardem ist ein aus-dem-Bauch-Spieler. In der Grundhaltung "sympathisch" verwandelt er sich in Auftragskiller, Liebhaber oder Reißbrettfiguren, wie diesen Teamchef Ruben Cervantes im vorliegenden Film. Dessen Motivation ist es, seinen Job zu behalten; dafür muss er seinem Team endlich wenigstens einen Wettkampfpunkt in einem Rennen sichern. Gleichzeitig ist er loyal mit dem alten Hasen Sonny befreundet, der mit einem alten Trauma ins Auto steigt und also gefährdet ist. Dieser Rennstallbesitzer ist eine Figur zum Gernhaben und Knuddeln, der mit seinen Augen mehr ausdrücken kann, als weniger Begabte mit fünf Sätzen.

Die jüngste Bruckheimer-Produktion wird gerade häufig mit einer der ältesten Bruckheimer-Produktionen verglichen: In Top Gun (1986) spielte Meg Ryan in einer kleinen Rolle die Freundin eines Piloten und Kelly McGillis eine Ärztin außerhalb des Männerzirkels der Piloten und nebenbei das Love Interest der Hauptfigur. Schon sie galt als selbstbestimmt, hatte aber mit dem kernigen und zentralen Pilotenleben direkt nichts zu tun, war also, nun ja, für den Betrieb nebensächlich. Heute spielt Kerry Condon die in einem Rennteam zentrale Figur der technischen Direktorin und auch nicht direkt Love Interest Brad Pitts; aber dass beide zusammenfinden, ist auch so ein ungeschriebenes Gesetz des guten Popcornkinos. Das Drehbuch gesteht ihr ein paar Entscheidungen und scharfe Sätze gegen die Machos um sie herum zu, letztlich bleibt die sympathisch raue Kate McKenna aber Stichwortgeberin, deren großer, in drei Sätzen formulierter Lebenstraum es ist, ihren ehemaligen Physikprofessor an der Uni mit ihren Erfolgen in einem Formel-1-Team zu überzeugen – dann fragt sie, was eigentlich Sonny Hayes' großer Traum ist. Und der alte, bisher lässig ruhige Mann hebt an zu einer mehrere Drehbuchseiten langen Beschreibung seines Traums, dem wir dann, Stichwort: gutes Popcornkino, in der Folge beim Erfüllen zusehen werden dürfen.

Die Reaktion des Physikprofessors der späteren Technischen Direktorin Kerry Condon bleibt unerzählt.

Diese Erkenntnis gehört zu den Regeln funktionierenden Popcornkinos dazu: Wenn's an der Kasse krachen soll, spielen Frauen (immer noch) keine dauerhaft dominante Rolle. Wonder Woman, die Ausnahme von dieser Regel? Ist eine Comicfigur! Auch: Black Panther, einer der erfolgreichsten Filme der Dekade mit einem schwarzen Helden als Titelfigur? Ist eine Comicfigur. Der schwarze Fahrer im vorliegenden Film ist der Rookie, dem ein, Achtung, Alter Weißer Mann erst zeigen muss, wo der Hammer hängt. Ich, selbst alt und weiß und Mann, nehme diese fragwürdige Perspektive zur Kenntnis. Will mir aber den Spaß im Kino dadurch gerade nicht verderben lassen.

Der Kinosommer 2025 hat erst begonnen. Da war Tom Cruise mit seiner Handmade Action für Mission Impossible und Disney mit einem neuen Pixar-Abenteuer. Die zahlreich angekündigten weiteren Popcornfilme aber sind alles Sequels, Prequels und irgendein Universe befüllendes Filmefranchise. Da darf ich an dieser Stelle des Zeitstrahls mal festhalten, dass der vorliegende Film heißer Kandidat auf den "Sommerfilm des Jahres" ist.

Wertung: 7 von 8 €uro
IMDB