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Plakatmotiv: Der Einzelgänger (1981)

Leidenschaftlicher Blick auf
den Mann in der Nachbarschaft

Titel Der Einzelgänger
(Thief)
Drehbuch Michael Mann
nach dem Roman "The Home Invaders" von Frank Hohimer
Regie Michael Mann, USA 1981
Darsteller

James Caan, Tuesday Weld, Willie Nelson, Jim Belushi, Robert Prosky, Tom Signorelli, Dennis Farina, Nick Nickeas, W.R. Brown, Norm Tobin, John Santucci, Gavin MacFadyen, Chuck Adamson, Sam Cirone, Spero Anast, Walter Scott, Sam T. Louis, William LaValley u.a.

Genre Action, Crime
Filmlänge 123 Minuten
Deutschlandstart
27. August 1981
Inhalt

Der erfahrene Einbrecher und Juwelendieb Frank saß lange Jahre im Gefängnis. Sein großer Traum ist es, eines Tages ein normales, bürgerliches Leben führen zu können. In der Kellnerin Jessie glaubt er, die richtige Frau gefunden zu haben, um eine Familie zu gründen.

Für den Wechsel in ein normales Leben braucht Frank allerdings noch das nötige Kleingeld. Gangsterboss Leo scheint im ersten Moment der richtige Mann zu sein, der Frank die notwendigen, lukrativen Aufträge verschafft.

Doch nicht nur die Polizei ist Frank auf den Fersen und wartet auf den kleinsten Fehler, auch der Deal mit Leo entpuppt sich als schwerwiegende Fehlentscheidung mit fatalen Konsequenzen …

Was zu sagen wäre

Eine unscheinbare Fotocollage mit Häuschen drauf und Familie darin. Das ist sein ganzer Schatz. Seine Träume hat er begraben. Selbstschutz. Er saß elf Jahre im Gefängnis, zwei wegen Raub, neun weitere dann, weil er sich im Knast verteidigen musste – Totschlag. Damals lernte er, keine Erwartungen zu haben. Dann kann Dir auch nichts genommen werden.

Der Held, den uns Michael Mann hier präsentiert, ist ein Kind der 70er Jahre. Kein Antiheld, der das Gute mit den Mitteln des Bösen jagt und durchsetzen will, kein Dirty Harry und kein Taxi Driver. Aber eben auch kein Strahlemann mit Vorbildfunktion, wie sie etwa John Wayne früher hatte. Dieser Held hier, Frank, ist ein Räuber. Ein Gesetzesbrecher, der hinter der Fassade eines Gebrauchtwagenhändlers seiner Passion nachgeht, dem Knacken von Tresoren, in denen Diamanten liegen. Er trägt zu enge Hemden aus Seide, die über der behaarten Brust spannen, teure Lederjacken, goldene Uhren und fährt teure Wagen. Ohne davon wirklich etwas zu haben. Sein Leben spielt sich nachts ab. Als wir ihn kennenlernen, zieht er gerade einen Einbruch durch. Es ist Nacht, es regnet, die Kamera begleitet ihn durch Hinterhöfe, dunkle Gassen in abgelegene Garagen, wo er seine Fluchtfahrzeuge wechselt. Seine zwei Partner kontaktiert er, wenn er einen neuen Bruch plant. Sonst sieht er sie nicht. Freunde hat er keine. Was er tagsüber macht, wenn er nicht gerade seine Beute vom Raubzug einem Hehler zur Prüfung vorlegt, zeigt der Film nicht. Warum er Tresore knackt? Weil er es kann wie kein zweiter wohl. Eine finanzielle Notwendigkeit besteht nicht, Frank hat neben seinem Gebrauchtwagenladen noch Anteile an einer Bar, die augenscheinlich ganz gut läuft. Der Safeknacker als Symbol für den American way of capitalism: Ein auskömmliches Leben reicht nicht, es muss das Beste, Schönste, Größte sein, damit die Nachbarn beeindruckt sind.

Aber selbst bei diesem Helden tickt die innere Uhr. Auch der Räuber träumt vom trauten Heim mit Planschbecken davor und Familie darin. Und das plant er genauso generalstabsmäßig, wie seine Brüche. James Caan (1941 – Wo bitte geht's nach Hollywood – 1979; Die Brücke von Arnheim – 1977; "Silent Movie" – 1976; Rollerball – 1975; "Funny Lady" – 1975; Der Pate – 1972; El Dorado – 1966) spielt diesen Frank mit hoher Körperspannung, unnahbar, immer auf dem Sprung. Plakatmotiv: Der Einzelgänger (1981) Monatelang hat er die blonde Kassiererin im Diner beobachtet, jeden Tag „Hallo“ gesagt und gelächelt und sie hat irgendwann zurück gelächelt. Schließlich hat er sie um ein Date gebeten. Und sie dann zwei Stunden warten lassen. Für sie ist der Fall damit schon erledigt. Für ihn nicht. Er zerrt sie aus der Bar. Sie wehrt sich. Er zerrt sie ungerührt in sein Auto und fährt los. Kein sympathischer Mann, diese Hauptfigur in Michael Manns Film. 

Entsprechend kalt bahnt sich die Annäherung an, im nächtlichen Diner bei Neonlicht. Auf sein Drängen hin erzählt sie von dem Mann in ihrem Leben: „Er hatte eine Menge Geld. Wir waren in Tucson, Mexico City, Bogotá, immer unterwegs. Du weißt schon. Alles veränderte sich. Es lief plötzlich nichts mehr zwischen uns. Es war aus, aber wir wollten es nicht wahr haben und machten eben weiter. Es endete ziemlich schlimm. Jetzt stehe ich morgens auf, steig' unter die Dusche und gehe zur Arbeit. Ich habe einen Job, ich habe eine Sozialversicherungskarte und mein Leben verläuft ganz alltäglich. Ziemlich langweilig, was gut ist. Weil es solide ist.“ „Du vertrödelst Dein Leben, weiter nichts. Du möchtest Dich bloß verkriechen. Du wartest auf den Bus und hoffst, dass er niemals kommt, denn Du willst überhaupt nicht einsteigen, weil Du nämlich nirgends hin willst. Richtig?“ „Wo predigst Du Sonntags?“ Romantik geht in Hollywood normal anders. Aber hier sitzen sich die beiden in diesem schmucklosen Diner gegenüber, erzählen sich ihr Leben, sie von der Beziehung zu dem kaputten Typen, der jetzt tot ist, er darüber, dass man vom Leben nichts erwarten darf, „nur dann überlebst Du“, und je mehr sie reden, desto dichter rückt ihnen die Kamera, irgendwann zieht erst die eine, dann der andere die Jacke aus und dann erzählt Frank von seinen Träumen anhand der Fotocollage mit Häuschen und Familie darin. Diese Szene dauert fast zehn Minuten; ziemlich viel für einen Film, der sich auf dem Kinoplakat – „Ihr größter Fehler war, ihn nicht zu töten!“ – als Actionthriller anpreist.

"Thief" ist kein Actionthriller. Der Film ist das Porträt eines zeitgenössischen, also fatalistischen Mannes. Okay, der normale Mann ist kein Tresorknacker-Experte sondern eher Angestellter im Büro, in der Werkstatt, auf dem Pilotensessel oder an der Panzerhaubitze. Aber ein Leben dauerhaft mit Häuschen, Planschbecken und Familie garantiert auch das selten; familiäres Glück ist in der Leistungsgesellschaft keine Währung, egal, ob man solche Erwartungen zulässt oder nicht. Insofern ist Frank nur konsequenter, als seine Geschlechtsgenossen im Kinosessel. Die in blaugrünem Neon ausgeleuchtete Familienanbahnung in dem Diner stellt sich auch nicht als Ausdruck geheimer Erwartungen heraus. Sie bleibt, was sie von Anfang an ist: eine Verabredung, die hält, bis das Leben dazwischenkommt. Was ist eine Ehe anderes, außer, dass es bei der im Vorfeld noch eine romantische Beziehung gibt? Das alles hat Michael Manns Protagonist im Griff. Nur, und auch das hat er mit den Männern im Kinosessel gemein, das Geschäftliche hat er nicht immer allein in der Hand. Ein einziges Mal lässt er sich auf einen Partner in Crime ein, weil er damit eine konkrete Erwartung – seinen Ausstieg aus dem Räuberleben – verknüpft. Und wird prompt mit seinem Credo Recht behalten. Seine Träume muss er schließlich (buchstäblich) in die Gosse werfen.

Der Gangster, der nach einem letzten Coup aussteigen will, ist ein klassisches Kinothema, oft erzählt. Michael Mann erzählt ihn visuell aufregend und neu. Es ist ein kalter Film über eine unmenschliche Welt zwischen Abend und Morgen mit Typen, deren Leben vernünftigerweise in einer Umhängetasche Platz finden sollte; jede Sentimentalität bedeutet unnötigen Ballast. Der Score mit dem harten Elektronik-Rock der deutschen Synthesizer-Band Tangerine Dream unterstreicht diese Stimmung. Michael Mann setzt ihn selten als Untermalung ein, mischt ihn statt dessen noch über die Geräusche der Stadt und verstärkt damit die Stimmung in dieser entmenschlichten Geschichte aus einer Parallelwelt, die doch direkt in unserer Nachbarschaft spielt.

Wertung: 7 von 9 D-Mark
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