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Plakatmotiv: Burn after Reading (2008)

Eine grelle Burleske
über die Dummheit

Titel Burn after Reading – Wer verbrennt sich hier die Finger?
(Burn after Reading)
Drehbuch Joel Coen & Ethan Coen
Regie Ethan Coen + Joel Coen, USA, UK, Frankreich 2008
Darsteller

George Clooney, Frances McDormand, Brad Pitt, John Malkovich, Tilda Swinton, Richard Jenkins, Elizabeth Marvel, David Rasche, J.K. Simmons, Olek Krupa, Michael Countryman, Kevin Sussman, J.R. Horne, Hamilton Clancy, Armand Schultz, Pun Bandhu, Karla Mosley, Jeffrey DeMunn, Richard Poe, Carmen M. Herlihy, Raul Arañas, Judy Frank, Sandor Tecsy, Yury Tsykun u.a.

Genre Komödie, Krimi
Filmlänge 96 Minuten
Deutschlandstart
2. Oktober 2008
Website tobis.de/burn-after-reading
Inhalt

Osborne Cox gibt seine Stelle bei der CIA auf, als ihm vorgeworfen wird, ein Alkoholproblem zu haben, und er auf einen niedrigeren Posten versetzt werden soll. Seine strenge, erfolgsorientierte Ehefrau Katie, die eine Affäre mit dem ehemaligen Personenschützer Harry führt, reicht die Scheidung ein. Sie sammelt für den Rechtsanwalt belastendes Material gegen ihren Mann und brennt Daten von dessen privatem Computer auf eine CD.

Auf dem Datenträger sind auch Osbornes begonnene Memoiren über seine Zeit bei der CIA. Über Umwege gelangt die CD in die Hände der beiden Fitnesstrainer Chad und Linda. Chad ist irrtümlicherweise überzeugt, dass es sich um vertrauliche Geheimdienstinformationen handelt. Linda überredet Chad dazu, Osborne zu erpressen und Geld aus der Sache zu schlagen, da sie sich Geld für ihre Schönheitsoperationen verspricht.

Die Ereignisse überschlagen sich und plötzlich sind die CIA und die Russen involviert. Warum genau, scheint niemand so recht zu wissen …

Was zu sagen wäre

Filme, in denen die Central Intelligence Agency – die CIA – auftaucht, zeigen verschlagene Typen, gewitzte Plots, hochintelligente Agenten und schöne Frauen. Wenn die Coen-Brüder auf dem Regiestuhl Platz nehmen, dürfen wir vom Gegenteil ausgehen. Und so kommt es.

Im Jahr 1 nach ihrem Oscar-Erfolg mit dem düsteren No Country for Old Men schicken sie einen ausrangierten Analysten, eine Fitnessstudio-Mitarbeiterin mit Drall zum Schönheitschirurgen, einen sexuell aktiven ehemaligen Personenschützer sowie einen einfältigen Personal Trainer in einer bunten Farce aufs Spielfeld, auf dass sich alle in Dummheit überbieten. Im Kinosessel denken wir, So ist das Leben. Es ist nicht so, wie in den anderen Agententhrillern, wo die Bombe immer bei einer Sekunde abgeschaltet wird, weil ein brillanter Analyst und so weiter. Nein, im richtigen Leben versucht der ausrangierte CIA-Analyst, seinen Geltungsdrang in Form eines Buches zu Markte zu tragen, während ihm entgeht, dass seine Frau einen Liebhaber hat und der Scheidungsanwalt ihr rät, möglichst viele Dokumente ihres Mannes auf einer Diskette sicherzustellen, um dessen wahrscheinlich verschleiertes Vermögen im Scheidungsprozess aufdecken zu können. Über die Sekretärin des Anwalts, die in einem Fitnessstudio trainiert, kommt die Diskette mit den Unterlagen zu Trainer Chad, der wohl zu viele CIA-Filme gesehen hat und messerscharf schlussfolgert, dass das „heißer Scheiß“ sei, mit dem man ordentlich absahnen könne. Das freut auch seine Kollegen Linda, deren Krankenkasse für die gewünschten Schönheitsoperationen nicht zahlen will und sie also Geld braucht. Sie erpressen den ausrangierten Agenten, der Chad aber nur eine blutige Nase schlägt und immer noch nicht weiß, dass seine Frau sich scheiden lässt, die wiederum nicht weiß, dass ihr Lover, für den sie sich scheiden lässt, jede Woche eine andere Internetbekannschaft bumst; wobei der sich wundert, wer ihm da eigentlich immer im Auto hinterher fährt.

Es wird auffallend unübersichtlich in diesem Film, in dem streng genommen gar nichts passiert. Nicht einmal die Russen sind interessiert. Aber das wiederum bekommt die CIA über ihren Spion in der Botschaft mit und wird nun ganz hellhörig, was die Russen wohl nicht interessant und von wem finden könnten.

Die Coens präsentieren ein großes Ensemblestück und flechten der abgrundtiefen menschlichen Dummheit ein paar Kränze. Niemand in diesem Film ist normal. Die Figuren in diesem Film tun dumme Dinge, die unweigerlich in einer Katastrophe enden müssen. Im Kinofilm entstehen da schöne Achterbahnfahrten. In der Realität würde irgendwann irgendeiner sagen: Moment Mal! Aber die Coens sind hier ja nicht in der Realität. Sie machen Kino mit den Versatzstücken des Genrekinos. Das wirkt im Kinosessel ungemein realistisch.

Einigermaßen normal agieren in dieser Farce eigentlich nur zwei Ehefrauen, die die jeweilige Scheidung einleiten. Die eine von John Malkovich (Der fremde Sohn – 2008; Shadow of the Vampire – 2000; Johanna von Orleans – 1999; Being John Malkovich – 1999; Der Mann in der eisernen Maske – 1998; Con Air – 1997; Mary Reilly – 1996; In the Line of Fire: Die zweite Chance – 1993; Jennifer 8 – 1992; "Von Mäusen und Menschen" – 1992; Gefährliche Liebschaften – 1988; Das Reich der Sonne – 1987), der den ausrangierten Agenten wunderbar als einen Menschen spielt, der arrogant glaubt, alles sei in bester Ordnung, als längst alles über ihm einstürzt und ihm der Boden weggezogen wird.

Die andere Ehefrau lässt sich kühl lächelnd von George Clooney scheiden, dessen Beamtenfigur von früheren Abenteuern als Personenschützer zehrt, die er auf Parties herumreicht. Plakatmotiv: Burn after Reading (2008) Clooney zerlegt lässig sein Image, wanzt sich falsch lächelnd an Internetbekanntschaften ran und wird von Minute zu Minute kleiner – große Leistung für einen der Sexiest Men alive (Michael Clayton – 2007; Ocean's 13 – 2007; Good Night, and Good Luck. – 2005; Ocean's Twelve – 2004; Ein (un)möglicher Härtefall – 2003; Geständnisse – Confessions of a Dangerous Mind – 2002; Solaris – 2002; Ocean's Eleven – 2001; Spy Kids – 2001; Der Sturm – 2000; O Brother, Where Art Thou? – 2000; Three Kings – 1999; Der schmale Grat – 1998; Out of Sight – 1998; Projekt: Peacemaker – 1997; Batman & Robin – 1997; Tage wie dieser … – 1996; From Dusk Till Dawn – 1996).

Den Vogel der Dummheit schießt aber Brad Pitt ab ("Die Ermordung des Jesse James durch den Feigling Robert Ford" – 2007; Ocean's 13 – 2007; "Babel" – 2006; Mr. & Mrs. Smith – 2005; Ocean's Twelve – 2004; Troja – 2004; Geständnisse – Confessions of a Dangerous Mind – 2002; Ocean's Eleven – 2001; Mexican – 2001; Snatch – Schweine und Diamanten – 2000; Fight Club – 1999; Rendezvous mit Joe Black – 1998; Vertrauter Feind – 1997; Sleepers – 1996; 12 Monkeys – 1995; Sieben – 1995; Legenden der Leidenschaft – 1994; True Romance – 1993; Kalifornia –1993; Aus der Mitte entspringt ein Fluss – 1992; "Cool World" – 1992; Thelma & Louise – 1991). Pitt spielt den Fitness begeisterten Personal Trainer, der den Coup seines Lebens zu landen glaubt, weil er schwatzhafte Memoiren eines alkoholisierten Ex-CIA-Mannes mit klassifizierten Geheiminformationen verwechselt und mit denen sogar zur russischen Botschaft geht – widerwillig nur, denn da muss er einen Anzug tragen und er trägt halt lieber Trainingssachen. Pitts Trainer Chad ist ein liebenswerter Doofie, der jede Gelegenheit für Fitnessmoves nutzt, loyal, aber unbedarft.

Alles baut in diesem Film zwingend aufeinander auf. Die Katastrophen, die im letzten Drittel ausbrechen, sind zwar einigermaßen überraschend, nachdem wir bis dahin herzhaft geschmunzelt haben über diese Typen auf der Leinwand, aber sie sind folgerichtig, weil niemand mehr mit niemandem spricht, weil alle glauben, schon zu wissen, was der Andere will. Die Dummheit in diesem Film wird genährt durch die Einsamkeit aller Beteiligten – auch der Verheirateten –, die zu Wahn und falscher Einschätzung der Situation führen. Eine grelle Burleske mit grandiosen Schauspielern in Rollen, die mehr Funktion als Mensch sind. Typisch für die Coens: Sie haben mal wieder das Kino dekonstruiert.

Wertung: 5 von 7 €uro
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