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Plakatmotiv: Ladykillers (2004)

Ein fabelhafter Tom Hanks in
einer Story, die nicht abhebt

Titel Ladykillers
(The Ladykillers)
Drehbuch Ethan Coen & Joel Coen
nach dem Drehbuch zum gleichnamigen Film (1955) von William Rose
Regie Joel + Ethan Coen, USA 2004
Darsteller

Tom Hanks, Irma P. Hall, Marlon Wayans, J.K. Simmons, Tzi Ma, Ryan Hurst, George Wallace, Diane Delano, Stephen Root, Jason Weaver, Greg Grunberg, John McConnell, Baadja-Lyne Odums, Walter K. Jordan, George Anthony Bell, Hallie Singleton, Robert Baker, Blake Clark u.a.

Genre Komödie, Krimi
Filmlänge 104 Minuten
Deutschlandstart
29. Juli 2004
Inhalt

Goldthwait Higginson Dorr ist Professor. Zumindest gibt er sich als solcher aus, und das erfolgreich. Eigentlich ist er Verbrecher, weswegen er sich auch der älteren Lady Munson annähert und bei ihr als Untermieter einzieht.

Was er möchte, ist Geld – mit vier weiteren Gaunern plant er den Raub des Jahrhunderts: Ein Tunnel soll von Mrs. Munsons Keller bis zum Tresorraum des New Orleans Riverboat Casinos führen. Damit die alte Lady bloß nichts mitbekommt, tarnt sich die Verbrecherbande als Kirchenmusiker und legt mit ihrem Plan los. Das Problem: Die fünf Experten sind nicht gerade die besten Freunde und auch mangelt es ihnen an intellektueller Fähigkeit, um die Arbeit sauber und gewissenhaft durchzuführen.

Das allergrößte Problem: Sie haben Munson unterschätzt und nun müssen sie sich auch noch um die alte Kirchenwitwe kümmern. Es kann ja nicht so kompliziert werden, sich einer alten Dame zu entledigen …

Was zu sagen wäre

Fünf schwere Jungs planen einen spektakulären Raub und scheitern an einer freundlichen, aber resoluten alten Dame: „Die Lady ist ein härterer Gegner, als ich gedacht habe“, stöhnt Professor Goldthwaite Higginson Dorr, als er wieder einen seiner unvorhergesehenermaßen verstorbenen Mit-Gauner auf die Müllkippe verschiffen muss. Es ist deutlicher erkennbar eine Müllkippe, auf die die mehr werdenden Leichen gekippt werden, als das noch 1955 der Fall war, als William Roses Drehbuch zum ersten mal verfilmt wurde, damals mit Alec Guinness in der Rolle des Gaunerbosses.

1955 konnte man im dichten Rauch der Lokomotiven nicht so genau erkennen, wo hinein die Leichen da geworfen wurden – Tote auf die Müllhalde, das war im damaligen Kino noch nicht so gängig. Aus den rauchenden Zügen an King's Cross Station in London sind Müllschiffe in Louisiana geworden; es sind immer noch fünf Gauner und eine Lady. Aber damit erschöpfen sich die Vergleiche mit dem Original von 1955 auch schon. Die Brüder Joel und Ethan Coen haben aus dem Stoff eine neue Geschichte gemacht, in der ein Südstaatenakzent knödelnder Tom Hanks die Rolle des Bosses übernimmt (Terminal – 2004; Catch Me If You Can – 2002; Road to Perdition – 2002; Cast Away – Verschollen – 2000; The Green Mile – 1999; e-m@il für Dich – 1998; Der Soldat James Ryan – 1998; That Thing You Do! – 1996; Apollo 13 – 1995; Forrest Gump – 1994; Philadelphia – 1993; Schlaflos in Seattle – 1993; Eine Klasse für sich – 1992; Fegefeuer der Eitelkeiten – 1990; Joe gegen den Vulkan – 1990; Scott & Huutsch – 1989; Meine teuflischen Nachbarn – 1989; big – 1988; Schlappe Bullen beißen nicht – 1987; Nothing in Common – 1986; Geschenkt ist noch zu teuer – 1986; Alles hört auf mein Kommando – 1985; Der Verrückte mit dem Geigenkasten – 1985; Bachelor Party – 1984; Splash – Jungfrau am Haken – 1984). Wie damals Alec Guinness hat Hanks sein Gesicht mit falschen Zähnen neu gestaltet und ist als Goldthwaite mit Haut und Haar ein öliger Blender, de Edgar-Alan-Poe-Verse rezitiert und Eskimos Kühlschränke aufschwatzen kann – nur Mrs. Munson nicht. Die alte Dame, früher eine gebrechliche, viktorianische Lady, hat sich zu einer klar Position beziehenden Dame gemausert, die dem örtlichen Sheriff nicht mehr mit UFO-Sichtungen die Zeit stiehlt, sondern mit Beschwerden über den Nachbarjungen, der auf so einem neumodischen Radiogerät „so Hippie-Hoppie-Musik“ mit fürchterlichsten Texten hört. Sie geht regelmäßig in die örtliche Kirche, schmettert dort Gospels und wenn ihre Freundinnen zum Tee bei ihr sind, ist es lauter, als wenn eine Rote Tornado-Kampfjets startet.

Die Gauner, die einen ausgeklügelt fantasievollen Plan haben, um an 1,6 Millionen Dollar zu kommen, werden ausführlich vorgestellt. Jeder bekommt eine kleine Kurzgeschichte, in der er zeigen kann, wie holzkopfig, clever, hirnamputiert oder erfindungsreich er ist. Marlon Wayans (Scary Movie 2 – 2001; "Dungeons & Dragons" – 2000; Scary Movie – 2000; Requiem for a Dream – 2000) etwa, der den zur Putzkolonne des Casinos gehörenden Gawain spielt, variiert Dirty Talk auf dem Niveau von „Lecken, ficken, Blasen – Schönen Gruß vom Osterhasen“, vermengt mit der Erwähnung von Titten, Ärschen und anderen ausgezogen anziehenden Körperteilen. Pfannkuchen leidet am Reizdarmsyndrom, über das er, wie er uns wissen lässt, damals seine Freundin kennenlernte und das ihn während des aufreibenden Raubzugs mehrfach an ungünstiger stelle aus dem Verkehr zieht. J.K. Simmons ("Hidalgo – 3000 Meilen zum Ruhm" – 2004; Spider-Man – 2002; Mexican – 2001; The Gift – Die dunkle Gabe – 2000; Es begann im September – 2000; Aus Liebe zum Spiel – 1999; Gottes Werk und Teufels Beitrag – 1999; Celebrity – Schön, reich, berühmt – 1998; Der Schakal – 1997; Der Club der Teufelinnen – 1996) portraitierten ihn als die eigene Tumbheit mit kernigen Erzählungen kaschierenden Versager. Dazu gesellen sich noch ein kunstvoll qualmende Zigaretten verschluckender Thai und ein geistig herausgeforderter Footballspieler, Lump, der selbst zum Blocken auf dem Spielfeld zu doof ist.

Footballer Lump ist auch für den Film zu nichts zu gebrauchen. Er steht herum, grunzt hin und wieder und stellt neben lauter blöden Fragen eine einzig richtige, die für das Drehbuch aber nicht weiter von Belang wäre; die hätte auch jeder andere stellen können. Tzi Ma, der den gestrenge Thai-General spielt, ist goldig, wie er ängstlich vor der alten Lady kuscht, aber ihn trifft dasselbe Schicksal, wie seine Gaunerkollegen: ausführlich vorgestellt werden, um dann eine für die Zuschauer unklare Funktion beim großen Coup einzunehmen – er habe im Krieg Tunnel gegraben, heißt es. Aber graben tut Pfannkuchen, während er rauchend daneben steht und das Handwerk überwacht.

Es ist an diesem Film interessanter, auf der Meta-Ebene die Entwicklung des Filmgeschäfts zu erkunden, als den Figuren im vorliegenden Film hinterher zu fiebern. Keine der Figuren hat mehr zu tun oder zu sein, als ihre jeweiligen Vorgänger aus dem war 1955. Der neue Film ist 13 Minuten länger, was vor allem am heutzutage üblichen, sehr langen Abspann liegt, aber auch an der sehr viel komplizierten Art des Raubes. Was 1955 in längstens zehn Minuten erzählt war, dauert jetzt – klar, es muss ja ein Tunnel gegraben werden – sehr lange. Aber vor allem waren die Charakterzeichungen 1955 einfacher: Herbert Lom trug als skrupelloser Gefahrenherd schwarze Klamotten und hatte dunkle, stechende Augen. Danny Green als Pfannkuchen trug einen gestreiften Anzug, hatte Segelohren und grunzte; das reichte zur Zeichnung seiner geistigen Schlichtheit. Heute reicht diese einfache Charakterisierung nicht mehr. Heute tritt mit Tom Hanks ein zweifacher Hauptrollen-Oscarpreisträger auf; sein historisches Pendant Alec Guinness war seinerzeit ein beliebter, erfolgversprechende Schauspieler in Komödien, aber noch fern großer Oscarrollen. Heute muss dem Star mehr Spielfläche zugestanden werden und Tom Hanks ist toll: Wer in der Lage ist, sich den Film in Originalsprache anzusehen, wird viel Freude am Dialekt und den Feinheiten in Hanks' Spiel haben, die in der Synchro naturgemäß verloren gehen – schon, weil da alle hochdeutsch reden. Dasselbe gilt für alle anderen Charaktere. In der Haupthandlung spielen sie alle keine vorstechende Rolle, anders als in den Szenen, mit denen sie in den Film eingeführt werden. Aber namhafte, für das Kinoplakat und den Verkauf an der Kinokasse wichtige Schauspieler brauchen mehr Sprechzeit.

Dadurch fällt der entscheidende Charme-Punkt bei dieser Komödie – die ja vor allem davon lebt, dass fünf harte Jungs vor einer strengen Lady kuschen – einfach weg. Auch hier hat zwar keiner richtig Lust, die Lady als gefährliche Zeugin zu beseitigen. Das fällt dem einen aber erst ein, als ihn die Alte an seine strenge Mutter erinnert und er dann unter seinem Mutterkomplex zerbricht, der andere stolpert wieder über sein Reizdarmsyndrom, der nächste hätte es ohnehin und sofort gemacht, was die ganze Debatte, wer es denn nun machen muss, überflüssig macht, wird aber von einer Kuckucksuhr aus der Bahn geworfen.

Die Coen-Brüder bieten – wie so oft – eine perfekte Inszenierung mit schönem Szenenbild, mit – wie immer – eleganter Kameraführung von Coens Hausfotograf Roger Deakins (Ein (un)möglicher Härtefall – 2003; A Beautiful Mind: Genie und Wahnsinn – 2001; The Man Who Wasn't There – 2001; O Brother, Where Art Thou? – Eine Mississippi-Odyssee – 2000; Hurricane – 1999; Überall, nur nicht hier – 1999; Ausnahmezustand – 1998; The Big Lebowski – 1998; Kundun – 1997; Mut zur Wahrheit – 1996; Fargo: Blutiger Schnee – 1996; Dead Man Walking – 1995; Die Verurteilten – 1994; Hudsucker – Der große Sprung – 1994; Barton Fink – 1991) und großartigem Timing im Bildschnitt, den sie – wie immer – unter dem Pseudonym Roderick Jaynes selber gestalten. Nur inhaltlich mag der Film der Coens – wie so oft – nicht abheben. Manche Situationen haben Witz, Slapstick oder Schenkelklopfer, die aber ohne Zitier-Potenzial bleiben; das meiste ist nach zwei Stunden vergessen.

Wertung: 4 von 7 D-Mark
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