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Plakatmotiv: Schlaflos in Seattle (1993)

Ein Tränenzieher
par excellence 

Titel Schlaflos in Seattle
(Sleepless in Seattle)
Drehbuch Jeff Arch & Nora Ephron & David S. Ward
Regie Nora Ephron, USA 1993
Darsteller

Tom Hanks, Meg Ryan, Rosie O'Donnell, Sam Baldwin, Ross Malinger, Carey Lowell, Bill Pullman, Rita Wilson, Victor Garber, Tom Riis Farrell, Le Clanché du Rand, Kevin O'Morrison, David Hyde Pierce, Valerie Wright, Frances Conroy, Tom Tammi, Calvin Trillin u.a.

Genre Romanze
Filmlänge 105 Minuten
Deutschlandstart
16. September 1993
Inhalt

Seit dem Tod seiner krebskranken Frau ist Architekt Sam seelisch am Ende. Für einen möglichen Neuanfang zieht er nach Seattle, die Trauer um den Verlust jedoch schwindet nicht. Aus Sorge startet sein 9-jähriger Sohn Jonah via Radio-Annonce eine landesweite Suchaktion nach einer neuen Lebensgefährtin für seinen Vater. Die Folge ist, dass Sam über Nacht zum Star wird. Frauen aus ganz Amerika wollen Sam und seinen Sohn kennenlernen. Er kann sich vor Briefen und Anrufen gar nicht retten.

Besonders der Journalistin Annie bricht Sams Geschichte das Herz. Völlig aufgelöst fliegt sie ins dreitausend Meilen entfernte Seattle – und verpasst den möglichen Traummann um Haaresbreite. Das ist ganz gut so, denn Annie steht kurz vor der Hochzeit mit ihrem Chef Walter.

Jonah aber gibt keine Ruhe, verabredet sich mit der fremden Annie auf dem Empire State Building in New York und setzt sich kurzerhand ins Flugzeug. Dem entnervten Papa bleibt nichts übrig, als hinterherzufliegen …

Was zu sagen wäre

Die Quintessenz dieses Films, das Drama, fasst der Film selbst in einer kurzen Sequenz zusammen. Mit ihrer besten Freundin schaut Annie mit Taschentüchern bewaffnet im Spätprogramm die Cary-Grant-Romanze Die große Liebe meines Lebens (1957). Beide heulen zum Gott erbarmen: „Damals wusste man, was Liebe ist“, stöhnt Annie. „Du bist ein hoffnungsloser Fall.“ „Sie wussten es. Nichts konnte sie trennen, weil sie es wussten. Es war richtig.“ „Es war ein Film! Das ist Dein Problem. Du willst nicht verliebt sein, Du willst im Film sein“, schlussfolgert die beste Freundin Becky. An dieser charmanten, die Metaebenen durcheinanderwirbelnden Stelle sagt der Film selbst, dass er ein Märchen erzählt; eine Liebesgeschichte, die es nur im Film geben kann. Aber deswegen kaufe ich ja diese spezielle Kinokarte.

Streng genommen ist dieser Film gar keine Romanze. Er ist ein Drama über einen kleinen Jungen, der sich nach dem Tod seiner leiblichen Mutter sehnlichst eine neue Mutter wünscht. Sein Vater, der immer noch rechtschaffen um seine verstorbene Ehefrau trauert, ist gar nicht so zielgerichtet auf der Suche. Mit sowas wie einer neuen Frau an seiner Seite hat er frühzeitig abgeschlossen, vergräbt sich in Arbeit. Wie also erzählt man eine Romanze zwischen zwei Menschen, die sich gar nicht kennen, und von denen mindestens der eine auch gar keine Romanze anstrebt?

Indem man eine Geschichte über die Gefahr der verpassten Chancen erzählt, in der man die einfache Partnerschaft wählt, die nun mal da ist, und dafür die grandiose, strahlende Liebe verstreichen lässt. Annie hat in Baltimore die sichere Liebesgeschichte: Walter, charmant, aufmerksam, leidet allerdings an allerlei Allergien, und außerdem fehlt ihm diese Magie, von der ihre Mutter spricht, wann immer sie von der Beziehung zu ihrem Mann spricht: „Er hielt meine Hand. Ich konnte die Finger nicht mehr unterscheiden. Da wusste ich es.“ „Was?“ „Es war Magie.“ „Magie… ??“ Dieses Britzel hat Walter eben nicht. Und das irritiert Annie nachhaltig, als sie ihr Hochzeitskleid anprobiert und darin strahlt wie ein Juwel, dem allerdings der Ring fehlt; im Kinosessel können wir Ihre Gedanken deutlich hören: Da muss doch noch mehr sein! Meg Ryan spielt die Suchende mit charmanter Unsicherheit und der weiblichen Anmut einer Romantic Comedy-Heldin ("Bodyswitch – Verhexte Küsse" – 1992; The Doors – 1991; Joe gegen den Vulkan – 1990; Harry und Sally – 1989; Presidio – 1988; D.O.A. – Bei Ankunft Mord – 1988; Die Reise ins Ich – 1987; Top Gun – 1986). Die Beziehung zwischen Annie und Walter ist nicht auf Ewigkeit angesetzt. Man merkt das unter anderem daran, dass beide ihre Bewegungen beim Austausch von Taschentüchern und Anti-Allergenen blind koordinieren. Sie funktionieren perfekt ohne hinzusehen. Da prickelt nichts. In einem Liebesfilm ist Liebe ohne Pep zum Sterben verdammt.

Bill Pullman (Sommersby – 1993; Eine Klasse für sich – 1992; Spaceballs – 1987) mit seiner Rolle als Langweiler Walter hat da mit seinen vielen Allergien die Arschkarte gezogen. Romantik braucht den Funken, der zündet, aber kein Ich-vollende-Deine-Sätze. So wie der Allergiker der Push-Faktor ist, ist Mutters Erzählung von der Magie der Liebe der Pull-Faktor in dieser Romanze. Beides zusammen ergibt die – ansonsten schwer zu erklärende – Motivation Annies, dieser Radiostimme aus dem fernen Seattle nachzuforschen.

Auf der anderen Seite steht Sam, der seine Frau Maggie an den Krebs verloren hat und sicher glaubt, niemals wieder eine Frau zu finden, die auch nur ansatzweise das ausstrahlt, was Maggie ausstrahlte. Tom Hanks spielt ihn mit der Souveränität eines emphatischen Menschen (Eine Klasse für sich – 1992; Fegefeuer der Eitelkeiten – 1990; Joe gegen den Vulkan – 1990; Scott & Huutsch – 1989; Meine teuflischen Nachbarn – 1989; big – 1988; Schlappe Bullen beißen nicht – 1987; Nothing in Common – 1986; Geschenkt ist noch zu teuer – 1986; Alles hört auf mein Kommando – 1985; Der Verrückte mit dem Geigenkasten – 1985; Bachelor Party – 1984; Splash – Jungfrau am Haken – 1984). Er sucht gar nicht erst. Das übernimmt dann sein Sohn, zwingt seinen Vater geradezu, sich mit seiner Situation auseinanderzusetzen. Damit ist die Motivation auf beiden Seiten begründet.

"Sleepless in Seattle" ist ein Tränenzieher. Tom Hanks und Meg Ryan sind ein Traumpaar, obwohl sie lange Zeit gar nicht zusammen spielen auf der Leinwand. Ein gut geschriebenes Drehbuch liefert den beiden viele Szenen, Witze und Überraschungen. Ein Wohlfühler durch und durch.

Wertung: 9 von 10 D-Mark
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