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Plakatmotiv: Arielle, die Meerjungfrau (2023)

Ein lahmer Versuch, einem Trickfilm-
Klassiker reales Leben einzuhauchen

Titel Arielle, die Meerjungfrau
(The Little Mermaid)
Drehbuch David Magee
nach der Erzählung "Die kleine Meerjungfrau" von Hans-Christian Andersen und dem 1989er-Drehbuch von John Musker
Regie Rob Marshall, USA 2023
Stimmen

Halle Bailey, Jonah Hauer-King, Melissa McCarthy, Javier Bardem, Noma Dumezweni, Art Malik, Daveed Diggs, Jessica Alexander, Martina Laird, Emily Coates, Christopher Fairbank, John Dagleish, Matt Carver, Jude Akuwudike, Lorena Andrea, Simone Ashley u.a. 

Genre Märchen
Filmlänge 135 Minuten
Deutschlandstart
25. Mai 2023
Inhalt

Die jüngste und trotzige Tochter von König Triton, Ariel, sehnt sich danach, mehr über die Welt jenseits des Meeres zu erfahren, und verliebt sich bei einem Besuch an der Oberfläche in den schneidigen Prinz Eric.

Da es Meerjungfrauen verboten ist, mit Menschen zu interagieren, macht Ariel einen Deal mit der bösen Meerhexe Ursula, der ihr die Chance gibt, das Leben an Land zu erleben, aber letztendlich ihr Leben – und die Krone ihres Vaters – aufs Spiel setzt …

Was zu sagen wäre

"Arielle" ist Disneys jüngstes Projekt aus der Reihe, die eigenen Zeichentrickklassiker als Realfilme nochmal ins Kino zu bringen – wobei der Begriff "Realfilm" bei solchen Pixelgewittern wie König der Löwen, Aladdin oder jetzt "Arielle" natürlich ein relativer ist. Schauspieler sind in den Rollen der ehemaligen Trickfilmhelden zu sehen; das lässt sich einigermaßen gesichert sagen.

Wegen der Schauspielerin in der Titelrolle, Halle Bailey, kam es schon Monate vor Filmstart zu Wutexplosionen im world wide web, in dem sich Menschen erregten, dass die Meerjungfrau von einer Person of Color gespielt wird. Ihnen ging Disneys Diversity-Politik zu weit, sie wollten ihr weißes Mädchen wieder haben, sagten, in einem Unterwasserland, in dem die Sonne nicht scheint, kann es auch keine braun pigmentierte Haut geben – auch nicht in einem Märchenfilm. Kaum, dass der Film läuft, ist die Hautfarbe vergessen. Schwerer ins Gewicht fällt, dass Halle Bailey keine Ausstrahlung hat. Sie berührt mich nicht. Plakatmotiv: Arielle, die Meerjungfrau (2023) Das Drehbuch schenkt ihr in einem Song eine Zeile, in der sie ihren Traum formuliert, genau so viel zu dürfen wie die Männer und es ist am Ende auch sie, die der ins Gigantische gewachsenen Ursula das Schwiffswrack in den Leib rammt, nicht mehr, wie 1989, Erik. Wir haben es also mit einer noch selbstbewussteren, zielbewussteren Frau zu tun als damals, aber Halle Bailey ist als Arielle immer nur ein nettes Mädchen mit unschuldigem Augenaufschlag. Es gibt Szenen, wenn sie stumm mit ihrem Erik durch die Nacht gleitet, da sieht sie entzückend aus. Aber sie weiß überhaupt nichts Charakterliches aus sich herauszuholen. Auch ihre Freunde, die Krabbe Sebastian, der Clownfisch Fabius und der Basstölpel Scuttle, machen keine gute Figur. Sie sehen nicht mehr niedlich aus wie einst als Disney-Charakter, sondern … halt echt. Die reale Krabbe Sebastian hat wenig Charme, Fabius ist visuell und charakterlich ein Totalausfall und Scuttle immerhin jener Tölpel, den ihm sein Gattungsname vorgibt.

Einen Lichtblick bietet Melissa McCarthy, die sich in der Rolle der Tintenfisch-Schurkin Ursula austobt (Thor: Love and Thunder – 2022; Central Intelligence – 2016; Spy: Susan Cooper Undercover – 2015; Taffe Mädels – 2013; Immer Ärger mit 40 – 2012; Brautalarm –2011; 3 Engel für Charlie – Volle Power – 2003; 3 Engel für Charlie – 2000; The Kid – Image ist alles – 2000; Go! Das Leben beginnt erst um 3.00 Uhr morgens – 1999). McCarthy leuchtet die düsteren Ecken der Seele dieses wahrlichen Ungeheuers aus, macht aus Ursula das einzig wahre reale Wesen in diesem Realfilm. Ihr Gegenspieler, der notorische Unterwasserkönig Triton, Arielle Vater, war noch nie ein besonders tiefgründiger Charakter. Daran ändert nun auch Javier Bardem nichts (Dune – 2021; Mother! – 2017; Pirates of the Caribbean: Salazars Rache – 2017; The Gunman – 2015; The Counselor – 2013; James Bond – Skyfall – 2012; Vicky Cristina Barcelona – 2008; No Country for Old Men – 2007; Collateral – 2004; Perdita Durango – 1997), der den Triton auch nur als zürnenden Herrscher und dann als begossenen Pudel darstellen kann.

Die Geschichte ist uns wohlbekannt. Es ist die der zwei Königskinder, die nicht zueinander können, weil Welten sie trennen, deren Liebe aber endlich alle Genzen überwindet. Für den Zeichentrickfilm brauchten die Disneystudios 1989 eine Filmlänge von 89 Minuten. Heute dauert der Film inklusive des langen Abspanns eine dreiviertel Stunde länger, ohne, dass wesentlich mehr erzählt würde. Das macht den Film, in dem ja nicht so viel Abwechslungsreiches passiert, anstrengend. Die Unterwasserlandschaften, die die Künstler entworfen haben, erinnern ein bisschen an einen Bildschirmhintergrund am heimischen PC.

Zwei Oscars hat der Zeichentrickfilm 1990 erhalten, einen für den besten Song ("Unter dem Meer"), einen für den Score. Von beidem ist in der Neufassung wenig übrig geblieben: Die Songs sind zähe Kaugummitrallalas aus zu dünnen Stimmbändern und der Score könnte auch für eine Marvel-Serie aus dem Streamingangebot Disneys hergenommen werden.

Die Diversitätsdebatte hat dem Film geschadet. Niemand redete über Inhalte und Machart, alle stritten sich über political correctness und führten Identitätsdebatten. Und Streit im Zusammenhang mit einem Disney Familienfilm ist Gift an der Kinokasse. Triton etwa, der Meereskönig hat sieben Töchter, aus jeder Meeresregion der Welt eine. Die sehen indisch, mittelamerikanisch, afrikanisch, mitteleuropäisch aus und niemand fragt nach der einen, immer gleichen Mutter, die diese zauberhafte Vielfalt zustande gebracht hat. Der Film erzählt ein Märchen, da ist das eben mal so. Dem Film hilft aber auch das nicht aus seiner Lethargie.

Die Disney Studios haben rund 297 Millionen Dollar in die Produktion dieses Films investiert. Weltweit eingespielt hat er rund 570 Millionen Dollar, also nicht einmal das Doppelte der Produktionskosten.

Wertung: 2 von 8 €uro
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