IMDB

Plakatmotiv: Thor – Love and Thunder (2022)

Laut und Bunt und mit
einem markanten Schurken

Titel Thor: Love and Thunder
(Thor: Love and Thunder)
Drehbuch Jennifer Kaytin Robinson & Taika Waititi
nach den Comics von Stan Lee & Larry Lieber & Jack Kirby
Regie Taika Waititi, Australien, USA 2022
Darsteller

Chris Hemsworth, Natalie Portman, Christian Bale, Tessa Thompson, Taika Waititi, Russell Crowe, Jaimie Alexander, Chris Pratt, Dave Bautista, Karen Gillan, Pom Klementieff, Sean Gunn, Vin Diesel, Bradley Cooper, Carly Rees, Ben Falcone, Suren Jayemanne, Natasha Cheng u.a.

Genre Comic-Verfilmung
Filmlänge 118 Minuten
Deutschlandstart
6. Juli 2022
Website marvel.com/thor
Inhalt

Auch die Götter sind nicht unsterblich. Das zeigt Gorr, der Götterschlächter. Er zieht durch die Universen und tötet Götter. Und er hat allen Grund dazu. Eher zufällig davon Wind bekommt Thor, der immer noch mit den Guardians of the Galaxy herumreist und Welten vor bösen Eroberern rettet. Da hört er schon hier und da mal von Bewohnern, die sich von ihren Göttern verlassen fühlen. Aber aufmerksam wird er erst, als er auf der Suche nach dem nächsten Abenteuer einen Hilferuf von Lady Sif aufschnappt, die nach einem Angriff von Gorr schwer verletzt im Sterben liegt. Von ihr erfährt Thor: Des Götterschlächters nächstes Ziel ist New Asgard.

Dort trifft Thor auf … Mighty Thor. Jane Foster, seine ehemalige Freundin, kämpft mit dem magischen Hammer Mjölnir gegen die Schattenwesen Gorrs. Ursprünglich war sie auf der Suche nach einer Heilung ihres fortgeschrittenen Krebs' nach New Asgard gekommen, weil Thors ehemaliger Hammer, von seiner Schwester Hela zerstört und als Attraktion für Touristen ausgestellt, sie gerufen hat. Auch zusammen mit seinem Kumpel Korg, dem Steinriesen, und Asgards Königin Valkyrie zwingen sie Gorr nicht in die Knie. Der entführt statt dessen alle Kinder aus New Asgard und zwingt das Heldenteam in die Offensive.

Auf ihrer Suche nach Gorr kommen die vier nach "Allmachtsstadt", der Residenz der anderen Götter. Dort erwarten sie sich die Hilfe des mächtigen Zeus und seiner Armee. Aber der zeigt mehr Interesse an der nächsten Orgie, als an irgendwelchen Schlachten gegen Gegner, die es nie nach "Allmachtsstadt" schaffen könnten. Einzig die Information, dass Gorr auf der Suche nach einem Wesen im Zentrum des Universums ist, dass sich "Ewigkeit" nennt, gibt Zeus preis. "Ewigkeit" gewähre demjenigen, der sie als erstes finde, die Erfüllung eines Wunsches und Gorr werde sich sort die Auslöschung aller Götter wünschen. Thor reicht diese Art der Hilfe nicht und es kommt zu einem Kampf, der zwischen Asen und den anderen Göttern zu schweren diplomatischen Verwicklungen führen wird.

Sie setzen ihre Suche nach den Kindern fort, laufen im Schattenreich aber in eine Falle Gorrs. Der überwältigt die Gruppe und nimmt Sturmbrecher an sich, Thors Waffe, die er sich geschmiedet hat, nachdem Mjölnir zerstört worden war. Gorr braucht Sturmbrecher, um den Bifrost zu beschwören und so zur Ewigkeit zu gelangen.

Unterdessen findet Thor auch heraus, dass Jane schwer krank ist, eigentlich nur der Hammer sie am Leben hält, dessen Magie sie aber gleichzeitig daran hindert, sich gegen den Krebs zu wehren.

Thor muss allein gegen Gorr antreten, der gerade dabei ist, mit Sturmbrecher das Portal zur Ewigkeit zu öffnen …

Was zu sagen wäre

Der Filmtitel ist gut gewählt. "Love and Thunder" handelt von der Liebe in den unterschiedlichsten Ausprägungen und was diese mit jenen macht, die unter ihr leben. Der Donnergott leidet an ihr, hat viele Frauen, meist Kriegerinnen, geküsst im Universum, kann aber seine Jane nicht vergessen, die Erdenfrau, mit der er einst zusammenlebte, bis der hektische Alltag sie auseinander trieb. Gorr verliert zu Beginn des Films seine geliebte Tochter an die Dürre und in der Folge den Glauben an die Götter, die sein kleines Mädchen im Stich ließen und die er fortan als "Götterschlächter" verfolgt. Auch die Liebe unter den Guardians of the Galaxy, denen Thor sich am Ende von Avengers: Endgame angeschlossen hat, ist Thema sowie die Liebe Thors zu seinen Waffen, einerseits zum Hammer, andererseits zum Beil "Sturmwind"; beide haben magische Kräfte und so fühlt sich Thor hin- und hergerissen und will vermeiden, dass die eine Waffe eifersüchtig auf die andere ist.

Die größte Liebe jedoch, von der "Love and Thunder" erzählt, ist die enttäuschte Liebe des Gläubigen zu seinem Gott. Der einsam mit seiner Tochter durch eine ausgetrocknete Welt taumelnde Gorr muss erkennen, dass seine Götter sich einen Dreck um ihn und seine Probleme scheren. Er entsagt dem Glauben und tötet seinen – eben noch "lieben" – Gott. Und hält der zunehmend säkularisierten Gesellschaft im Kinosessel den Spiegel vor. Auch Gorr sieht in einem institutionalisierten Glauben an die Götter – „Aber ich habe doch immer und trotz allem zu Euch aufgesehen!“ – keinen Sinn mehr. Während aber die Religion im Kinosessel wenigstens noch zur Eventkulisse taugt – gerade am Startwochenende des Films diskutiert Twitter-Deutschland, ob der aus der Kirche ausgetretene Finanzminister Christian Lindner und seine aus der Kirche ausgetretene Braut Franca Lehfeld in einer Kirche heiraten dürfen – vollzieht sich Gorrs Abkehr von Gott destruktiv. Was kommen soll, wenn alle Götter erstmal tot sind, spielt bei ihm keine Rolle. Ist das Leben ein besserer Ort, wenn alle Götter vernichtet sind? Am Ende steht Gorr vor der Entscheidung zwischen Göttern einerseits und der Liebe andererseits. Miteinander zu tun haben in seinen Augen beide nichts mehr.

Der tragische Antagonist Gorr, den Christian Bale mit großer Lust an Zweifel und Dunkelheit spielt (Le Mans 66 – 2019; Vice – Der zweite Mann – 2018; Feinde – 2017; The Big Short – 2015; Exodus: Götter und Könige – 2014; American Hustle – 2013; The Dark Knight Rises – 2012; The Fighter – 2010; Terminator: Die Erlösung – 2009; The Dark Knight – 2008; Todeszug nach Yuma – 2007; Prestige – Die Meister der Magie – 2006; Batman begins – 2005; Die Herrschaft des Feuers – 2002; Corellis Mandoline – 2001; Shaft – Noch Fragen? – 2000; American Psycho – 2000; Das Reich der Sonne – 1987), verleiht dem bunten Spektakel eine düstere Grundierung, die an die Anfänge der Thor-Serie im Kino erinnert, als auch die Plakatmotive noch düsterer waren. Thor steckte damals, 2011, in einem heftigen Familienstreit mit seinem Gottvater Odin, der ihm die Thronfolge, also sein Erbe, versagte. Sein Halbbruder Loki hatte ihn an den Rand ewiger Verzweiflung intrigiert. In der Fortsetzung starb seine Mutter, übernahmen die Dunkelelfen(!!) Asgard.

Mit Tag der Entscheidung von 2017 und der Übernahme der Regie durch Taika Waititi kam Farbe in die neun Welten und fegte die göttliche Männerbude ordentlich durch. Aus dem Königsdrama ist mittlerweile ein grellbunter Comic geworden mit Kostümen, die noch im größten Schlachtengetümmel porentief rein bleiben, und einem Thor, der früher ein Gott war, jetzt eher noch ein guter Kumpel. Er hält vor großen Kämpfen Erbauungsreden, die niemand braucht, am wenigsten er selbst, der sich einfach prügeln will. Für männliche Helden ist das ohnehin keine leichte Zeit mehr: Die Frauen, Jane, die neue Mighty Thor, und Valkyrie, die Königin, bleiben stets cool und tun, was getan werden muss. Wenn Göttervater Zeus ihren Großen Blonden vor aller Götterwelt die Hosen auszieht, fallen zwar angesichts seiner göttlichen, nun ja, „fetten Zucchini“ nennt das eine Augenzeugin, noch reihenweise Hofdamen in Ohnmacht. Valkyrie und Jane aber gönnen sich in Ruhe noch ein Träubchen, bevor sie mit Macht dazwischen gehen. In diesem bunten Reigen steht der depressive Gorr, Auslöser des ganzen Schlamassels, rum wie eine vergessene Plastikblume.

Gorrs Ziel, eine Entität namens "Ewigkeit", die im Zentrum des Universums residiert und offenbar nur dazu da ist, dem ersten Wesen, das sie aufsucht, einen Wunsch zu erfüllen, ist innerhalb der Marvel-Erzählungen an den Haaren herbeigezogen, sodass sie gerade noch als mittelprächtiger MacGuffin durchgeht. Auch eine fragwürdige Rolle spielt "Allmachtsstadt", diese neue Welt der Götter. Dort herrscht Zeus, Chefgott im originär griechisch gelabelten Olymp. Damals herrschte schon in dessen direkter Nachbarschaft das römische Götterreich unter Vorsitz von Jupiter. Das einst stolze und mächtige nordische Götterreich Asgard wurde erst unlängst von Hela vaporisiert; seither leben die Asen in New Asgard, das zu einer Art Disneyworld für Popcorn futternde und Merchandising kaufende Touristen ausgebaut wurde. Neben diesen drei hält das Universum aber noch zahllose weitere Reiche bereit. Wann sich die Götter aus allen Ecken des Universums in dieser "Allmachtsstadt" versammelt haben und warum sie sich hier sicherer vor dem mächtigen Götterschlächter fühlen sollen, als in ihren eigenen Reichen, bleibt unklar. Und aus welchem Grund führt in dieser multiversalen Götteransammlung ausgerechnet der Grieche Zeus den Vorsitz, der bei Widerworten anderer Mitgötter Orgienverbote erteilt? Und warum degradiert Taika Waititi den Zeus zur von reichlich Orgien und Wein aufgedunsenen Witzfigur? Und besetzt ihn dennoch mit Russell Crowe, der einem bei der Besetzung einer "Witzfigur" eher nicht in den Sinn kommt (Die Mumie – 2017; The Nice Guys – 2017; Noah – 2014; Man of Steel – 2013; 72 Stunden – The Next Three Days – 2010; Robin Hood – 2010; State of Play – 2009; Der Mann, der niemals lebte – 2008; American Gangster – 2007; Todeszug nach Yuma – 2007; Ein gutes Jahr – 2006; Master and Commander – 2003; A Beautiful Mind – 2001; Lebenszeichen – Proof of Life – 2000; Gladiator – 2000; Insider – 1999; L.A. Confidential – 1997)?

In der "Allmachtsstadt" ist das neue Marvel Cinematic Universe (MCU) ganz bei sich: Sie bietet fantastische Bilder und beeindruckende CGI-Perspektiven für einen Handlungsstrang, dessen Plausibilität und inhaltliche Notwendigkeit kaum messbar sind. Produzent Kevin Feige steuert das MCU in der laufenden Phase Vier durch viele Geschichten, Filme, TV-Serien und das Multiversum, ohne dass ein Ziel erkennbar wäre. Das war in den ersten Jahren seit Iron Man und Der unglaubliche Hulk (beide 2008) noch anders, als alles erkennbar auf den Aufbau der Avengers zulief, dann auf die Apokalypse des Thanos. Die Filme, mal krachbunt, mal düster, mal albern, waren zwar Einzelstücke, verfilmte Comicgeschichten, die für sich stehen, aber auf einer übergeordneten, dramatischen Ebene verbunden, sie bauten eine kolossale Bedrohung auf. Und natürlich verströmten die verfilmten Comicklassiker auch noch den Reiz des Neuen. "Thor: Love and Thunder" baut vor allem auf seinem, sehr lauten und sehr bunten Vorgängerfilm auf, führt aber nirgendwohin, außer auf die nächste (wenig überraschende) Figur aus dem Marvel-Kosmos, die im letzten Bild der unvermeidlichen Post Credit Scene auftaucht und wohl demnächst in einem der Filme mitmischen wird.

So ist das nun dauernd. Das Leben im MCU entwickelt sich noch in den Post Credit Scenes, nicht in den zwei Filmstunden davor. In den Abspann-Credits von Shang-Chi and the Legend of the Ten Rings wurden rasch noch die titelgebenden Ringe mit einer interstellarer Bedeutung aufgeladen, die der ganze Film vorher nicht entwickelte. In den Eternals tauchten während der Schlusscredits noch Thanos’ Bruder Eros, auch "Starfox" genannt, sowie der Schwarze Ritter und Blade auf, während des jüngsten Doctor Strange-Abspanns holt ihn "Clea", die in den Comics eine Weile seine Freundin ist, zu einem Abenteuer in die Dunkle Dimension, in der Stranges eben gesehene Aktionen einen Zusammenbruch des Multiversums in Gang gesetzt haben soll. All das wird sicher eines Tages in einer mutmaßlichen Phase Sechs wieder in einem sechsstündigen über zwei Jahre gestreckten Zweiteiler münden, in dem alle Marvelhelden der vergangenen Jahrzehnte ihren Wiederauftritt haben, um gegen eine das Multiversum sprengende Bedrohung anzutreten – womöglich auch solche, die schon tot sind, denn im Multiversum leben Tote einfach woanders weiter.

Anders als Phase Eins bis Drei bietet die Phase Vier noch nichts, dem ich entgegenfiebern wollte.

Und was nun Thor angeht: Der neue Film ist nicht mehr doppelbödig, wie die ersten beiden. "Love and Thunder" ist ein bunter, unterhaltsamer Film über einen Superhelden auf der Suche nach Liebe im Kampf gegen einen verzweifelten Mann, der sein Universum nicht mehr versteht.

Wertung: 4 von 8 €uro
IMDB