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Plakatmotiv: Eternals (2021)

Marvels neue Heldentruppe
leidet unter Ziellosigkeit

Titel Eternals
(Eternals)
Drehbuch Chloé Zhao & Patrick Burleigh & Ryan Firpo & Kaz Firpo
nach den Marvel-Comics von Jack Kirby
Regie Chloé Zhao, UK, USA 2021
Darsteller
Gemma Chan, Richard Madden, Angelina Jolie, Salma Hayek, Kit Harington, Kumail Nanjiani, Lia McHugh, Brian Tyree Henry, Lauren Ridloff, Barry Keoghan, Ma Dong-seok, Harish Patel, Bill Skarsgård, Haaz Sleiman, Esai Daniel Cross, Harry Styles, Alan Scott, Hannah Dodd u.a.
Genre Comic-Verfilmung
Filmlänge 156 Minuten
Deutschlandstart
3. November 2021
Inhalt

Die Eternals sind eine Spezies unsterblicher Außerirdischer vom weit entfernten Planeten Olympia, die vor Tausenden von Jahren auf die Erde gekommen sind, um die Menschheit vor einer Rasse interstellarer Jäger namens Deviants zu beschützen.

Auch wenn sie Zivilisationen und menschliche Geschichte im Hintergrund beeinflussten, haben sie sich mit ihren enormen Kräften nie selbst aktiv eingemischt. Selbst dann nicht, als Thanos im Kampf gegen die Avengers die Hälfte der Weltbevölkerung in Staub auflöste.

Doch nachdem ihre Anwesenheit unter den Menschen so lange Zeit ein Geheimnis war, ändert sich nun ihr Credo, nicht einzuschreiten. Und Schuld daran sind die gefährlichen Deviants, die als uralte größte Feinde der Eternals der Erde einen Besuch abstatten …

Was zu sagen wäre

Das ist natürlich eine interessante Frage: Was stellst Du an mit Deiner Existenz, wenn sie unendlich ist und Du nun seit 7.000 Jahren keine Antwort darauf gefunden hast. Der vorliegende Film gibt sie auch nicht, weil er sich irgendwann innerhalb der zweieinhalb Stunden Laufzeit nicht mehr dafür interessiert. Stattdessen beschreitet er einen blöden Weg: Da ist die Erde, unser Heimatplanet, einer von ganz vielen tausend Geburtsstätten von künftigen Celestials. Bei der Geburt dieses neuen Celestials stirbt der Planet; wie bei einem Ei: Wenn das Küken schlüpft, platzt die Schale. Nun müssen wir im Kinosessel quasi als Bürgermeister einer kleinen Gemeinde fungieren, die für zum Beispiel die Kohlegewinnung geopfert werden muss: Geben wir unsere Nachbarschaft, all die Höfe und Geschäfte in der kleinen gemeinde preis, damit für Deutschland genug Kohle zur Energiegewinnung gefördert werden kann? Ähnlich wie in Douglas Adams' "Per Anhalter durch die Galaxis", in dem die Erde einer Schnellbahntrasse durchs Universum weichen sollte. Das finden wir Menschen nicht so toll, wenn unser Planet plötzlich platzen soll für ein abstraktes Greater Good. Aber die Celestials haben natürlich einen anderen, umfassenderen Blick aufs Ganze. Die sehen nicht weniger als den Herzschlag des Universums. Klar, da ist die Erde mit ihren acht Milliarden Menschen Verschiebemasse, die halt dann geopfert wird; so, wie wir Ameisenkolonien zertrampeln, deren Bewohner wir faszinierend finden mögen, die aber jetzt einem Neubau im Weg stehen. Das beschäftigt einen im Kinosessel. Etwa drei Minuten lang. Aber dann wollen wir doch unsere Erde nicht irgendeiner abstrakten Macht opfern, die ein Universum am Leben halten will. Und die Titelhelden des Films wollen das zum Glück dann auch nicht. Aber dadurch bricht der letzte Rest an Spannung in diesem Film weg. Denn: Dass die Erde am Ende überlebt … davon dürfen wir ausgehen; das Marvel Cinematic Universe hat ja noch weitere Filme in der Pipeline. Dieser Cliffhanger ist also weg. Und dann sind die Titelhelden nach 7.000 Jahren auf unserem Planeten so abgeklärt, dass sie gänzlich leidenschaftslos agieren – oder sollen wir gleich sagen: langweilig?

Hohe Erwartungen sind mit diesem Film verknüpft. Er soll, a.) das Marvel Cinematic Universe, das nach dem Abgang des ein oder anderen Avengers ausgedünnt ist, neue Leben geben, neue Wendungen, neue Möglichkeiten. Dazu sitzt, b.) auf dem Regiestuhl Chloé Zhao, frisch gebackene Zweifach-Oscar-Preisträgerin für ihren international gefeierten Film Nomadland (2020). Die Filme der sinoamerikanischen Regisseurin und die Filme aus der Marvelmaschinerie verbindet so gut wie nichts. Wie soll das gut gehen? Immerhin: Anders, als bei anderen Marvel-Produktionen gab es keinen lauteren Gossip über Unstimmigkeiten hinter den Kulissen. Chloé Zhao hat den Job mit der Neugier einer Forscherin übernommen: Mal sehen, wie das geht, wenn Du buchstäblich auf die Leinwand bringen kannst, was Du willst und Dich kein Budget eingrenzt. Aber mit dem Marvel-Kosmos kann sie dann doch nicht so viel anfangen.

Der Film holt weit aus, bis ins Jahr 5000 vor Christus, geht im Vorspanntext sogar bis zur Gründung des bekannten Universums, bis zum Big Bang. Nix mehr mit Im Anfang war das Licht. Marvel hat sich mit den "Eternals" seine eigene Schöpfungsgeschichte geschrieben. Die natürlich weniger komplex ausfällt, als die der christlichen Konkurrenz. Und deren Helden schwer tragen an diesem Gewicht, seit 7.000 Jahren unsterblich über den Planeten Erde zu wandeln, ohne älter zu werden, seit Jahrhunderten der Aufgabe beraubt, die Menschheit vor den Deviants zu schützen, aber sich auch nicht in welthistorische Fehlgriffe einmischen zu dürfen. Was macht das mit solchen Wesen? Wie vertreiben die sich die Zeit? Ihr oberster Anführer, der Celestial Arishem, hat ihnen verboten, die Erde zu verlassen, nachdem ihr Auftrag, die Deviants zu vernichten, ausgeführt war. Sie hinterfragen das nicht. Eine vertreibt sich die Zeit in der Londoner Nachtclubszene. Zwei ziehen sich in die Einsamkeit zurück, kochen füreinander und passen auf, dass der andere nicht durchdreht. Einer wird als sein eigener Großvater, Vater und er selbst ewiger Star im Bollywood-Kino. Einer heiratet, gründet eine Familie und wird seinem Gatten und dem adoptierten Kind irgendwann erklären müssen, warum er nicht älter wird. Eine Eternal hat es schlimm erwischt: Sie ist eine alte Weise, auf ewig gefangen im Körper einer heran reifenden Teenagerin – als die sie von der Gesellschaft dann auch angesehen wird. Einer hat sich in den südamerikanischen Dschungel zurückgezogen, wo er ein kleines Waldvolk mit seinen geistigen Fähigkeiten kommandiert und unter Kontrolle hält. Fähigkeiten haben sie natürlich alle noch. Die eine kann sehr schnell rennen, eine kann Materie verändern, eine Illusionen erzeugen. einer ist ziemlich stark und verschießt Laserstrahlen aus seinen Augen. Thena, die im alten Griechenland als Athena, Göttin des Krieges bekannt war, ist, na klar, eine klasse Kämpferin. Und so weiter.

Eine Art neues Superheldenteam wäre da also beieinander. Anders als damals bei den Avengers aber zündet hier kein Charakter irgendeinen Konflikt. Mögen sich die Eternals auch nicht immer ganz grün sein, unterhaltsame Streitereien, wie die Avenger-Chauvis sie damals ausfechten mussten, bleiben bei den "Eternals" außen vor. Keine Figur zieht ein besonderes Interesse der Zuschauer auf sich. Im Gegenteil, wenn nach langer Abwesenheit im Film ein Eternal mal wieder auftaucht, denkt man: Ach richtig, den gibt's ja auch noch. Farblos wirkt die Truppe, die doch so bunt und historisch gewaltig inszeniert ist.

Schließlich, wenn dann nach vielen vielen Filmminuten alle Figuren einmal ordentlich erläutert sind, tut sich doch noch ein Konflikt auf, der die Gruppe zu zerreißen droht. Es stellt sich heraus, dass alles nicht ganz so war, wie ihnen immer eingetrichtert worden war vom obersten Celestial Arishem und also müssen die Eternals Position beziehen in einem zynischen Ewigkeitsdilemma – alles ist vergänglich und nur, wenn etwas verschwindet, kann etwas Neues erschaffen werden. Aber das gilt natürlich nicht für die Celestials. Die sind immer. Im Marvel-Kosmos sind es letztlich diese paar Gott-artigen Wesen, die das Universum gestalten. Sie sind in früheren Marvel-Filmen schon mal am Rande aufgetaucht, etwa als Vater von Starlord. Menschen auf dem kleinen Planeten Erde, gar ihre individuellen Schicksale spielen da gar keine Rolle. Naja, aber zum Glück haben die Eternals in den 7.000 Jahren, die sie auf der Erde leben, festgestellt, dass diese Menschen trotz Völkermorden und Atombomben doch irgendwie ganz töfte sind und unbedingt überleben sollten. Und deswegen stellen sich einige nun gegen Arishem – und kämpfen also gegeneinander.

Zwar kann Chloé Zhao einige ihrer zum Niederknien schönen, einsamen Landschaftsbilder inszenieren, sie gibt uns Denksportaufgaben über die Füllung der Unsterblichkeit mit Leben mit auf den Heimweg. Aber sie lässt uns allein mit langweiligen Typen, die ein Identitätsproblem haben, aber nicht den geringsten Bezug zu Marvels Cinematic Universe (MCU) aufbauen. Einmal werden die Avengers und Captain America erwähnt und Ikaris erklärt, er traue sich zu, diese Heldentruppe anzuführen. Aber, nachdem in London Eternals und Deviants sich zu Beginn einen heftigen Kampf liefern, würde man als Marvel erfahrener Kinogänger erwarten, jede Sekunde einen der übrig gebliebenen Helden auf der Matte stehen zu haben. Aber nichts dergleichen. Die alten Reflexe sind mit den Avengers ausgestorben. Ausführlicher werden die Helden von der Konkurrenz erwähnt. Ikaris mit seiner schicken Haartolle und den Laserblitzen aus den Augen wird von Kindern mit "Superman" (aus dem Hause DC) verwechselt, und Phastos fragt ihn prompt, ob er ihn „lieber Clark“ nennen soll, „Du weißt schon: Kent?“ Und Batman und sein Butler Alfred werden auch erwähnt, als wären sie unverrückbare Größen im literarischen Kanon. "Eternals" wäre kein besserer oder schlechterer oder anderer Film, wenn da nicht MARVEL drauf stünde. Der Film hebt nicht ab, hat mit dem MCU kaum zu tun. Er hat aber auch mit der Welt um unseren Kinosessel herum wenig zu tun. Normale Menschen spielten im MCU noch nie eine Rolle, aber hier spielt nicht mal mehr die normale (reale) Welt eine Rolle. Die Figuren trantüten herum, Angelina Jolie als Thena gar wirkt, als wisse sie nicht so recht, wie sie hierher geraten ist; vielleicht haben ihre Kinder gesagt, dass sie es cool fänden, wenn Mom auch mal in einem Marvel-Film mitspielt (Maleficent: Mächte der Finsternis – 2019; Maleficent – Die dunkle Fee – 2014; The Tourist – 2010; Salt – 2010; Wanted – 2008; Der fremde Sohn – 2008; "Die Legende von Beowulf" – 2007; Mr. & Mrs. Smith – 2005; "Alexander" – 2004; Sky Captain and the World of Tomorrow – 2004; Lara Croft – Tomb Raider: Die Wiege des Lebens – 2003; Original Sin – 2001; Lara Croft: Tomb Raider – 2001; Nur noch 60 Sekunden – 2000; Durchgeknallt – 1999; Der Knochenjäger – 1999; Leben und lieben in L.A. – 1998).

Visuell bietet der Film wunderschöne Studien der Ruhe – neben dem üblichen RummsBumms. Da die Heldentruppe keinen echten Gegner hat, höchstens sich selbst, spielt Actionchoreografie, wie sie uns zuletzt nochmal in Black Widow überzeugte, keine Rolle. Am Ende zieht der oberste Celestial Arishem ein bisschen beleidigt von dannen, droht, irgendwann wiederzukommen, um zu schauen, ob seine Eternal-Geschöpfe wenigstens recht behalten haben mit ihrer Insubordination, aber das ist dann auch schon fast egal. Viel wichtiger scheint, dass in der zweiten Post Credit Scene, nachdem in der Mid Credit Scene Thanos’ Bruder Eros einen Auftritt hat, auch bekannt als "Starfox", die ersten Sekunden im Wirken des Black Knight zu sehen sind, Dane Whitman, der kurz davor ist, das legendäre Schwert Ebenholzklinge aus der alten Kiste zu nehmen und von einer geheimnisvollen Stimme gestoppt wird.

Die Eternals sollen so etwas werden wie intergalaktische Avengers. Wo die Avengers aber diverse Vor-Filme hatten, in denen einzelne Charaktere vertieft wurden, bevor dann alle aufeinander krachen, müssen sich die Eternals gleich alle gemeinsam bewähren. Sympathiepunkte kann da keine der zahlreichen, peinlich genau nach ethnischen und geschlechtsspezifischen Merkmalen gecasteten Figuren gewinnen. Tiefere Spannung für Marvels Cinematic Universe holt dieser Film tatsächlich erst in seinen Credit Scenes.

Wertung: 3 von 8 €uro
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