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Plakatmotiv: Shang-Chi and the Legend of the Ten Rings (2021)

Grellbunt und schön getrickst,
aber überraschungsarm erzählt

Titel Shang-Chi and the Legend of the Ten Rings
(Shang-Chi and the Legend of the Ten Rings)
Drehbuch Dave Callaham & Destin Daniel Cretton & Andrew Lanham
nach den Marvel-Comics von Steve Englehart & Jim Starlin
Regie Destin Daniel Cretton, USA, Australien 2021
Darsteller

Simu Liu, Awkwafina, Tony Chiu-Wai Leung, Ben Kingsley, Meng'er Zhang, Fala Chen, Michelle Yeoh, Wah Yuen, Florian Munteanu, Andy Le, Paul W. He, Jayden Zhang, Elodie Fong, Arnold Sun, Stephanie Hsu, Kunal Dudheker, Tsai Chin, Jodi Long u.a.

Genre Comic-Verfilmung
Filmlänge 132 Minuten
Deutschlandstart
2. September 2021
Inhalt

Shang-Chi wächst als Sohn eines chinesischen Geschäftsmannes und einer amerikanischen Mutter in einem abgelegenen Anwesen in China auf. Abgeschnitten von der Außenwelt, kann der Junge nicht behaupten, dass seine Kindheit nach normalen Regeln verlief.

Von seinem Vater Wenwu erhält Shang-Chi jahrelang intensives Kampfsporttraining, bei dem er erstaunliche Martial-Arts-Fähigkeiten entwickelt. Erst Jahre später erfährt er den Grund, warum er der harten Ausbildung folgen musste: Im Glauben, einer guten Sache zu dienen, hat sein Vater ihn auf eine Mission vorbereitet, die alles andere als rechtschaffen ist.

Shang-Chi sagt sich von seinem Vater los und beginnt ein neues Leben. Doch schon bald holt ihn seine Vergangenheit wieder ein und er muss gemeinsam mit seiner guten Freundin Katy versuchen, die kriminellen Machenschaften des Vaters zu stoppen …

Was zu sagen wäre

Nachdem die Avengers 2019 das Universum aus den Klauen Thanos' befreit haben und die bei diesem Kampf verstorbene Black Widow endlich auch ihren Einzelauftritt im Kino hatte, starten die Marvel Studios in ihre Phase IV des Marvel Cinematic Universe (MCU). Die Covid-19-Pandemie hat einen eleganteren Übergang versaut, der Marvel-Faden ist im Kino abgerissen, der Rhythmus Zwei Filme pro Jahr gestört, jetzt drängeln sich allein zwischen Juli und November drei Marvel-Filme. Nach Black Widow und vor dem annoncierten Großereignis "Eternals" von Oscar-Regisseurin Chloé Zhao (Nomadland – 2020, The Rider – 2017) Anfang November ist hier also Shang-Chi, Meister des Kung-Fu und diverser anderer Martial Arts. Der erste Asiate im MCU mit eigenem Film. Analog zu Black Panther, dem ersten Marvel-Film mit einem schwarzen Hauptdarsteller, hoffen die Marvel-Studios, mit "Shang-Chi and the Legend of the Ten Rings" einen ähnlichen durchschlagenden Erfolg an der Kinokasse zu landen.

Chang-Chi taucht in der Comicwelt erstmals 1973 auf. Die US-Amerikaner sind da gerade ganz high von allem, was irgendwie mit asiatischer Kampfkunst zu tun hat, im Fernsehen läuft die erfolgreiche Serie "Kung Fu" mit David Carradine als Kwai Chang Caine. Chang-Chi ist zwar original Marvel, aber keine Erfindung von Stan Lee und/oder Jack Kirby, die der Verlag einfach mal ausprobiert, sondern eine Reaktion auf den Unterhaltungsmarkt: Die Menschen wollen Martial Arts? Sollen sie haben! Chang-Chi bleibt zehn Jahre lang fester Bestandteil der Marvel-Comicwelt. Nach 1983 taucht er regelmäßig als Gaststar in den Abenteuern anderer Helden auf.

Chang-Chi ist der Sohn eines Zauberers, der vor mehr als tausend Jahren in den Besitz von zehn Ringen gelangte, die ihn unsterblich und zu einem Feldherrn, Eroberer und Superschurken machten. In den Comics hieß er zunächst Dr. Fu Manchu, weil der Marvel-Verlag damals die Rechte an Sax Rohmer's Groschenheft-Schurken gleichen Namens hatte; später, als die Rechte erloschen waren, wechselten die Namen. Am bekanntesten dürfte sein Nom de Guerre "Mandarin" sein, der in den Comics ein alter Gegner von Iron Man ist.

In dieser Historie liegt die Crux, die den vorliegenden Film belastet. Geschickt verwebt Regisseur Destin Daniel Cretton Vergangenheit und Gegenwart, um nicht Gefahr zu laufen, dieselbe alte Geschichte eines Jungen zu erzählen, der ein mörderisches Training durchläuft um später einmal zu einem großen Kämpfer zu werden; das ist ja ungefähr die Storyline eines jeden Films aus dem Westen, der in Asien spielt: mörderische Ausbildung, ballettartige Prügelszenen. Und Drachen. Nach einem kurzen Prolog im sehr alten China springt der Film ins Jahr 1996, dem Geburtsjahr unseres Helden, weil neun Monate vorher der unsterbliche Überschurke die Frau kennengelernt hat, die ihn im Kampf bezwingen konnte und in die er sich prompt verliebte und wegen der er seine Schurkenkarriere aufgab. Und schon sind wir im Heute und lernen Shaun kennen, der eigentlich Chang-Chi heißt, aber weil er am College immer wegen seiner asiatischen Herkunft gehänselt wurde, nennt er sich lieber Shaun. Was an biografischen Daten im Leben des jungen Mannes noch wichtig ist, erfahren wir im Laufe des Films in Rückblenden; dadurch hält der Film ein hohes, für Marvel typisches erzählerisches Tempo.

Um aber diesen Einzelfilm im Marvel Cinematic Universe zu verankern, braucht er Querverweise. Und so taucht Ben Kingsley als eingebildeter Schauspieler Trevor Slattery wieder auf und muss dann nochmal umständlich erzählen, dass wir ihn in Iron Man 3 (2013) kennengelernt haben, wo er von einer Terrorgruppe angeheuert worden war, um den Superterroristen Mandarin zu mimen. Das hat den echten Mandarin, der, wie sich im Film jetzt rausstellt, gar nicht Mandarin, sondern Xu Wenwu heißt und den Namen "Mandarin" auch für eine alberne, aus amerikanischer Ahnungslosigkeit geborene Dummheit bezeichnet, sehr geärgert. Und also hat er den Schauspieler in seinen Kerker werfen lassen, um ihn später zu töten. Damit ist der Film im MCU verortet, die Figur des Schauspielers aber auch schon wieder hinfällig. Aber, weil sie nun mal im Film ist und ja immerhin von Ben Kingsley gespielt wird, wird sie bis zum Schluss mit durch den Film geschleift. In der Mid-Credit-Scene tauchen Captain Marvel, Bruce Banner und Steven Stranges Assistent Wong auf, um die zehn Ringe zu analysieren; das hätte als Verankerung im MCU durchaus ausgereicht.

Schwer einzuordnen ist Shang-Chi, dem der chinesisch-kanadische Simu Liu wenig Leben einhaucht. Eingeführt wird Shang-Chi als junger Mann mit gutem Schulabschluss, der mit seiner Kumpelfreundin Katy, die einen noch besseren Collegabschluss hat, in Bars abhängt und mit Autos einparken im Hotel seinen Lebensunterhalt verdient. Es sei dahingestellt, ob man sich in San Francisco im Jahr 2021 von so einem Job auch nur ein Getränk in der Bar finanzieren könnte, geschweige denn dazu noch ein kleines Appartement – der Lebensentwurf passt in die hippiesken frühen 1970er Jahre, nicht aber ins hochtourige 21. Jahrhundert. Und schon gar nicht in der Stadt, die das Silicon Valley beherbergt. Chang-Chi ist ein orientierungsloser junger Mann ohne Perspektive, der mit seiner Kumpelfreundin Katy lieber die Nächte durchtanzt als sich der Verantwortung im Leben zu stellen. Das soll diese Einführung zeigen. Sie tut es unelegant mit dem Holzhammer. So freuen wir uns, als Shaun und Katy endlich in den Bus steigen, denn die Trailer haben verraten, dass hier nun die Action und die eigentliche Story beginnt.

Es ist immer wieder faszinierend, wie die Marvel-Filme choreografisch schwer zu erarbeitende Prügeleien mit schwebender Leichtigkeit in Szene setzen. Visual Effects tun das ihre dazu, aber die Choreografie muss von Menschen geschaffen werden. Die Prügelei im Bus, der währenddessen führerlos die Hügel von San Francisco rauf und runter fährt, macht großen Spaß. Martial Arts im Kino ist wie ein rauschhaftes Ballett. Bei denen bleibt es allerdings nicht. Michelle Yeoh (Das Morgan Projekt – 2016; Mechanic: Resurrection – 2016; "Die Mumie – Das Grabmal des Drachenkaisers" – 2008; James Bond 007 – Der Morgen stirbt nie – 1997) darf zwar nochmal ihre kämpferische Eleganz aus Tiger & Dragon (2000) zeigen, aber später wird dann doch wieder scharf geblitzt und gedonnert und gefaucht, es handelt sich ja um das Marel Cinematic Universe und da wird immer mindestens die Welt gerettet – wofür, bei aller Liebe – ein paar Kampfkunst-Moves nicht reichen würden. Im Verlauf des Films macht sich dann zunehmend der Eindruck breit, dass die Bilder alle ganz schön, die VFX berauschend sind, man das aber irgendwie alles schon hundertmal erzählt bekommen hat: Der Held muss sich finden. Der Held muss gegen seinen Vater bestehen. Der Held muss in Kontakt mit seinen Vorfahren treten. Der Held muss seine Angst überwinden.

Und am Ende die Welt retten

Nicht, dass wir von einem Marvel-Film die hintersinnige Erzählkunst erwarten, Aber der erste Iron Man, der erste Thor, auch Ant-Man und Doctor Strange haben als Einzelfilme ohne großen Avengers-Bombast gezeigt, dass es auch fantasievoller und überraschender geht. Das waren aber noch Figuren, die man einst einfach mal ausprobiert hat. Keine, mit der man auf den Unterhaltungsmarkt reagierte.

Wertung: 4 von 8 €uro
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