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Plakatmotiv: Master & Commander – Bis ans Ende der Welt(2003)

Ein fein geschriebenes Drehbuch
für einen wuchtigen Männerfilm

Titel Master and Commander – Bis ans Ende der Welt
(Master and Commander: The Far Side of the World)
Drehbuch Peter Weir & John Collee
dem Roman "Manöver um Feuerland" ("The Far Side of the World") und anderen Büchern der Aubrey-Maturin-Serie von Patrick O’Brian
Regie Peter Weir, USA 2003
Darsteller

Russell Crowe, Paul Bettany, James D'Arcy, Edward Woodall, Chris Larkin, Max Pirkis, Jack Randall, Max Benitz, Lee Ingleby, Richard Pates, Robert Pugh, Richard McCabe, Ian Mercer, Tony Dolan, David Threlfall u.a.

Genre Abenteuer, Drama
Filmlänge 138 Minuten
Deutschlandstart
27. November 2003
Inhalt

Kapitän Jack Aubrey steht in Diensten der britischen Marine. England kämpft im Jahr 1805 als Koalitionspartner gegen Kaiser Napoleon Bonaparte. Aubreys Kriegsschiff ist die HMS Surprise, mit dem er vor der Küste Brasiliens kreuzt. Dort soll der Kommandant das französische Kaperschiff Acharon angreifen und kentern. Aber die Acharon ist mit größeren Kanonen ausgestattet und scheint unbezwingbar.

Das zeigt sich bereits beim ersten Aufeinandertreffen, als die Surprise nur knapp einer Niederlage entgeht. So leicht will Aubrey jedoch nicht aufgeben. Obwohl der Großteil seiner Mannschaft dagegen ist, darunter auch der mit ihm befreundete Schiffsarzt Maturin, beabsichtigt der Kapitän, den Zweikampf fortzusetzen. Als Aubrey erneut ins Hintertreffen gerät und zudem der Mast bricht, revoltiert seine Crew.

Nur mit eiserner Disziplin kann Aubrey die Mannschaft zusammenhalten. Der Kommandant vermutet, dass die Acharon vor den Galápagos-Inseln ankert. Tatsächlich entdecken sie in einer Bucht das Schiff der Franzosen. Dank eines Einfalls seines Freundes Maturin will Aubrey diesmal eine ungewöhnliche Kriegslist anwenden …

Was zu sagen wäre

Die erste Überraschung an Bord der HMS Surprise ist das Durchschnittsalter der Männer an Bord. Mehrere der Offiziere, bzw. Fähnriche, sind noch Teenager, einige gerade Anfang Zwanzig. Aber sie befehligen erfahrene, mit allen Wassern gewaschene Matrosen, Männer in ihren 50ern, die wahrscheinlich alles gesehen haben. Das mit den mit allen Wassern gewaschenen Matrosen mögen wir glauben, weil wir das aus vielen Filmen, in denen große Dreimaster eine zentrale Rolle spielen, so kennen; das Segelschiffkino bildet ein Untergenre des Abenteuerkinos – Unter Piratenflagge (1935), "Der rote Korsar" (1952), Die Verdammten der Meere (1962), Meuterei auf der Bounty (1962), Piraten (1986), Die Piratenbraut (1995) und viele andere.

Peter Weir hält sich von diesen Filmen fern und liefert mit "Master and Commander" ein wunderbares, zeitgenössisches Drama vor historischer Kulisse. Der Film folgt dem Geist der Bücher – nicht sklavisch deren Inhalten – und erzählt vor allem vom Leben an Bord. Die erzählte Geschichte ist denkbar einfach: Ein britischer Kommandeur soll mit seinem unterlegenen Schiff ein größeres, mächtigeres Schiff der Franzosen außer Gefecht setzen. Es gibt keine Schicksalsfiguren, die durch ein Unglück an Bord geraten sind, keine streitbare Frau, die mal richtig aufräumt unter den Kerlen. Aber es gibt natürlich alles, was zu einem Segelschifffilm dazu gehört. Schneidige Kommandos, stürmische See, Mast- und Schotbruch, die Bestrafung eines respektlosen Matrosen, eine elende Flaute, seemännischer Aberglaube, Kanonendonner und splitternde Planken. Es gibt auch fragwürdig aussehendes Essen, über das sich aber niemand beklagt. Die Männer an Bord sind Realisten, sie wissen, was geht und was nicht.

Also leckt sich die Mannschaft nach dem ersten, beinahe vernichtenden Angriff des französischen Kaperschiffes Acheron die Wunden, betrauert die Toten, flickt die Löcher im Schiff, klettern Wanten rauf und runter, der ein oder andere überlebt auch den Sturm vor Kap Horn nicht. Zusammengehalten werden diese Alltagsbeobachtungen auf einem Segelschiff im fernen Jahr 1805 von den Charakteren Jack Aubry, "Lucky Jack" genannt, und dem Schiffsdoktor Maturin, die eine lange Freundschaft und die Liebe zu Streichinstrumenten verbindet – Aubry spielt Geige, Maturin das Cello. Sie streiten sich oft, der Doktor ist mit Leib und Seele Wissenschaftler, der mehr Sinn darin erkennt, bisher unbekannte Tiere zu dokumentieren, als übermächtigen feindlichen Schiffen aus Selbstüberschätzung hinterher zu jagen.

Der Alltag an Bord wird auch geprägt vom System des Befehl & Gehorsam, davon, dass der Kapitän an Bord eine unbedingte Respektsperson sein muss und also auch jederzeit so handeln muss. Anstatt aber einen brüllenden Kapitän über Deck schreiten zu sehen, sehen wir Russell Crowe in seiner bulligen Autorität (A Beautiful Mind – 2001; Lebenszeichen – Proof of Life – 2000; Gladiator – 2000; Insider – 1999; L.A. Confidential – 1997). Sein Lucky Jack ist gerne Kapitän, mit Leib und Seele Seemann. Aber wir sehen ihm an, wenn ihm ein Befehl nicht behagt, sehen seine Schmerzen, wenn er im Sturm einen über Bord gegangenen Mann opfern muss. Kostümrollen stehen diesem barocken Kerl gut. Paul Bettany spielt den befreundeten Doktor ("Dogville" – 2003; A Beautiful Mind – 2001; Ritter aus Leidenschaft – 2001), ein feinsinniger Beobachter, der von den Männern an Bord geachtet wird, weil er „mehr kann, als Gliedmaßen abzuhacken“. Um diese beiden Männer herum haben Weir und sein Co-Autor John Collee in ihrem fein aufgebauten Drehbuch dramaturgisch interessante Charaktere gesetzt; einen jugendlichen Offizier, der gleich zu Beginn seinen Arm im Gefecht verliert, aber nicht seinen Lebensmut, einen verunsicherten Fähnrich, der nicht für ein Leben auf See gemacht ist und über dessen Sprachlosigkeit in entscheidenden Situationen wir mehr über die Zusammenhänge an Bord begreifen, als aus den Gesprächen zwischen Commander und Doktor.

"Master und Commander" ist ein mitreißender Film, weil er in einer Kinolandschaft, in der die großen Produktionen mit ihren Special Effects protzen und neue Welten erschaffen, Bilder zeigt, die auch SFX-gestützt sind, die wir aber nicht als solche wahrnehmen, weil sie im Dienst der Story stehen anstatt nur für sich. Wahrscheinlich existiert die ein oder andere Sturmwelle nur im Computer. Das macht aber nichts, weil Peter Weir sich darauf nicht ausruht (Die Truman Show – 1998; "Green Card" – 1990; Der Club der toten Dichter – 1989; Mosquito Coast – 1986; Der einzige Zeuge – 1985; "Ein Jahr in der Hölle" – 1982; "Gallipoli" – 1981; "Picknick am Valentinstag" – 1975). Er braucht die Effekte, weil die christliche Seefahrt des Jahres 1805 heute so nicht mehr real abzubilden ist, er aber von dem Geflecht dieser abgeschlossenen Gesellschaft jener Zeit und wie sie funktioniert erzählen will.

Russell Crowe und Paul Bettany lernten für diesen Film die gezeigten Violin- bzw. Cello-Stücke griffsynchron zum Playback der Profimusiker zu spielen, was beim zweiten Solo des Captains am Filmende einen überraschend perfekten Eindruck erzeugt.

Wertung: 6 von 6 €uro
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